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Beitrag vom 29.11.2022

Spiegel

Twitter: Kündigungswelle ohne Abfindung in Ghana - Mitarbeiter zweiter Klasse

Twitter hat in Ghana das gesamte Team bis auf eine Person entlassen. Dabei wurde das neue Büro erst vier Tage zuvor eröffnet. Der Fall zeigt, wie Techfirmen auf dem afrikanischen Kontinent mit ihren Mitarbeitern umgehen.

Von Heiner Hoffmann, Nairobi

Heute töpfert er, zum ersten Mal seit 20 Jahren. Das hat Bernard Sokpe selbst auf Twitter verkündet. Sein Post zeigt eine Faust aus Ton, in die Höhe gereckt, das Symbol des Widerstands, vor allem in der Schwarzen Community. Sokpe hat jetzt Zeit zum Töpfern, denn Twitter hat ihn gefeuert, zusammen mit fast dem gesamten Team in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Ein einziger Mitarbeiter durfte Medienberichten zufolge bleiben.

Dabei ist es erst ein paar Tage her, dass sich Sokpes Tweets noch ganz anders lasen. Am 1.11. postete er, der beim Kurznachrichtendienst für Senior Partner Management verantwortlich war: »Heute haben wir offiziell Twitters Afrikazentrale in Accra eröffnet. (…) Das sollte angesichts der angespannten Nachrichtenlage in der Welt gefeiert werden.« Darunter Fotos des Teams und eines »Carepakets« für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Paket musste nicht lange halten, denn nur vier Tage später landete eine E-Mail im privaten Postfach fast aller Angestellten, die Überschrift: »Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses«. Darin hieß es: »Ihr letzter Arbeitstag wird am 4.12. sein.«

Vier Tage – so lange währte also der groß angekündigte Traum vom »Africa Headquarter«, von wo aus Twitter einen ganzen Kontinent koordinieren wollte. Ende 2019 war der damalige Twitter-Chef Jack Dorsey durch Afrika gereist, schrieb anschließend vom »Kontinent, der die Zukunft bestimmen« werde. Im April 2021 verkündete Twitter schließlich, in Ghana ein Büro eröffnen zu wollen, um den Service auf dem afrikanischen Kontinent »zu verbessern und anzupassen«. Elf Menschen wurden zunächst angestellt. Die Hoffnung in Ghana war groß.

Doch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiteten pandemiebedingt fast durchweg im Homeoffice, erst zum 1. November 2022 konnten die neuen Büros bezogen werden. Dann übernahm Elon Musk den Laden und vier Tage später folgte der Rausschmiss. Und es zeigte sich: Der angebliche Boomkontinent Afrika war es dem Management von Twitter wohl nicht einmal mehr wert, das örtliche Arbeitsrecht nachzulesen.

Denn anders als den Kolleginnen und Kollegen im Silicon Valley wurde den Mitarbeitern in Ghana zunächst keine Abfindung oder dreimonatige Lohnfortzahlung angeboten. Nach gerade einmal vier Wochen sollten sie auf der Straße landen. »Meine Mandantinnen und Mandanten waren zutiefst schockiert und haben sich schon gefragt, warum sie als Mitarbeiter zweiter Klasse gelten«, sagt die Anwältin Carla Olympio, sie vertritt die Betroffenen inzwischen. Das Arbeitsrecht in Ghana schreibe in solchen Fällen vor, eine Art Schiedsstelle der Regierung vorab zu informieren und gemeinsam eine Lösung zu finden. Das sei aber nicht geschehen, obwohl es sich um eine Massenentlassung handele, so die Argumentation der Anwältin. Twitter hat auf eine Anfrage des SPIEGEL bislang nicht reagiert.