Beitrag vom 30.01.2025
Kölnische Rundschau
Der Osten des zentralafrikanischen Landes ist reich an wertvollen Rohstoffen. Das ist einer Hauptgründe für die Kämpfe, die sich in den vergangenen Tagen zugespitzt haben. Bisher sollen mehr als 100 Menschen gestorben sein, Hunderttausende sind auf der Flucht.
Worum wird im Kongo gekämpft?
VON KRISTIN PALITZA UND EVA KRAFCZYK
Goma/Kinshasa/Kigali. Die Kämpfe in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma zwischen Regierungstruppen und der Rebellenmiliz M23 dauern an – wenn auch weniger heftig als in den vergangenen Tagen. Die humanitäre Lage in der Millionenstadt spitzt sich unterdessen zu, wie Hilfsorganisationen mitteilen. Die Rebellenmiliz kontrolliert mehrere Stadtteile, einschließlich des Flughafens. Während sich ein Teil der Soldaten der Regierungsarmee der M23 ergeben hatte und im Stadion von Goma entwaffnet wurde, hielten andere Soldaten den Widerstand aufrecht. Bis zum späten Nachmittag wurde in einigen Stadtteilen demnach weiter gekämpft. Wer sind die M23-Rebellen und was wollen sie?
Unter den geschätzt hundert Milizen im Kongo ist die M23 eine der mächtigsten. Sie kämpft seit Jahren gegen Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen, um sich den Zugang zu Bodenschätzen zu sichern. Sie will zudem als politische Gruppierung anerkannt werden und baut in den von ihr kontrollierten Gebieten Regierungsstrukturen auf. Seit etwa zwei Jahren kontrolliert sie große Teile der östlichen Provinz Nord-Kivu und vor allem den Bergbau in der Region. Hier werden einige der seltensten und wertvollsten Metalle der Welt – Coltan, Gold, Nickel, Kobalt und Kupfer – in großen Mengen abgebaut. In den vergangenen Wochen konnte die M23 umfangreiche Gebietsgewinne verzeichnen.
Warum erfolgt der Angriff auf Goma gerade jetzt?
Die jetzige Zuspitzung des Konflikts mit dem Angriff der M23 auf Goma sei Teil der Strategie der Rebellen, die Regierung in Kinshasa zu Verhandlungen zu zwingen, sagt der Afrika-Analyst der Risikoberatungsfirma Verisk Maplecroft, Andrew Smith. Präsident Félix Tshisekedi habe sich bisher geweigert, mit der Miliz zu verhandeln. Ein zentrales Anliegen der M23 ist die Verbesserung der politischen und sozialen Bedingungen der Tutsi-Minderheit im Ostkongo, die ihrer Auffassung nach diskriminiert wird. Die M23 habe den Zeitpunkt des Angriffs auf Goma geschickt gewählt, meint Jakob Kerstan, der Landesdirektor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa. „Die westliche Gemeinschaft ist gerade mit anderen Konflikten beschäftigt.“
Welche Rolle spielt das Nachbarland Ruanda?
Auch Ruanda hat Interesse am Rohstoffreichtum des Ostkongo. Tshisekedis Regierung wirft dem Nachbarn vor, die M23 logistisch und finanziell zu unterstützen. Der unabhängige UN-Expertenrat für den Kongo ging in seinem jüngsten Bericht Ende 2024 von mindestens 3000 bis 4000 ruandischen Soldaten im Ostkongo aus. Ruanda bestreitet jedoch, die Rebellen zu unterstützen.
Könnte es zu einem Krieg zwischen Ruanda und dem Kongo kommen?
Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind seit Jahrzehnten angespannt. In zwei Kriegen zwischen dem Kongo und Ruanda – von 1996 bis 1997 und von 1998 bis 2002 – starben Schätzungen zufolge insgesamt sechs Millionen Menschen. Darüber, ob es zu einem dritten Krieg kommen könnte, sind sich die Experten uneinig: Während Smith das Risiko als hoch einstuft, glaubt Kerstan, Kinshasa sei sich bewusst, militärisch keine Chance gegen das wesentlich kleinere, aber deutlich besser ausgestattete und trainierte Militär Ruandas zu haben.
Wer versucht, in dem Konflikt zu vermitteln?
Es gibt mehrere regionale Bemühungen, den Konflikt zu schlichten. Die Ostafrikanische Gemeinschaft unter dem Vorsitz von Kenias Präsident William Ruto will vermitteln. Er hat sich bereits die Unterstützung von Frankreich und den USA gesichert. Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, einer der besten politischen Verhandler auf dem Kontinent, hat sich an Ruandas Präsident Paul Kagame gewandt, um Gespräche für einen Waffenstillstand in Gang zu setzen. Tshisekedi hat zwar eine Krisensitzung mit Vertretern der Afrikanischen Union abgehalten, sich aber noch nicht öffentlich dazu geäußert, wie er auf den Vormarsch der M23 reagieren will.
Warum sind die Vereinten Nationen involviert?
Die UN-Mission Monusco ist seit Ende des letzten Kongo-Kriegs in dem Land stationiert, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Als eine der größten Friedensmissionen mit mehr als 14.000 Mitarbeitern – der Großteil davon militärisches Personal – hat Monusco eine spezielle Interventionsbrigade, um militärisch gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen. Auch regionale Truppen der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) unterstützen die UN-Mission. Die bisherige Bilanz des Einsatzes gilt jedoch als gemischt. Monusco hat zur Stabilisierung bestimmter Regionen beigetragen, dennoch bleibt die Lage in vielen Landesteilen angespannt, bewaffnete Gruppen sind weiterhin aktiv. Viele Kongolesen werfen Monusco vor, nicht ausreichend auf die anhaltende Gewalt und die daraus folgende humanitäre Krise reagiert zu haben. Zudem gibt es Berichte über von Blauhelmen begangene Menschenrechtsverletzungen.
Wie geht es den Menschen im angegriffenen Goma?
Die Einwohner, die nicht aus der Millionenstadt flüchten konnten, verschanzen sich seit Tagen in ihren Häusern. Strom- und Wasserversorgung sind seit dem Angriff unterbrochen, das Internet funktioniert nur sporadisch. Berichte von Plünderungen und steigender Kriminalität zirkulieren auf sozialen Medien. Seit dem Ausbruch Tausender Häftlinge aus einem Gefängnis hat sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert.
Die M23 versucht, ihre Autorität unter Beweis zu stellen und für mehr Sicherheit zu sorgen. Die Miliz kündigte an, Plünderer würden getötet, wenn sie auf frischer Tat gefasst werden. Hilfsorganisationen berichten derweil über katastrophale Verhältnisse, vor allem im Gesundheitswesen. Chirurgenteams des Roten Kreuzes seien rund um die Uhr im Einsatz, sagte Myriam Favier, Leiterin der Delegation des Internationalen Komittee vom Roten Kreuz in Goma. Viele Zivilisten seien bei den Kämpfen ins Kreuzfeuer geraten.
Schon vor dem Angriff durch die M23 war die humanitäre Lage in Goma und Umgebung prekär. Seit Jahren suchen Hunderttausende Vertriebene aus umkämpften Gebieten in der Provinzhauptstadt Zuflucht. Die Flüchtlingslager sind überfüllt. Der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser oder medizinischer Versorgung gilt generell als äußerst kritisch. (dpa)