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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 25.02.2025

Finanz und Wirtschaft
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Afrika: mehr Kapitalismus gegen Schuldenkrise

Kontinent auf der Kippe

Nach drei harten Jahren kehren einige afrikanische Staaten zaghaft an den Kreditmarkt zurück – doch die Risiken bleiben hoch.

Kommentar von
Wolfgang Drechsler
Kapstadt

Kein anderes Ereignis ist für Südafrikas Regierung in diesem Jahr von grösser Bedeutung als das für den November geplante Treffen aller Staatschefs der Gruppe bedeutender Wirtschaftsnationen (G-20) am Kap der Guten Hoffnung. Zu einer Zeit, in der Afrika zunehmend von der globalen Tagesordnung fällt, braucht das Land den prestigeträchtigen Gipfel, um einige für den Kontinent wichtige Themen auf die internationale Agenda zu setzen, allen voran die zuletzt stark ins Hintertreffen geratene Schuldenkrise vieler Entwicklungsländer.

Erst vor kurzem hatte sich Südafrikas Aussenminister Ronald Lamola über die hohen Kosten der Kapitalaufnahme für Afrika empört und den Kontinent dabei als «Opfer internationaler Investoren und Ratingagenturen» beschrieben. Ausgespart wurde einmal mehr das wenig wirtschaftsförderliche Umfeld auf dem Kontinent.

Hoffen auf die Märkte

Richtig liegt Lamola aber damit, dass die Kosten der Schuldentilgung für viele afrikanische Länder inzwischen dramatische Formen angenommen haben. Kaum jemand bezweifelt, dass immer mehr seiner Staaten es wohl nicht schaffen werden, die seit 2010 aufgenommenen Schulden pünktlich zu bedienen.

Viele verlassen sich inzwischen auf die internationalen Anleihenmärkte und nicht mehr auf Hilfsgelder oder spezielle Finanzierungsprojekte. Dies hat die Geldaufnahme für viele stark verteuert. Wenn dann auch noch der Kurs der eigenen Währung oder wichtige Exporteinnahmen wegbrechen, müssen viele Staaten den Schuldendienst aussetzen.

Selbst wenn dies nicht passiert, macht die hohe Schuldenlast es oft unmöglich, mehr Geld in Bildung oder Gesundheit zu pumpen, wie dies grade in Afrika bitternötig wäre. Südafrika steckt mittlerweile ein Fünftel aller Steuereinnahmen in die Rückzahlung seiner Schulden. In einigen afrikanischen Ländern ist es sogar mehr als die Hälfte. Insgesamt betrachtet hat sich Afrikas externe Schuldenlast im vergangenen Jahrzehnt fast verdoppelt – von 75% seiner Exporte (2010) auf 140% im Jahr 2023.

Vor allem im Afrika südlich der Sahara ist der Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandprodukt (BIP) zuletzt massiv auf fast 60% gestiegen – den höchsten Stand in zwanzig Jahren. Gemäss dem jüngsten Jahresbericht der Weltbank beläuft sich die Staatsverschuldung der 48 Länder in der Region auf rund 1,15 Bio. $. 2010 hatte sie noch bei 354 Mrd. gelegen. Dabei erscheint das Verschuldungsproblem im Vergleich mit westlichen Ländern von aussen betrachtet beherrschbar.

Gleichwohl sind die Umstände in Afrika oft ganz andere. So ist zum Beispiel die Fähigkeit des Staates, Steuern zu erheben, weit schwächer als in den Industrienationen. Entsprechend wird die Verschuldung auch viel schneller zum Problem: Während in den Industrieländern eine Bruttoverschuldung ab etwa 70% als heikel gilt, wird diese Schwelle in Entwicklungs- und Schwellenländern oft schon bei 30% erreicht.

Die gegenwärtige Schuldenkrise ist eine direkte Folge der globalen Finanzkrise von 2008. Damals suchten viele afrikanische Staaten, ermuntert durch die kurz zuvor durchgeführte Schuldenabschreibung des Westens, erstmals nach Geldquellen jenseits der herkömmlichen Entwicklungshilfe. Möglich wurde dies, weil die Kreditvergabe an den (zuvor vom Privatkapital umgangenen) Kontinent nach der Finanzkrise kräftig angezogen hatte.

«Die Volatilität afrikanischer Anleihen ist nichts für nervenschwache Investoren.»

