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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 30.03.2025

Tagespost

Disruption als Schock und Chance

Korruptionsbekämpfung spielt in der Entwicklungszusammenarbeit bisher nur eine untergeordnete Rolle.

USAID-Krise als Weckruf

Michael Gregory

Disruptives Vorgehen, also Kehrtwenden von heute auf morgen, nennt die Regierung von US-Präsident Donald Trump ihr politisches Vorgehen auf globaler Bühne. Nirgendwo ist das deutlicher geworden in den ersten Wochen seit Amtsantritt als in der Entwicklungspolitik: Die drastische Beschneidung der amerikanischen Entwicklungsinstitution USAID hat die entwicklungspolitisch Aktiven in Schockstarre versetzt, auch wenn das Oberste US-Gericht die Auszahlung laufender Zusagen gegen Trumps Willen angeordnet hat. Die bange Frage lautet: Wie soll es in vielen Entwicklungsländern weitergehen mit dringend benötigten Hilfsprogrammen, in der Gesundheitsversorgung und der Bekämpfung von Hunger?

Hängende Köpfe bei staatlichen Entwicklungsinstitutionen und NGOs – nochmals verstärkt durch die Ankündigung, dass Amerika aus der Agenda 2023 und den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aussteigen wird, deren Aufstellung es einst vorangetrieben hat. Sicher, künftig werden deutlich weniger Mittel fließen. Manche Programme, etwa die HIV/Aids-Bekämpfung in Afrika, und auch Länder wie Liberia oder Äthiopien werden große Schwierigkeiten bekommen, den Wegfall der USA als größtes Geberland zu kompensieren. In diesen Ländern steuert USAID einen so hohen Teil zum Bruttonationaleinkommen bei, dass der Wegfall einem Schock für die Wirtschaft gleichkommen könnte. Hinzu kommen das Risiko, dass China oder Russland als fragwürdige Alternativen ins Vakuum stoßen könnten, ebenso wie die Debatte in Europa über die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) als eigenständiges Feld. Sehr viel spricht für die Beibehaltung, denn Entwicklungszusammenarbeit verfolgt oft auch nationale Interessen, doch knappe Kassen allerorten und die Anforderungen für Verteidigung setzen sie schwer unter Druck.

Trumps Disruption könnte Selbstheilungskräfte auslösen

Dennoch: Warum dieser Frust in den Entwicklungszusammenarbeits-Zentralen? Denn Donald Trumps Disruption könnte bei aller Not, die sie kurzfristig hervorruft, auch Selbstheilungskräfte auslösen: Kräfte, die bislang im Verborgenen schlummerten, weil niemand sie voll zur Entfaltung brachte. Dabei können sie helfen, manche Entwicklungsblockade vor Ort zu lösen. Afrika bietet hierfür Beispiele. Allen voran: das Übel der Korruption. Es mangelt in manchem afrikanischen Land nicht an Geld für neue Investitionen, die neue Jobs schaffen, Firmen fördern, Bildung nach vorn bringen und soziale Sicherungssysteme unterfüttern. Das Problem ist, dass große Beträge der Entwicklung verloren gehen, weil sie unrechtmäßig in private Taschen fließen. Beispiel Südsudan: Das von Hunger und Bürgerkrieg betroffene Land im Osten Afrikas ist laut Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) mit einem Wert von acht Punkten nicht nur der Staat mit der höchsten wahrgenommenen Korruption in Afrika, sondern weltweit. Das östlich gelegene Somalia belegt mit neun Indexpunkten Rang zwei in der Liste der Länder mit der höchsten Korruption in Afrika, gefolgt von Libyen mit einem CPI von 13 Punkten. Der CPI bewertet für jedes der 180 untersuchten Länder die wahrgenommene Korruption.

