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Beitrag vom 30.04.2020

FAZ

Ein Reformplan für Afrika

Die Pandemie könnte viele afrikanische Länder in noch größere wirtschaftliche Not stoßen. Doch auch ohne die Corona-Krise hat Deutschland Grund, seine Hilfen zu überdenken. Die „Partnerschaft auf Augenhöhe“ ist Fiktion. Von Rolf J. Langhammer

ie Co­vid-19-Pan­de­mie drängt In­dus­trie-und Schwel­len­län­der in ei­ne Na­bel­schau. Eu­ro­pa ist mit sich selbst und sei­nen Be­zie­hun­gen zu den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Chi­na be­schäf­tigt, die wie­der­um ih­re ge­gen­sei­ti­gen Schuld­zu­wei­sun­gen pfle­gen. Al­le drei se­hen in der Co­ro­na-Kri­se die Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­der als Pro­blem­her­de aus­schließ­lich in ih­rer un­mit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft: Die EU blickt auf Li­by­en, Sy­ri­en und die Tür­kei, die Ver­ei­nig­ten Staa­ten auf Me­xi­ko und die zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten so­wie de­ren Flücht­lin­ge, und Chi­na auf die zen­tral- und süd­ost­asia­ti­schen Län­der, die in ih­ren Lie­fer­ket­ten und in ih­rer Geo­po­li­tik ei­nen gro­ßen Raum ein­neh­men.

Da­bei hat Eu­ro­pa al­len Grund, sich nach dem En­de der Co­ro­na-Kri­se nicht nur um sich selbst zu küm­mern, son­dern sich auch um die wirt­schaft­li­che Zu­kunft des ge­sam­ten afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents zu sor­gen. Vor al­lem für die Staa­ten süd­lich der Sa­ha­ra, die nach Län­der- und Be­völ­ke­rungs­zahl den Kon­ti­nent do­mi­nie­ren, ha­ben sich die Leis­tungs­da­ten seit der Fi­nanz­kri­se 2009 im Ver­gleich zu den Jah­ren da­vor stark ver­schlech­tert. Wuchs das jähr­li­che Pro-Kopf-Ein­kom­men in der Pe­ri­ode zwi­schen 2004 und 2008 re­al noch um 4 Pro­zent, war im Durch­schnitt der Jah­re 2009 bis 2018 nur noch ein Wachs­tum von 1,7 Pro­zent zu ver­zeich­nen. Für 2019 er­war­te­te der In­ter­na­tio­na­le Wäh­rungs­fonds ver­gan­ge­nen Ok­to­ber ein Wachs­tum von un­ter ei­nem Pro­zent. Und in die­sem Jahr wird die afri­ka­ni­sche Be­völ­ke­rung im Ge­fol­ge der glo­ba­len Kri­se är­mer wer­den. Gleich­zei­tig stieg die ex­ter­ne Ver­schul­dung, ge­mes­sen am Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP), von 19 Pro­zent in der ge­nann­ten Pe­ri­ode auf 24 Pro­zent 2018. Der Leis­tungs­bi­lanz­sal­do rutsch­te von ei­nem Über­schuss von 2,1 Pro­zent in ein Mi­nus von 2,7 Pro­zent im Jahr 2019.

Afri­ka wird wie­der stär­ker vom Zu­gang zu zins­be­güns­tig­ten Kre­di­ten und Zu­schüs­sen ab­hän­gig wer­den als noch vor ei­nem Jahr­zehnt. Wei­ter­hin wird aber auf der re­gio­na­len wie bi­la­te­ra­len Ebe­ne das Bild der part­ner­schaft­li­chen Zu­sam­men­ar­beit auf Au­gen­hö­he be­schwo­ren. Die EU sieht in der Um­set­zung von vier re­gio­na­len Part­ner­schafts­ab­kom­men in Afri­ka ei­nen Wachs­tums­im­puls, um die wirt­schaft­li­che In­te­gra­ti­on der Län­der in­ner­halb der Re­gio­nen im Lich­te der po­si­ti­ven Er­fah­run­gen mit der ei­ge­nen In­te­gra­ti­on in der EU zu in­ten­si­vie­ren. An die­ser Sicht hält sie un­ge­ach­tet der Wi­der­stän­de und Vor­be­hal­te fest, die vie­le afri­ka­ni­sche Re­gie­run­gen ei­ner Öff­nung der Gren­zen un­ter­ein­an­der aus Furcht vor den Fol­gen des Wett­be­werbs ent­ge­gen­brin­gen. Sie kri­ti­sie­ren das Drän­gen der EU als pa­tri­mo­ni­al, nicht part­ner­schaft­lich.

