Beitrag vom 25.07.2025
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Sklavenhandel am Horn von Afrika
Islamische Sklavenhändler haben einst hunderttausende Sklaven über das Rote Meer verschifft. Das ist nur ein Kapitel in der hierzulande weitgehend unbekannten Geschichte des Horns von Afrika. Der Orientalist und langjährige Diplomat Alfred Schlicht schildert sie plastisch und detailreich.
von Volker Seitz
Die Region des sogenannten Horns von Afrika (Äthiopien, Dschibuti, Eritrea und Somalia) leidet seit vielen Jahren unter vielfältigen Krisen. Sowohl historisch als auch gegenwärtig. Der Orientalist und langjährige Diplomat Alfred Schlicht hat viele Jahre im Nahen Osten gelebt und ist als einer der sachkundigsten Experten unseres Landes weithin bekannt. Mit seinem Buch „Das Horn von Afrika“, bei Kohlhammer erschienen, zeichnet er ein plastisches, detailreiches Bild der Geschichte und Politik der Region. Die Geschichte des Horns von Afrika ist in Europa außerhalb der Fachkreise noch weitgehend unbekannt. Die Expansion des Islam und die Entstehung eines islamischen Imperiums waren mit mittelbaren und unmittelbaren Konsequenzen für die Region verbunden.
Besonders aufschlussreich war für mich das Kapitel über Sklaverei. Auch der Sklavenhandel spielte eine wichtige Rolle am Horn von Afrika. Schätzungen gehen von 500.000 Sklaven aus, die im 19. Jahrhundert über das Rote Meer verschifft worden sein sollen. Vor allem im Westen und Südwesten des heutigen Äthiopien war, zusammen mit dem Sudan, ein bevorzugtes Reservoir für Sklavenjäger. Sklaven wurden oft als Minenarbeiter, Lastenträger, Hauspersonal oder in der Landwirtschaft eingesetzt, Frauen und Mädchen auch als Konkubinen.
Faktisch waren Sklavenhändler vor allem Muslime, die naturgemäß die besten Beziehungen zu Abnehmerländern, welche auch muslimisch waren, unterhielten. Die letzte Sklavenkarawane erreichte Dschibuti 1929. In Eritrea hörte der lukrative Sklavenhandel erst unter italienischer Herrschaft auf. Auch heute noch leben und arbeiten – wie ich auch aus Westafrika berichtet habe – Menschen vom Horn von Afrika in Nachbarstaaten unter sklavenähnlichen Bedingungen, bisweilen werden durch Zufall besonders gravierende Fälle bekannt.
Suezkanal erhöhte Bedeutung der Küstenregionen am Horn
Alfred Schlicht greift auch den Fall des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin (1799–1837) auf, dessen Urgroßvater Abraham Ganibal (Hannibal) im frühen 18. Jahrhundert aus Afrika als Sklave von osmanischem Militär nach Istanbul gebracht worden und dann nach Russland gekommen sein soll. Die Familientradition beruft sich auf „abessynische“ Abstammung. Sowohl Eritrea als auch Äthiopien beanspruchen ihn für sich, in beiden Hauptstädten dokumentieren diesen Anspruch Puschkin-Statuen. Dies ist auch Ausdruck der Rivalität zwischen der äthiopischen Region Tigray und Eritrea.
1869 war ein Schicksalsjahr für das Rote Meer und das Horn von Afrika. Durch die Eröffnung des Suezkanals wurde das Rote Meer zur internationalen Wasserstraße, zu einem interkontinentalen Verkehrsweg. Das Bab al-Mandeb, der Zugang zum Roten Meer, die Meerenge, die das Tor zum Indischen Ozean bildet, rückte ins grelle Licht der Großmachtinteressen. Eine schnellere Verbindung zwischen dem Mittelmeer und Europa einerseits sowie Afrika und Asien andererseits war entstanden. Die Wege der Kolonialimperien waren so kürzer geworden. Dadurch gewannen die Küstenregionen am Horn von Afrika plötzlich an Bedeutung, nicht nur für die europäischen Nationen, sondern auch für Ägypten, durch dessen Territorium an der Scheide zwischen Afrika und Asien der Suezkanal verläuft.
Um die Wende zum 21. Jahrhundert entwickelte sich die Region zu einem internationalen Krisenherd, z. B. durch den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien und den Zerfall des vom islamischen Terror heimgesuchten Somalia.
Alfred Schlicht hat mit großer Sorgfalt, Hintergrundwissen und analytischer Schärfe ein ausgezeichnetes Buch geschrieben. Sprache, Form und gedankliche Finesse machen das Buch zu einem Lesegenuss. Es ist flüssig lesbar, enthält keinen soziologischen Jargon und bedarf keiner Vorkenntnisse.
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Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage).