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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 06.05.2021

Preußische Allgemeine Zeitung

Afrika ist reich, aber es wird arm gemacht

Ex-Botschafter Seitz: „Afrikas Heilung muss aus dem Inneren kommen“

Von Josef Kraus

Afrika ist reich! Es verfügt über günstige Klimazonen und fast zwei Drittel der weltweit landwirtschaftlich nutzbarer Böden. Aus Afrika kommen mehr als 50 Prozent des Goldes, 90 Prozent des Kobalts, 50 Prozent der Phosphate, 60 Prozent des Kaffees. Afrika ist reich an Wasserkraftressourcen. Laut Weltbank würde allein die Wasserkraft des Kinshasa-Flusses ausreichen, um den gesamten Kontinent mit Strom zu versorgen. Ein anderer Fluss, der Kongo, hätte qua Wasserkraft Elektrizität für ganz West- und Zentralafrika; aber sie wird nur zu 2,5 Prozent genutzt.

Und Afrika ist riesengroß. Mit seinen derzeit 56 Staaten und 30,3 Millionen Quadratkilometern ist es dreimal so groß wie Europa, 85mal so groß wie Deutschland. In der Nord-Süd-Ausdehnung sind das 8.050 Kilometer und in der West-Ost-Ausdehnung 7.560 Kilometer. Das entspricht der Luftlinie Berlin - Peking.

Wir übersehen, dass in Afrika derzeit 1,3 Milliarden Menschen leben, also in etwa so viel wie jeweils in Indien oder in China. Zum Vergleich: Die Europäische Union hat 512,4 Millionen Einwohner, nach dem Brexit sind es 446,0 Millionen. Deutschland hat 83,5 Millionen, Frankreich 67,5 Millionen. Wir wollen zudem nicht wahrhaben, wie Afrikas Bevölkerung explodiert. 1913 hatte Afrika rund 130 Millionen Bewohner. Damals entsprach das in etwa der Bevölkerung von Deutschland und Frankreich zusammen (120 Millionen). Nun prognostiziert die UN, dass sich die Bevölkerung Afrikas von aktuell 1,3 Mrd. bis 2050 auf 2,5 Milliarden und bis 2100 auf fast 4,5 Milliarden erhöhen wird. Das heißt: Afrika wächst jährlich um 40 Millionen Menschen, monatlich um 3,3 Millionen, wöchentlich um 770.000 und täglich um 110.000. Das ist einmal pro Monat Berlin; einmal wöchentlich Frankfurt; täglich in etwa Erlangen.

Hintergrund: In den zentralafrikanischen Staaten stellen die 0- bis 14-Jährigen einen Bevölkerungsanteil von 40 bis 43 Prozent. In den EU-Staaten macht diese Altersgruppe 15,2 Prozent aus, in Deutschland gar nur 12,8. Von daher verwundert es nicht, dass in den Subsahara-Ländern laut Gallup-Befragung 39 Prozent gerne ihre Länder dauerhaft verlassen möchten.

Das größenwahnsinnige “Helfersyndrom“

Afrika ist reich, zugleich ist von außen ein grenzenloses Helfersyndrom angesagt. Gesinnung schlägt hier jede Urteilskraft aus dem Feld. Motto: Afrika ist arm, weil wir reich sind. Ein Teil der Menschen Afrikas soll denn auch nach Europa kommen dürfen, für den anderen Teil gilt es „Fluchtursachen bekämpfen.“ Wobei die maßgebliche Fluchtursache, nämlich der gewaltige Geburtenüberschuss, völlig ignoriert wird, übrigens auch bei der Frage der CO2-Produktion!