In vielen Industrieländern waren die Zinsen damals auf historische Tiefs gefallen. Fondsmanager jagten nun plötzlich die hohen Renditen afrikanischer Regierungsanleihen, ohne dabei die oft hohen Risiken stärker in Betracht zu ziehen. Ein weiterer grosser Kapitalgeber für Afrika war damals zudem China im Rahmen seiner neuen Seidenstrasse, eines gigantischen Infrastrukturprojekts.

Gleichzeitig gab der nun erstmals angezapfte Anleihenmarkt vielen afrikanischen Ländern die Möglichkeit, ihre Kapitalaufnahme zu diversifizieren und die oft strikten Kriterien von Weltbank und IWF zu umgehen. Aber auch Investoren profitierten: Noch im Jahr 2021, als die Staatsschulden der Industrieländer kaum 1% Rendite abwarfen, lag der Ertrag bei fast der Hälfte der von afrikanischen Staaten aufgenommenen Dollaranleihen noch immer über 8%.

Erst der Anstieg der Zinsen in den entwickelten Volkswirtschaften und die zunehmend prekäre geopolitische Lage erhöhten dann die Risiken der Kreditvergabe an Entwicklungsländer. Abgesehen vom Ölstaat Gabun ging 2023 kein einziger afrikanischer Staat für eine Dollaranleihe an den internationalen Kapitalmarkt.

Ganz allmählich steigt der Appetit nun jedoch wieder. Der Hauptgrund dafür liegt weniger in dem nun in Wirtschaftskreisen verbreiteten Narrativ einer angeblich positiven Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung in Afrika, sondern vor allem in der US-Notenbank: In der Annahme eines Rückgangs der US-Zinsen erscheinen die Renditen der von einigen afrikanischen Staaten zuletzt ausgegebenen Anleihen wieder vergleichsweise attraktiv. Vieles deutet folglich darauf hin, dass Afrikas Kreditbedingungen viel stärker in Washington als auf dem eigenen Kontinent entschieden werden.

Dennoch bleibt Vorsicht geboten: Obwohl vor allem afrikanische Euroanleihen im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt eine Rendite von jährlich rund 5% abwarfen, werden wilde Ausreisser und längere Verlustphasen im oft reichlich chaotischen Umfeld der Ausgabeländer leicht verdeckt. Die Volatilität dieser Anleihen ist laut S&P fast dreimal höher als die amerikanischer Staatsanleihen und damit sicherlich keine Option für nervenschwache Investoren.

«Kapitalistische Revolution»
Idealerweise sollte Afrika bei der Rückzahlung der Kredite ein stärkeres Wirtschaftswachstum helfen. Doch grade hier bleiben die Aussichten eher trübe. Erst kürzlich hat die stets optimistische Weltbank das Wachstum für Afrika im Jahr 2025 auf knapp 4% taxiert – auf kaum einen Prozentpunkt mehr als das (zu) hohe Bevölkerungswachstum. Eine neue Austeritätspolitik könnte das Wachstum sogar noch stärker schmälern und intern zu Unruhen führen, wie zuletzt in Kenia oder Mosambik.

Entsprechend fordert der britische «Economist» in seiner Titelgeschichte zu Jahresbeginn eine «kapitalistische Revolution in Afrika», damit der Kontinent endlich wieder Anschluss findet. So ist das Einkommen in Afrika pro Person von einem Drittel gegenüber dem Rest der Welt im Jahr 2000 auf nunmehr ein Viertel geschrumpft – und dürfte auch 2026 auf dem gleichen Niveau wie zehn Jahre zuvor liegen. Auch ist die Zahl der Unternehmen in Afrika mit Einnahmen von über 1 Mrd. $ viel kleiner als in allen anderen Regionen der Welt.

«Afrika ist eine unternehmerische Wüste» konstatiert das britische Wirtschaftsblatt. Statt sich auf die Ausgabe von Moskitonetzen oder das Herummäkeln am Weltfinanzsystem zu konzentrieren, müsste Afrika endlich ein Umfeld schaffen, in dem Unternehmen gegründet werden und wachsen können – und in das sich der Staat nicht ständig einmischt. Zumal ein schnelleres und dazu breit abgestütztes Wachstum der beste Weg zum Abbau von Armut und Schulden ist.