Das Problem ist endemisch. Nicht nur der Osten des Kontinents ist betroffen, sondern auch der Süden, das Herz und der Westen ebenfalls. Simbabwe hat, wie der ugandische Publizist Joachim Buwembo berichtet, ein 74-köpfiges Team zu den Olympischen Spielen 2024 nach Paris geschickt, aber nur sieben davon sind Sportler, 67 sind „Offizielle“, darunter Politiker mit ihren Geliebten. „So selbstverständlich nimmt man das Recht in Anspruch, öffentliche Gelder zu stehlen. Budgetierte Korruption heißt das neuerdings: Die fetten Reisebudgets der simbabwischen Olympiadelegation sind ordnungsgemäß im Staatshaushalt verbucht, können also rechtlich nicht infrage gestellt werden“, schreibt Buwembo. Auch Kongo und Südafrika bleiben wegen weit verbreiteter Korruption hinter ihren Möglichkeiten zurück. Wo mehr Geld dem Gemeinwohl zukäme, würde Entwicklung schneller vorankommen. Es liegt in der Hand der betroffenen Staaten selbst, Fortschritte zu machen, um mehr Ressourcen zu mobilisieren.

Afrikas Staaten sind gefordert

Vor diesem Hintergrund ist schwer zu begreifen, warum die Korruptionsbekämpfung in der Entwicklungszusammenarbeit vielerorts nur eine untergeordnete Rolle spielt. Nach Angaben von Transparency International machte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Korruptionsbekämpfung 2021 nur 0,52 Prozent der Entwicklungszusammenarbeit aus, obwohl sie einer der größten Partner der afrikanischen Länder und ihrer Einrichtungen ist. Deutschland unterstützt die Verbesserung von öffentlichen Finanzmanagementsystemen, staatlicher und öffentlicher Rechnungsprüfung und Transparenz bilateral und in regionalen Organisationen. „Es scheint“, so die Einschätzung von Transparency, „dass die politischen Systeme – Regierungen, Parlamente, Nichtregierungsorganisationen – in den afrikanischen Ländern mehr Unterstützung brauchen könnten, um Korruption nachhaltig zu bekämpfen und zu verhindern. Allein aus den Kanälen der Entwicklungszusammenarbeit kann auch in Zukunft viel erreicht werden“.

Viel spricht dafür, dass es die Länder selbst sind, die es in der Hand haben. Wie Staaten es erfolgreich angehen können, zeigen Botswana, Sambia, Kap Verde, Mauritius oder Ruanda. Ausgerechnet Ruanda, dessen autoritärer Regierungschef Paul Kagame mit seinen Soldaten derzeit einen blutigen Krieg um Macht und Rohstoffe im benachbarten Ostkongo führt. Auch daheim hält Kagame die Zügel straff in der Hand – allerdings im Sinn des Gemeinwohls. Dazu gehört, Korruption konsequent zu ahnden. Ruanda ist heute ein aufstrebendes Land im Herzen des Kontinents. Es wurde erkannt, dass die breite Bevölkerung eine gute Schulbildung und solide Ausbildung braucht, wenn das Land als Ganzes vorankommen will.

Ein Perspektivwechsel lohnt sich

Für Afrika sind nach Einschätzung von Hafte Gebreselassie Gebrihet und Fabio Andrés Díaz Pabón, Politikwissenschaftler an der Universität Kapstadt, in einem Beitrag für „Entwicklung und Zusammenarbeit“ vier Wege erfolgversprechend: Erstens Whistleblower unterstützen, die Zugang haben zu Informationen über Netzwerke korrupter Akteure und darum wichtige Beteiligte sind bei deren Zerschlagung sowie der Aufdeckung von Korruptionssystemen. Zweitens günstige Bedingungen für die Aufdeckung von Korruptionssystemen schaffen. Wichtig sind Unabhängigkeit und Effizienz der Aufsichtsorgane. Drittens die Unabhängigkeit von Medien und der Zivilgesellschaft aufrechterhalten. In Südafrika haben Journalismus und Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle dabei gespielt, Fehlverhalten von Politikern aufzudecken, und sind ihrem Auftrag, die Öffentlichkeit zu informieren, nachgekommen. Viertens prinzipientreue Führungen unterstützen, die sich für Integrität und Rechenschaftspflicht einsetzen und die im Land herrschenden sozialen Normen vorleben. Dicke Bretter, die in Afrika gebohrt werden müssten. Ein Perspektivwechsel lohnt sich. Aus Amerika könnte der Antriebsbeschleuniger kommen.