Beitrag vom 27.10.2024
Berliner Zeitung
Ibrahim Index of African Governance:
„Zusammenbruch der globalen Ordnung“ stoppt Fortschritt in Afrika
„Afrika ist nicht losgelöst von dem, was in der Welt passiert, und man kann sehen, dass die globale Ordnung überall zusammenbricht“, so Mo Ibrahim über die aktuelle Erhebung.
Sophie Barkey
Die Fortschritte bei der demokratischen Regierungsführung in Afrika sind laut einer aktuellen Studie in weiten Teilen zum Stillstand gekommen. Zu diesem Ergebnis kam in dieser Woche der Ibrahim Index of African Governance, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird. Der Bericht, der Variablen wie öffentliche Dienstleistungen, Justiz, Korruption und Sicherheit misst, gilt als der umfassendste Überblick über Regierungsführung in Afrika. Der Gründer und Vorsitzende der Organisation, Mo Ibrahim, führt die derzeitige Entwicklung auch auf die unsichere Weltlage zurück.
Dabei waren die Ergebnisse auf dem Kontinent erwartungsgemäß unterschiedlich: In der Hälfte der afrikanischen Länder verschlechterte sich demnach die allgemeine Regierungsführung, in der anderen Hälfte wurden Fortschritte erzielt.
Dennoch leben dem Bericht zufolge 78 Prozent der afrikanischen Bürger in einem Land, in dem sich die Bereiche Sicherheit und Demokratie in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert haben. Ein großer Teil dieser Rückgänge sei auf die Einschränkung der Versammlungsfreiheit zurückzuführen – in 29 Ländern hatten die Menschen zuletzt „erheblich“ weniger Freiheit, sich zu versammeln und Ideen auszutauschen.
In der Unterkategorie Sicherheit habe die Gewalt in den letzten fünf Jahren für mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents zugenommen. Der Mangel an Sicherheit bremse dabei den Fortschritt bei den wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie in den Bereichen Gesundheit, Bildung, sozialer Schutz und Nachhaltigkeit, heißt es in dem Bericht weiter.
Mo Ibrahim: „Moralische Schwelle sinkt weltweit“
Gründe für den attestierten Stillstand sieht Mo Ibrahim im sich weltweit verbreitenden Populismus und einer unsicherer werdenden Weltordnung. „Afrika ist nicht losgelöst von dem, was in der Welt passiert, und man kann sehen, dass die globale Ordnung überall zusammenbricht“, sagte Ibrahim dem britischen Guardian. „Man kann sehen, dass viele Menschen ungestraft gegen internationales Recht verstoßen“. Weiter sagte er: „Ich denke, die moralische Schwelle sinkt leider weltweit, und das gilt auch für uns in diesem Teil der Welt.“
Problematisch ist nach Ansicht Ibrahim auch, dass die öffentliche Wahrnehmung des Fortschritts in den Ländern fast durchweg negativ ist. Alle Indikatoren für die öffentliche Wahrnehmung, mit Ausnahme derjenigen, die die Führungsrolle von Frauen erfassen, gingen zurück.
„Wenn die öffentliche Unzufriedenheit groß ist, kann das natürlich zu Unruhen, verstärkter Migration und Konflikten führen“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Laut Ibrahim könnte die allgemeine Unzufriedenheit auch auf die gestiegenen Erwartungen und den besseren Zugang zu Informationen aus anderen Teilen der Welt zurückzuführen sein.
Positive Entwicklungen verzeichnete der Index derweil bei der Infrastruktur, etwa beim Zugang zum Internet, und bei der Gleichstellung von Frauen, mit besseren Gesetzen zum Schutz von Frauen vor Gewalt und einer besseren Wahrnehmung und Vertretung von Frauen in Politik und Führungsjobs. Die Umstände in beiden Bereichen verbesserten sich für etwa 95 Prozent der Afrikanerinnen und Afrikaner. Auch in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Unternehmensumfeld gab es demnach kontinentweit eher Verbesserungen.