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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 16.02.2025

Cicero

Südafrikas Enteignungsgesetz

Gefahr für Nahrungsmittelsicherheit und gesellschaftlichen Frieden

Südafrika will mit seinem neuen Enteignungsgesetz vor allem weiße Farmer treffen – und schadet sich damit
wirtschaftlich selbst. Dass US-Präsident Trump darauf mit dem Entzug von Hilfsgeldern reagiert, könnte sich als
Segen für das Land erweisen, das sich jüngst immer weiter vom Westen entfernt.

VON WOLFGANG DRECHSLER

Nach Mexiko, Kanada und Gaza sind die Erschütterungen des von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Politbebens
nun auch in Südafrika angekommen – und haben dort in Medien wie Politik für reichlich Empörung gesorgt. Doch nicht
alles, was Donald Trump derzeit außenpolitisch umtreibt, muss schlecht oder größenwahnsinnig sein. Seine jüngste
Intervention in Südafrika könnte sich am Ende sogar als ausgesprochen nützlich entpuppen, auch wenn Trump sie wieder
einmal mit eher dürftigen Argumenten unterfütterte.
Im Kern trifft er bei allen Übertreibungen dennoch den entscheidenden Punkt: Das von ihm scharf kritisierte neue
Enteignungsgesetz erweist sich bei genauerem Hinsehen als pures Gift für die Wirtschaft des Landes – und könnte nicht
nur dessen Nahrungsmittelsicherheit, sondern auch gesellschaftlichen Frieden schon mittelfristig akut gefährden. Kaum
auszudenken, wenn ausgerechnet der einstige Hoffnungsträger Afrikas zu einem weiteren gescheiterten Staat auf einem
Kontinent werden würde, in dem wirtschaftliche Erfolgsstorys rar gesät sind. Die Geschichte Afrikas lehrt jedenfalls, dass
auf die Verabschiedung von Enteignungsgesetzen, wie etwa in Simbabwe, wenig später der wirtschaftliche und soziale
Kollaps folgte.
Daran ändert auch nichts, dass neben dem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) als Urheber des Gesetzes
auch viele Dritte-Welt-Bewegte und NGOs in Einklang mit dem woken Zeitgeist glauben, allein die drastische
Umverteilung von Land sei der einzig richtige Weg zu einer diffusen gesellschaftlichen Gerechtigkeit am Kap. Und dass
nur durch massive Eingriffe das Vermächtnis der Apartheid korrigiert werden könnte.

Um die stille Durchsetzung des Enteignungsgesetzes zu gewährleisten, hat der ANC die seit langem von ihm forcierte
(sozialistische) „National Democratic Revolution“ mit vermeintlich beruhigenden, aber weit interpretierbaren Zusagen
garniert. Stets wird dabei betont, wie nobel die Absichten des ANC seien. Auch solle die nun versuchte gesellschaftliche
„Transformation“ allein auf mehr Gleichheit abzielen und der schwarzen Mehrheit zu mehr Teilhabe verhelfen. Vorwürfe
einer krassen Selbstbereicherung der Eliten, wie sie Südafrika seit Jahren erlebt, werden hingegen als böswillig und falsch
zurückgewiesen.

Letztes Stadium der sozialistischen Revolution

Dabei ist der ANC seit seiner Machtübernahme am Kap vor 30 Jahren darauf bedacht, die Macht des Staates zum eigenen
Vorteil zu missbrauchen, wie James Myburgh vom Internetmagazin Politicsweb schreibt. Mit der im letzten Juni gebildeten
Einheitsregierung und dem Einstieg der liberalen Demokratischen Allianz (DA) in das Kabinett hätte Ramaphosa eine
Gelegenheit gehabt, den Weg der Staatsplünderung zu verlassen und echte Reformen anzugehen. Doch mit der nun
erfolgten Unterzeichnung des Enteignungsgesetzes habe der ANC das Land stattdessen mit einem Schlag ins letzte
Stadium seiner sozialistischen Revolution katapultiert, konstatiert Myburgh.
Bei dem seit Längerem auf Halde gelegenen Gesetz handelt es sich um das wohl umstrittenste Regierungsvorhaben in
Südafrika seit dem Ende der Apartheid 1994. Damals hatte der ANC, die frühere Widerstandsbewegung, erklärt, ein Drittel
des weißen Grundbesitzes in nur fünf Jahren umzuverteilen. Doch das Vorhaben scheiterte. Laut einer Landerhebung im
Jahr 2017 befinden sich noch immer rund 70 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in weißen Händen. Allerdings
wurden auf der Basis des „Willing Buyer/Willing Seller“-Prinzips inzwischen immerhin 25 Prozent des einstmals von
Weißen bestellten Farmlands an schwarze Südafrikaner umverteilt oder sind in Staatsbesitz übergegangen. Die
allermeisten Umverteilungsprojekte scheiterten daran, dass der Staat die Kleinbauern nach der Umverteilung im Stich ließ
und viele aus Kapitalmangel und fehlendem Know-how daraufhin Bankrott gingen.

