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Afrikas Reiche plündern ihren Kontinent (Panama Papers)

Afrika
Frankfurter Rundschau Steuerflucht Von Johannes Dieterich Durch dubiose Finanztransfers geht den Staaten bei weitem mehr Geld verloren, als an Entwicklungshilfe hereinkommt. Nicht nur heimische Eliten, auch globale Konzerne entziehen dem Kontinent Gelder in immenser Höhe. Zugleich drücken immer höhere Staatsschulden. Man muss nicht lange wühlen, um in den Panama-Papieren auf afrikanische Namen zu stoßen: Vertreter des ansonsten eher an den Rand gedrängten Kontinents finden sich in den elfeinhalb Millionen Dokumenten in überraschend großer Zahl. Da taucht zum Beispiel wieder einmal der in Korruptionsangelegenheiten allgegenwärtige Name Zuma auf: Clive Khulubuse Zuma, der beleibte Neffe des südafrikanischen Staatspräsidenten, tritt als Vertreter zweier auf den Britischen Virgin-Inseln registrierten Briefkastenfirmen in Erscheinung, denen im Jahr 2010 auf umstrittene Weise die Förderrechte für Erdölfelder im kongolesischen Albert-See zuerkannt wurden. Kurz vor der zweifelhaften Entscheidung war Präsident Jacob Zuma zu einem „Arbeitsbesuch“ nach Kinshasa gereist. In den 2,6 Terabytes der Panama Papiere findet sich auch der Name des reichsten Manns des Kontinents: Der Nigerianer Aliko Dangote pflegt seinen Reichtum offenbar steuerfrei über mehrere Briefkastenfirmen auf den Seychellen zu vermehren. Des weiteren taucht der jüngste Sohn des einst stramm sozialistischen namibischen Gründungspräsidenten Sam Nujoma auf: Zacky Nujoma soll gemeinsam mit dem verurteilten Mafioso Vito Palazzolo die Annehmlichkeiten ausländischer Steueroasen in Anspruch genommen haben. Ferner werfen die Dokumente aus dem Büro des panamaischen Dienstleisters Mossack Fonseca, der am Donnerstag von der panamaischen Polizei durchsucht wurde, Licht auf die dunklen Geschäfte der Zwillingsschwester des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, eines Sohns des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak sowie des nigerianischen Senatspräsidenten Bukola Saraki. Selbst der angesehene Name Annan fehlt nicht: Kojo Annan, Sohn des ehemaligen UN-Generalsekretärs, hat über eine Briefkastenfirma in Samoa ein Londoner Appartement für eine halbe Million Dollar erworben. Standardprozedur der aus Afrika abgezweigten Milliarden war bislang, dass multinationale Unternehmen die institutionellen Schwächen der hiesigen Staaten ausnützen, um so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Auch dafür findet sich in den Panama Papieren ein typisches Beispiel: Die Firma „Heritage Oil and Gas Ltd“, eine Tochter des US-Konzerns Heritage Oil, suchte die ugandische Steuer auf Kapitalerträge zu umgehen, indem sie ihren Sitz nach Mauritius verlegte. Der Schachzug sollte die Zahlung von mehr als 400 Millionen Dollar an den ugandischen Staat vermeiden. Üblich ist auch die Praxis der Multis, durch falsche Rechnungen ihre Bilanzen zu manipulieren und ihre Gewinne zunächst auf Steueroasen zu leiten, um sie von dort aus wieder in das Land, wo die Gewinne erzeugt wurden, zu lenken. Auf diese Weise können die Konzerne auch noch staatliche Vergünstigungen für Neuinvestitionen einstreichen. Nach Angaben des deutschen Entwicklungshilfeministers Gerd Müller „sparen“ Multis allein in Afrika durch Buchungs- und Steuertricks jährlich 100 Milliarden Dollar ein. Welche Summen auf illegale Weise den Kontinent verlassen, ist unter Fachleuten umstritten. Ein unter Federführung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki angefertigter Bericht geht von 50 Milliarden Dollar pro Jahr aus, die Pariser Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hält 150 Milliarden Dollar für wahrscheinlicher. In jedem Fall übersteigt der Aderlass die Summe, die als öffentliche Entwicklungshilfe auf den Kontinent fließt: Sie beträgt deutlich weniger als 50 Milliarden Dollar. Fast ein Drittel des in Afrika erwirtschafteten Kapitals wird inzwischen außerhalb des Erdteils, vor allem in den Steueroasen, gehalten: Fachleute schätzen die Summe auf 500 Milliarden Dollar. Und das in einem Kontinent, der neben Regen nichts nötiger als Neuinvestitionen hat. Was die Panama Papiere außerdem ans Licht bringen: Dass die Multis längst nicht mehr die einzigen Steuersünder sind. Die Zahl der reichen Afrikaner wird immer größer: In den vergangenen fünfzehn Jahren wuchs die Anzahl der Dollarmillionäre auf dem Kontinent doppelt so schnell wie im Rest der Welt. Darüber könnte sich die gesamte Bevölkerung freuen, wenn diese Elite Steuern bezahlen würden. Doch die gutverdienenden Afrikaner drücken sich Untersuchungen zufolge so erfolgreich wie nirgendwo anders vor dem Finanzamt. In Kenia haben nur 100 von 40 000 Reichen überhaupt eine Steuernummer, während dem südafrikanischen Staat offenbar fast elf Milliarden Dollar an Steuereinnahmen entgehen, weil sich 114 000 Begüterte vor der Abgabe drücken. Sie können sich unglücklicherweise auf den skandalumwitterten Präsidenten ihres Landes berufen: „Wenn Krokodile tun und lassen können, was sie wollen“, meint ein ugandischer Rechercheur, „dann tun es auch die kleinen Fische.“ Die Kommissionspräsidentin der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, forderte nach dem Bekanntwerden der Panama Papiere, alle in ausländischen Banken gehaltene afrikanische Gelder sollten auf den Kontinent zurücküberwiesen werden. Aussichtsreicher und zukunftsweisender wäre indessen, die Steueroasen zu schließen und die afrikanischen Steuerbehörden zu stärken: Auf diese Weise könnte der unheiligen Allianz zwischen afrikanischen Eliten und ausländischen Unternehmen Einhalt geboten werden. Zumindest aber muss das von Panama und anderen Hochburgen der Steuerhinterziehung als heilig bezeichnete Recht der Geheimhaltung des individuellen Reichtums beseitigt werden, das der tansanische Wirtschaftswissenschaftler als „eine Schande für Afrika und die Staatsführung afrikanischer Länder“ bezeichnet.