Das Europäische Parlament (EP) möchte Afrika schier eingemeinden. Am 26. März 2019 verabschiedet das EP seine Entschließung "Die Grundrechte von Menschen afrikanischer Abstammung". Die sog. Leitmedien berichten nichts davon, obwohl vom 23. bis 26. Mai 2019, die Wahlen zum neuen Europäischen Parlament stattfanden. Zufall? Erst neun Monate später wird die EP-Entschließung bekannt. Demnach sollen die EU-Mitgliedstaaten rassistische Voreingenommenheit in ihren Strafrechts-, Bildungs- und Sozialsystemen überwachen und entsprechend proaktive Maßnahmen ergreifen. Sie sollen die Geschichte der Menschen afrikanischer Abstammung in die Lehrpläne aufnehmen und dort die Themen Kolonialismus und Sklaverei umfassend darstellen. Der wohl brisanteste Punkt ist Punkt 23: Das EP „fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter Berücksichtigung der bestehenden Rechtsvorschriften und Verfahren dafür zu sorgen, dass Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber auf sicherem und legalem Wege in die EU einreisen können.“ Das heißt doch: Fluchtwege ebnen, Shuttle-Dienste einrichten, die Tore weit öffnen! Begründet werden all die 28 Maßnahmen mit der (historisch wohl kaum belegbaren) Behauptung, dass „Menschen afrikanischer Abstammung im Laufe der Geschichte erheblich zum Aufbau der europäischen Gesellschaft beigetragen hätten.

Die EU legte dann im September 2020 gleich einen Aktionsplan für die Jahre bis 2025 vor. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will gar einen „Anti-Rassismus-Koordinator“ etablieren. Klingt alles gut. Wenn aber der Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, Anfang 2020 Toleranz für die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in 34 von 54 afrikanischen Ländern verlangt (in Mauretanien, im Sudan, in Teilen Nigerias und Somalias droht sogar die Todesstrafe, in arabischen Ländern ohnehin), meinte die Kommissionspräsidentin, die EU werde die Unterschiede deutlich machen, aber auch akzeptieren (sic!): „Wir versuchen zu überzeugen, aber wir erkennen an, dass es unterschiedliche Positionen gibt.“ Hier werden Kultursensibilität und Toleranz zur Farce.

Nicht der Kolonialismus ist schuld

Bis hinein in die expandierende Kolonialismus-Forschung wird das Narrativ gepflegt, die Ursache des afrikanischen Elends sei der Kolonialismus! Wohlgemerkt ausschließlich der westliche! Damit aber wird der Blick dafür verstellt, dass die Ursachen des Rückstands zumeist in Afrika selbst zu suchen sind. Weiße Kolonialherren wurden durch schwarze Kolonialherren ersetzt. Folge: Mit Beginn der Unabhängigkeit in den 1960er Jahren hatten Nigeria, der Kongo oder Ghana bessere Entwicklungsindikatoren als etwa Südkorea. Oder nehmen wir konkrete Zahlen: 1960 betrug der Anteil Afrikas am Welthandel (ohne Südafrika) 9 Prozent, heute sind es 1,6 Prozent. Nigeria etwa gehörte vor 25 Jahren zu den 48 reichsten Ländern der Welt; heute zu den 25 ärmsten.

Gerne wird verdrängt, dass die Kolonisierung, zum Beispiel in Folge der christlichen Mission, Zivilisation nach Afrika brachte. Man sollte nicht vergessen, was prominente Afrikaner über die Kolonisation sagen. Zum Beispiel der 1945 in Guinea geborene Robert Kardinal Sarah. Der Bischof, der gelegentlich auch als der erste schwarze Papst „gehandelt“ wurde, schreibt: „Die Kolonisatoren brachten viele lebendige, durch das Christentum geadelte Traditionen ihrer Vorfahren mit. Ihre Auffassung von der Würde des Menschen, seinen Rechten und Werten war etwas absolut Neues … Ich bekenne mich gerne dazu, Kind einer konstruktiven Kolonisation zu sein.“ (Buchtitel: „Herr, bleibe bei uns!“ Kisslegg, 2019)

Es mag auf den ersten Blick zu optimistisch klingen, was Thilo Sarrazin 2020 in seinem Buch „Der Staat an seinen Grenzen“ schrieb: „Auch die Menschen in Mali können den Lebensstandard der Franzosen genießen, wenn sie eine vergleichbare Mentalität ausbilden, ihre Bevölkerungsexplosion in den Griff bekommen, ein vergleichbares Bildungssystem entwickeln und vergleichbar fleißig und produktiv sein.“ Am Beispiel Südafrikas macht Sarrazin 2020 deutlich, dass ein Verschwinden europäisch geprägter Strukturen ein afrikanisches Land nicht nach vorne bringt. Über die mit dem Ende der Apartheid in Südafrika gehegte Hoffnung folgert Sarrazin: „In Südafrika breitete sich eine Flut von Korruption aus ... Das Wirtschaftswachstum stagniert, Ausfälle in der Infrastruktur nehmen zu.“