Auch die Bun­des­re­gie­rung sieht seit 2017 in ei­ner neu­en Part­ner­schaft mit Afri­ka auf gleich­be­rech­tig­ter Ebe­ne die Grund­la­ge für ei­nen neu­en „Mar­shall­plan“. Sie for­dert im Ge­gen­zug die Ein­hal­tung rechts­staat­li­cher Re­geln, Teil­ha­be von Män­nern und Frau­en so­wie die Be­kämp­fung von Kor­rup­ti­on ein. Of­fen bleibt die Fra­ge, ob die afri­ka­ni­schen Füh­rer un­ter den Vor­aus­set­zun­gen, die ih­ren Auf­stieg und Ver­bleib an der Spit­ze ih­rer Län­der si­cher­stell­ten, die­sen For­de­run­gen Eu­ro­pas ge­recht wer­den kön­nen.

Kein Kon­ti­nent hat ei­ne jün­ge­re Be­völ­ke­rung: 2017 wa­ren 60 Pro­zent der Afri­ka­ner un­ter 25 Jah­ren. Und kei­ner hat ei­ne äl­te­re po­li­ti­sche Füh­rung: 2018 be­trug das Durch­schnitts­al­ter der zehn äl­tes­ten afri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten 80 Jah­re, das al­ler afri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Mit­te 60. Ei­ni­ge sind seit mehr als drei Jahr­zehn­ten an der Spit­ze, an­de­re wur­den in ho­hem Al­ter von ähn­lich al­ten Män­nern ab­ge­löst. Vie­le der lang­jäh­rig Re­gie­ren­den ha­ben eth­nisch ge­präg­te Netz­wer­ke oder Fa­mi­li­en­dy­nas­ti­en ge­bil­det, die ih­re Macht selbst in de­mo­kra­tisch aus­ge­rich­te­ten Wah­len ze­men­tie­ren hel­fen, teil­wei­se auch über die nor­ma­len ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Be­din­gun­gen hin­aus.

Das Geld für die Fi­nan­zie­rung der Netz­wer­ke ha­ben sie meist über die Kon­trol­le und Ab­schöp­fung von Er­lö­sen aus Roh­stoff­aus­fuh­ren er­hal­ten, teil­wei­se aber auch über die Kon­trol­le der Fi­nanz­strö­me der Ent­wick­lungs­hil­fe. Da die­se Hil­fen zu­neh­mend fun­gi­bel ge­wor­den ist, das heißt ei­ge­ne Mit­tel er­set­zen, spa­ren die Prä­si­den­ten Geld, das sie für den Macht­er­halt nut­zen. Un­ter den Be­din­gun­gen ei­ner ein­kom­mens­schwa­chen Ge­sell­schaft, für die das Ali­men­ta­ti­ons­prin­zip prä­gend ist, han­deln sie ra­tio­nal, da der Macht­ge­winn und Macht­er­halt von der Fi­nan­zie­rung der Netz­wer­ke ab­hängt. Dies gilt auch für die­je­ni­gen, die Un­ter­stüt­zung an­bie­ten und Mit­tel er­hal­ten, wie viel­fach das Mi­li­tär. Eben­so ra­tio­nal han­delt ein Un­ter­neh­mer, der sei­nen Ge­winn zu ver­de­cken ver­sucht und kei­ne of­fi­zi­ell Be­schäf­tig­ten aus­weist, da er sonst, bei schwa­cher Be­steue­rungs­ba­sis des Staa­tes, ei­ner ex­zes­si­ven Be­steue­rung un­ter­lä­ge, von den tra­di­tio­nel­len An­sprü­chen ei­ner gro­ßen Fa­mi­lie an das Ober­haupt ganz ab­ge­se­hen.

