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Beitrag vom 29.12.2020

NZZ

Ugandas «wissenschaftliche Wahlen» werden immer schmutziger

Der Musikstar Bobi Wine bleibt trotz zunehmender Repression eine Gefahr für den Langzeitpräsidenten Yoweri Museveni.

Markus Spörndli 29.12.2020,

Dass sich der ugandische Präsident Yoweri Museveni bei den Wahlen vom 14. Januar mit so ziemlich allen Mitteln an die Macht klammern würde, ist schon seit ungefähr zwei Jahren offensichtlich. Seit der Musikstar und Parlamentarier Bobi Wine seine Kandidatur ankündigte, wird der 38-Jährige in regelmässigen Abständen verhaftet und zuweilen zusammengeschlagen. Seine Konzerte wurden verboten und die Fans mit Tränengas auseinandergetrieben.

Doch Robert Kyagulanyi, wie Wine eigentlich heisst, gibt nicht auf, genauso wenig wie seine Anhänger. In den Tagen nach Weihnachten indes hat Musevenis Regierungs- und Polizeiapparat die Schraube der Repression noch einmal deutlich angezogen.

Leibwächter des Kandidaten totgefahren

Am vergangenen Samstag verkündete die Wahlkommission, dass in der Hauptstadt Kampala und neun weiteren bevölkerungsreichen Distrikten Wahlkampfveranstaltungen ab sofort verboten seien. Die offiziell unabhängige Kommission, die real aber vom Präsidialbüro kontrolliert wird, begründete ihre Entscheidung mit einem Anstieg der Covid-19-Fallzahlen. Die Opposition hingegen zweifelt nicht daran, dass der wahre Grund darin liegt, dass Bobi Wine in diesen urbanen Distrikten äusserst populär ist.

Tags darauf kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionsanhängern, die selbst für ugandische Verhältnisse ausserordentlich gewaltsam verliefen. Laut polizeilicher Erklärung waren «Journalisten bedauerlicherweise in den Prozess der Zerstreuung der gewalttätigen Gruppe hineingeraten». Auf jeden Fall waren am Ende zwei Medienvertreter schwer verletzt – und ein Lastwagen der Militärpolizei hatte Wines Bodyguard angefahren, als dieser einen der verletzten Journalisten in Sicherheit bringen wollte. Der Leibwächter erlag kurz darauf seinen Verletzungen.

Zudem war kurz vor Weihnachten der bekannte Menschenrechtsanwalt Nicholas Opiyo verhaftet worden. Für seinen juristischen Kampf für bürgerliche Freiheiten in Uganda wurde er unter anderem mit dem Deutschen Afrika-Preis ausgezeichnet. In nationalen wie internationalen Medien hatte sich Opiyo darüber beklagt, dass der zivilgesellschaftliche Raum mehr und mehr eingeschränkt werde – je länger Museveni an der Macht verharre, desto repressiver werde das politische System.

Präsident bis ans Lebensende?

Museveni, der 76-jährige Ex-Rebell, der 1986 als demokratischer Hoffnungsträger an die Macht gekommen war, könnte nun tatsächlich bis zu seinem Lebensende im Amt verharren. Denn letztes Jahr schaffte die Parlamentsmehrheit die Altershöchstgrenze für Präsidentschaftsbewerber ab. Umfragen zeigen allerdings, dass das für weite Teile der Bevölkerung eine sehr unpopuläre Entscheidung war, so dass nun neben dem Präsidenten auch die Parlamentsmitglieder der Regierungspartei um ihre Wiederwahl bangen.

Museveni und seine Partei haben viel Erfahrung darin, den Wahlprozess zu ihren Gunsten zu manipulieren. Der altgediente Oppositionsführer Kizza Besigye, der vier Mal erfolglos kandidierte, nun aber das Feld Wine überlässt, wurde in früheren Wahlgängen routinemässig daran gehindert, politische Veranstaltungen abzuhalten oder Werbespots in den staatlichen TV- und Radiosendern zu platzieren.

Dank der Pandemie konnte die Wahlkommission den gegenwärtigen Wahlkampf noch rigider einschränken: Die Kampagnen dürfen nun praktisch nur noch im virtuellen Raum stattfinden, über traditionelle Massenmedien und digitale Kanäle. Dafür prägte Museveni selbst den Euphemismus von «wissenschaftlichen Wahlen».

Die zunehmende Repression könnte darauf hindeuten, dass Museveni daran zweifelt, dass die bisherigen Massnahmen genügend dazu beigetragen haben, Bobi Wines Kampagne entscheidend zu schwächen. Die Wahlkommission kann nach der Wahl zwar auch die offiziellen Resultate manipulieren – aber wenn die Opposition ausserordentlich stark ist, könnte eine Wahlfälschung zu diplomatischen Protestnoten und unkontrollierbaren Massenaufständen führen.