Vor allem aber sollte man bedenken, dass die qualifikationswilligen Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern gebraucht werden, um ihr Heimatland (wieder) aufzubauen. Zumal es nicht die Ärmsten aus den Herkunftsländern sind, die sich die Schleuserdienste für mehrere tausend Dollar leisten können. Oder wird hier einem „Kolonialismus 2.0“ das Wort geredet und findet auf dieser Schiene ein Scramble for Africa (ein Balgen um Afrika) statt? Ja, ein solcher Kolonialismus findet statt. Afrika leidet unter einem „Braindrain“ seiner ohnehin viel zu wenigen Ärzte und Ingenieure, und die reichen Länder sind die Nutznießer. Wenn Afrika nicht den Wohlstand des Westens erreicht, dann hat das außerdem weniger mit kolonialer Ausbeutung zu tun als damit, dass es in Afrika zur Genüge gescheiterte sozialistische Experimente gab bzw. gibt.

Man will auch nicht wahrhaben, dass der Anteil der muslimischen Welt an der Sklaverei den der westlichen erheblich übertraf. Egon Flaig ist einer, der die historischen Fakten aufdeckt und dazu das Standardwerk „Weltgeschichte der Sklaverei geschrieben hat.“ Darin wörtlich: „Als die Muslime ihr Weltreich eroberten, errichteten sie das größte und langlebigste sklavistische System der Weltgeschichte … Es wurden weit mehr subsaharische Afrikaner in die Kernländer des Islam verschleppt als über den Atlantik in die europäischen Kolonien, mindestens 17 Mio gegen 12 Mio …. Insgesamt ergibt das mehr als 53 Millionen versklavte Menschen im Laufe von 1300 Jahren … Völkerrechtlich verboten wurde die Sklaverei in der Berliner Kongo-Akte von 1885 und durch die Antisklaverei-Akte der Brüsseler Konferenz (1889/90) … Ohnehin wehrten sich insbesondere die islamischen Eliten heftig und kriegerisch gegen die Zumutung, ohne Sklaven auszukommen.“ Und noch heute werden nach Schätzungen der UNO jedes Jahr etwa 200.000 Kindersklaven verschachert. Meist sind sie Eigentum reicher muslimscher Familien.

Nicht zu vergessen: Man darf es nicht so nennen, aber die mächtigste aktuelle Kolonialmacht in Afrika ist China. China baut dort Fabriken, Häfen, Flughäfen, Staudämme, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Eisenbahnlinien (etwa von Mombasa nach Nairobi), rüstet afrikanische Armeen aus. Allein in Luanda (Angola) ist China mit 150.000 bis 200.000 Arbeitern präsent; alle haben zugleich eine vormilitärische Ausbildung hinter sich. Alles selbstlos? Nein, China bekommt dafür privilegierten Zugang zu Rohstoffen.

„Afrikas Heilung muss aus dem Inneren kommen“

Einer, der den gigantischen Komplex der Entwicklungshilfe auf den Seziertisch legt, ist Volker Seitz. Soeben hat er in aktualisierter Neuausgabe sein Buch mit dem Titel vorgelegt: „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann.“ Seitz ist ein Mann mit besten Afrikakenntnissen. Er war bis 2008 insgesamt 17 Jahre lang im diplomatischen Dienst in verschiedenen afrikanischen Ländern tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun.

