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Beitrag vom 20.11.2024

NZZ

Friedlicher Machtwechsel in Somaliland

Oppositionskandidat gewinnt Präsidentenwahl – Beobachter trauen ihm Verhandlungen mit Somalia zu

Bettina Rühl, Nairobi

Die international nicht anerkannte Republik Somaliland hat weitgehend funktionierende staatliche Strukturen.

In der international nicht anerkannten Republik Somaliland ist der Kandidat der bisher grössten Oppositionspartei, Abdirahman Mohamed Abdullahi Cirro, gemeinhin Irro genannt, zum neuen Präsidenten gewählt worden. Wie die Wahlkommission des ostafrikanischen Landes am Dienstag bekanntgab, erhielt Irro 64 Prozent der Stimmen. Der bisherige Präsident, Muse Bihi Abdi, kam auf 35 Prozent. Etwa 1,2 von 6 Millionen Menschen in Somaliland waren wahlberechtigt.

Die Region im Norden von Somalia hatte vor 33 Jahren ihre Unabhängigkeit vom Rest des Landes erklärt. Seitdem bemüht sich Somaliland um internationale Anerkennung. Die blieb bisher aus, obwohl das Land mit der Hauptstadt Hargeisa mehrere friedliche Machtwechsel über die Bühne brachte und es schaffte, weitgehend funktionierende staatliche Strukturen aufzubauen.

Das übrige Somalia tat sich nach dem Zusammenbruch des Staates 1991 deutlich schwerer. Bis heute hat die dortige Regierung unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud nicht das gesamte Staatsgebiet unter Kontrolle. Weite Landesteile werden von der islamistischen Miliz al-Shabaab beherrscht.

Hoffnung auf Anerkennung

Seit Anfang des Jahres macht sich Somaliland neue Hoffnungen auf internationale Anerkennung. Mit seinen Bestrebungen verschärfte es allerdings die Spannungen in der ohnehin unruhigen Region am strategisch wichtigen Horn von Afrika: Die Region liegt an der Schnittstelle zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean.

An Neujahr unterzeichnete der nun scheidende Präsident von Somaliland eine Absichtserklärung mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Demnach darf das Binnenland Äthiopien von Somaliland einen Küstenstreifen von 20 Kilometern pachten und im Hafen von Berbera einen Marinestützpunkt errichten – «im Austausch für die formelle Anerkennung Somalilands».

Diese Nachricht brachte das Horn von Afrika an den Rand eines neuen Krieges. Denn die wütende Reaktion Somalias liess nicht lange auf sich warten. Die dortige Regierung erklärte das Abkommen zu einem Akt der «Aggression», weil sie Somaliland weiterhin als Teil ihres Staatsgebiets betrachtet. Die Lage ist besonders delikat, weil äthiopische Truppen in Somalia stationiert sind und die Regierung im Kampf gegen islamistische Terroristen unterstützen.

Der Konflikt eskalierte, als Somalia in Reaktion auf die äthiopisch-somaliländische Vereinbarung im August ein Sicherheitsabkommen mit Ägypten schloss, das daraufhin Waffen nach Somalia lieferte. Gemäss Berichten plant Ägypten, mehrere tausend Soldaten nach Somalia zu senden, um dort Äthiopien im Kampf gegen die Al-Shabaab-Miliz abzulösen. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy warnte in der Folge, sein Land werde «jeden erniedrigen, der es wagt, uns zu bedrohen». Das äthiopische Militär brachte schwere Waffen an der Grenze zu Somalia in Stellung. Das Verhältnis zwischen Äthiopien und Ägypten ist wegen des Nil-Staudamms, den Äthiopien gebaut hat, seit Jahren angespannt.

Zwiespältige Glückwünsche

Dem neuen Präsidenten von Somaliland kommt bei der Befriedung dieser Spannungen eine wichtige Rolle zu. Irro unterstützt das Abkommen mit Äthiopien ebenso wie sein Vorgänger, aber er gilt als umgänglicher. Politische Beobachter trauen ihm eher Verhandlungen mit der Regierung von Somalia zu.

Der bisherige Präsident Muse Bihi ist ein ehemaliger Offizier. Unter ihm hatten sich die Beziehungen zu Somalia wie auch zum benachbarten Djibouti verschlechtert. Die Präsidenten beider Länder gratulierten Irro am Dienstag zum Sieg. Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud bekannte sich in seiner Botschaft zu den laufenden Versöhnungsgesprächen, die seiner Meinung nach auf die Wahrung der Einheit Somalias ausgerichtet sind – ein Ziel, das kein somaliländischer Politiker teilt.