Oft übersehen wird aber auch, dass es bei den möglichen Enteignungen keineswegs nur um Grund und Boden geht. Sollte
der Staat nämlich die von ihm gegebenen Versprechen brechen, wäre das gesamte Privatvermögen am Kap gefährdet.
Nach Angaben des Institutes of Race Relations, des führenden Thinktanks am Kap, könnten neben Farmen auch städtische
Immobilien, Unternehmen und Bergwerke, aber sogar Aktien, Patentrechte und sogar Ersparnisse in Rentenfonds vom
Staat konfisziert werden, etwa wenn Verkaufsgespräche zu keinem Ergebnis führen. Zwar behauptet die Regierung zu
Recht, dass dies bislang nicht geschehen sei und man das neue Enteignungsgesetz nur in Einklang mit der Verfassung
bringen wolle. Doch könnte die Regierung durch die nun unternommene „Anpassung“ fortan von einem „öffentlichen
Interesse“ der Enteignung sprechen und dafür auch Preise weit unterhalb des Marktwertes zahlen.
Simbabwes Diktator Robert Mugabe behauptete zum Beispiel, dass der von ihm verfügte Diebstahl privater Farmen „im
öffentlichen Interesse“ sei. Auch weckt ein Blick auf die Vergangenheit sowie die mit dem ANC verbündete
Kommunistische Partei Zweifel an den Versprechungen. Wie auch die vom ANC bewunderten Länder, zu denen neben
Simbabwe und Russland auch Venezuela oder Kuba zählen.

Die USA sind nicht verpflichtet, einem ihnen feindlich gesonnenen Land Handelsvorteile zu gewähren

Daneben stellt sich die Frage, warum der ANC das von der Geschäftswelt stets vehement abgelehnte Gesetz grade jetzt
erlässt. Offenbar fühlt sich die geschwächte Regierungspartei nach ihrer spektakulären Wahlschlappe im Mai letzten
Jahres nun wieder stark genug, um zu zeigen, wer in der damals gebildeten Regierung der Nationalen Einheit den Ton
angibt. Der ANC war damals von 58 Prozent auf 40 Prozent abgestürzt und gezwungen, erstmals seit seinem Machtantritt
nach einem Koalitionspartner zu suchen. Zur Enttäuschung vieler seiner radikalen Elemente verbündete sich die frühere
Widerstandsbewegung damals mit der marktliberalen DA, ihrem eigentlichen Erzfeind. Die dem ANC ideologisch wie
emotional viel näherstehenden Linksradikalen, die seit langem die Verstaatlichung weiter Teile der südafrikanischen
Wirtschaft fordern, wurden wegen ihrer Maximalforderungen übergangen.

Trumps Ressentiments gegenüber Südafrika haben aber noch einen anderen Grund: Seit Jahren hat sich das Land am Kap
immer weiter vom Westen entfernt und pflegt im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Gruppe der Brics-Staaten enge
Beziehungen mit China, dem Iran und vor allem Russland, seinem alten Freund aus den Tagen des Widerstands gegen die
Apartheid. Aber auch der Krieg in Gaza und das starke Eintreten des ANC für die Sache der Palästinenser haben die USA
stark empört, zumal Südafrika Ende 2023 auch noch Israel wegen angeblichem Völkermord in Gaza vor dem
Internationalen Gerichtshof verklagte. Die Putin-Nähe des ANC hatte bereits die Biden-Regierung bewogen, ihr
Freihandelsabkommen für Afrika (Agoa) im Fall von Südafrika zu überdenken. Dieses erlaubt den südafrikanischen
Autobauern einen zollfreien Export ihrer Produkte in die USA.

Dass Trump nun so drastisch interveniert und am Wochenende sämtliche Hilfszahlungen an Südafrika bis zu ihrer
Überprüfung stoppte, darunter auch die (von den USA finanzierte) Universitätsforschung des Landes, kann angesichts des
seit langem angespannten Verhältnisses zu Südafrika kaum verwundern. Schließlich sind die USA weder zum
Ausschreiben immer neuer Schecks an Südafrika verpflichtet noch dazu, einem ihnen zunehmend feindlich gesonnenen
Land einseitig Handelsvorteile zu gewähren. Eine ähnlich drastische Kürzung der Entwicklungshilfe erwägt übrigens auch
die EU künftig gegenüber jenen Ländern, die kriminelle oder abgelehnte Migranten nicht freiwillig zurücknehmen wollen.

Den ANC zu mehr Pragmatismus zwingen

Umso verblüffender mutet es an, dass Südafrikas fragile Einheitsregierung durch die plötzliche Verabschiedung des wohl
kontroversesten aller Gesetze das Land nun wirtschaftlich massiv schwächt. Für das Anlocken der dringend benötigten
Privatgelder ist ein Enteignungsgesetz die denkbar schlechteste Idee, schon weil Eigentumsrechte und Vertragstreue
Grundvoraussetzung für jede Investition sind.
Umfragen zeigen zudem, dass die große Mehrheit der Menschen am Kap keine neu aufgewärmten revolutionären und
anachronistischen Konzepte wünscht, sondern das ihnen vor 30 Jahren vom ANC versprochene, aber nie gelieferte
„bessere Leben“. Ein wenig gutes Omen für Südafrika war zuletzt aber auch, dass mit der Unterzeichnung des
Enteignungsgesetzes landesweit die Lichter ausgingen – nach 300 Tagen ohne Stromausfall. All dies zeigt, wie fragil die
wirtschaftliche und politische Lage am Kap bleibt.
Schon deshalb könnte Trumps frühe Intervention bei allen Gefahren und trotz aller Vorwürfe des Neokolonialismus
durchaus ihren Nutzen haben. Sie könnte den noch immer fest dem Sozialismus verpflichteten ANC zu mehr
Pragmatismus zwingen, zumal der Niedergang Simbabwes nach den dort vorgenommenen Enteignungen eine deutliche
Warnung bleibt. Mit Trumps Intervention erlebt Südafrika einen womöglich historischen Moment. „Zum ersten Mal seit
langer Zeit tritt eine westliche Demokratie der Kleptokratie des ANC aktiv entgegen“, schreibt Politicsweb-Chef Myburgh.
Und genau darin könnte 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid die eigentliche Zeitenwende für Südafrika, aber auch den
Kontinent selbst liegen.