Auf 300 Seiten zerpflückt Seitz die Verirrungen der Entwicklungshilfepolitik. Geld sei immer eher zu viel als zu wenig dagewesen, schreibt er. Die seit 1960 nach Afrika geflossenen rund zwei Billionen Dollar hätten kaum Verbesserungen gebracht. Den Grund sieht Seitz darin, dass die Hilfe zu wenig Hilfe zur Selbsthilfe gewesen sei und dass Gelder in Länder geflossen seien, die diese Gelder nicht brauchten. Etwa Angola, ein Land, das reich an Öl ist. Vor allem sieht Seitz kleptokratische Herrscher am Werk. Man könne davon ausgehen, dass 40 Prozent der Staatseinnahmen der Korruption zum Opfer fallen. Wörtlich schreibt Seitz: „Die afrikanischen Eliten sind Weltmeister im Champagnertrinken, ihre Autokorsos zeichnen sich durch eine erstaunliche Mercedesdichte aus …“ Aber sie sind schnell bei der Hand, wenn man ihnen auf die Schliche kommt, dann kontern sie mit dem Totschlagargument „Das ist Rassismus.“

Gefördert wird dieses System dadurch, dass viele Milliarden als „Budgethilfe“ in afrikanische Länder gingen, das heißt als zweckfreie Einspeisung in die Etats der Länder. Oft werden dann Abermillionen für Waffenkäufe statt für Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung ausgegeben. Oder für aufgeblähte Regierungsapparate, etwa für 65 Minister in Kamerun und für 75 in Ghana bei jeweils weniger als 30 Millionen Einwohnern. Zugleich wird die Bevölkerung gezielt armgehalten, weil sonst die Gelder von außen versiegen.

Riesige Probleme sieht Seitz in den intransparenten Strukturen der „Helferindustrie“, die Katastrophen-Marketing betreiben würden und selber davon profitierten. Ärgerlich sei zudem deren endloser Konferenz-, Workshop- und Reisezirkus. Seitz nimmt die UNO nicht aus: „Längst ist die UNO ein Teil des Entwicklungsproblems.“ Die UNO betreibe nämlich ABM-Maßnahmen für 23 UNO-Spezialorganisationen: UNDP, UNICEF, UNHCR, WHO, UNCTAD, UNIDO, UNIDI, UNEP, UNOPS, UNESCO, UNIEM, ILO, FAO, WFP usw.

An einer transparenten Evaluation sei man nicht interessiert, so Seitz, weil man sonst zur Kenntnis nehmen müsste, dass meist nur eines von fünf Projekten nach dem Ende der Hilfe überlebt. Zugleich hält man die Höhe der Ausgaben für Entwicklungshilfe bereits für einen Beweis von Erfolg. Nicht aber deren Resultate, auch nicht die Resultate der fast neun Milliarden, die Deutschland pro Jahr offiziell (ohne private Spenden) ausgibt.

Politik und Kirchen scheinen denn auch den riesigen Anspruch eines Bekämpfens der Fluchtursachen bereits aufgegeben zu haben, um jetzt auf Umsiedlungspolitik zu setzen oder zumindest zu glauben, mit Shuttleschiffen zur Rettung von Armutsflüchtlingen aus dem Mittelmeer würde man Afrika helfen. Nein, mit dieser Art von „Menschenhandel“ wird mittlerweile ebenso viel Geld verdient wie mit Drogenhandel. Aber gutmenschlich sieht man darin in der Abwanderung ein Ventil, ohne sich freilich der demographischen Dimensionen bewusst sein zu wollen.

Noch einmal zu Volker Seitz: Der Ex-Botschafter bleibt nicht bei der Analyse stehen, sondern er nennt zwei Dutzend gelungene Beispiele von Entwicklungshilfe (etwa in Botswana und Ruanda). Vor allem nennt Seitz Bedingungen, an die eine zukünftige Förderung von außen zu binden sei: Investitionen in Bildungswesen, Etablierung von Rechtsstaatlichkeit und Eigentumsrechten, Ausbau der Infrastruktur, Ausbau des Gesundheitswesens, stabile Versorgung mit Wasser und Elektrizität. Maßnahmen der Geburtenkontrolle qua Bildung muss man hinzufügen. Überhaupt sieht Seitz die afrikanischen Frauen als entscheidende Größe an. Er nennt sie die „Perlen Afrikas“, weil sie ihre Familien unter oft miserabelsten Bedingungen über die Runden bringen. Seitz rührt schließlich auch an ein Tabu: Er fordert die Beendigung der Parallelstrukturen von Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese beiden Ministerien arbeiten vor Ort nämlich zu oft aneinander vorbei. Frankreich und Großbritannien haben daraus Konsequenzen gezogen und beide Ministerien vereinigt.