Un­ter die­sen Be­din­gun­gen han­deln al­le wich­ti­gen Ak­teu­re in­di­vi­du­ell ra­tio­nal, mit ver­hee­ren­den Kon­se­quen­zen für den wirt­schaft­li­chen Auf­stieg des Lan­des. Es ist da­her rich­tig, die Kau­sa­li­tät zwi­schen Ar­mut und Ne­po­tis­mus vom ers­te­ren zum letz­te­ren zu zie­hen. Ar­mut ist ein we­sent­li­cher Be­stim­mungs­fak­tor von Ne­po­tis­mus. Aber wenn sich der Ne­po­tis­mus ein­mal so eta­bliert hat wie in vie­len afri­ka­ni­schen Län­dern, zer­schnei­det er na­tio­na­le Gü­ter- und Fi­nanz­märk­te in wirt­schaft­lich sub­op­ti­ma­le Grö­ßen, be­hin­dert In­no­va­ti­on und ze­men­tiert au­to­ri­tä­res und häu­fig auch re­pres­si­ves Re­gie­rungs­ver­hal­ten.

Ge­ber wie Chi­na, aber auch Un­ter­neh­men, de­nen die­ses Ver­hal­ten gleich­gül­tig ist oder so­gar för­der­lich für ih­re In­ter­es­sen, bei­spiels­wei­se im Roh­stoff­sek­tor, be­feu­ern es von au­ßen. Zur prä­gen­den Ver­hal­tens­wei­se die­ser Füh­rer ge­hört die Be­vor­zu­gung der ur­ba­nen Kli­en­te­le und die Be­nach­tei­li­gung des länd­li­chen Rau­mes. Die Macht fes­tigt sich in den ur­ba­nen Zen­tren, die in Afri­ka schnel­ler wach­sen als in an­de­ren Kon­ti­nen­ten. Die Be­woh­ner der Ag­glo­me­ra­tio­nen wer­den durch al­le Po­li­ti­ken be­güns­tigt, von der Han­dels- über die In­dus­trie- bis zur So­zi­al- und In­fra­struk­tur­po­li­tik. Da­durch ver­liert der länd­li­che Raum qua­li­fi­zier­te Men­schen, wird un­pro­duk­tiv be­wirt­schaf­tet und öff­net re­gie­rungs­feind­li­chen, oft re­li­gi­ös-fun­da­men­ta­lis­ti­schen Kräf­ten Tür und Tor.

Ein der­ar­ti­ger Pro­blem­auf­riss ver­neint kei­nes­falls die wirt­schaft­li­chen Er­fol­ge ein­zel­ner afri­ka­ni­scher Län­der. Die­se zeich­nen sich durch Re­gie­rungs­han­deln aus, das wirt­schaft­li­chen Fort­schritt an­strebt, of­fen ge­gen­über In­ves­ti­tio­nen aus dem Aus­land ist und rea­lis­ti­sche Plä­ne zu­sam­men mit Trä­gern der in­ter­na­tio­na­len Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit er­ar­bei­tet. Seit Jahr­zehn­ten sind dies Bots­wa­na und Mau­ri­ti­us, seit jün­ge­rer Zeit Ru­an­da und Äthio­pi­en. Die bei­den gro­ßen Län­der Ni­ge­ria und Süd­afri­ka ge­hö­ren nicht zu die­sem Kreis. Nicht un­er­heb­lich ist al­ler­dings der Kreis der Län­der, die nach gu­ten Jah­ren, auch be­feu­ert und un­ter­stützt durch den Wunsch der Ge­ber nach Er­fol­gen, wie­der zu­rück­ge­fal­len sind, wie die El­fen­bein­küs­te oder Gha­na. Oft hat Hil­fe, wenn sie ge­mes­sen an der Wirt­schafts­leis­tung des Lan­des be­deu­tend war, Pro­duk­ti­ons­ent­schei­dun­gen be­ein­flusst und ver­zerrt. Da­mit wur­den Ak­ti­vi­tä­ten be­güns­tigt, die per­so­nel­le Res­sour­cen und Fi­nanz­mit­tel von den afri­ka­ni­schen Un­ter­neh­men ab­zo­gen, die ver­such­ten, ih­re Pro­duk­te auf dem Welt­markt wett­be­werbs­fä­hig an­zu­bie­ten.

Macht­struk­tu­ren in vie­len Län­dern Afri­kas zeich­nen sich durch kur­ze Zeit­ho­ri­zon­te der Re­gie­run­gen und da­mit ei­ne ho­he Zeit­prä­fe­renz der Füh­rer aus. Auch ein Füh­rer, der lan­ge an der Macht ist, wird dem Macht­er­halt ei­ne hö­he­re Prio­ri­tät ge­ben als dem Ma­nage­ment von Ver­än­de­run­gen in sei­nem Land, die ei­nen lan­gen Zeit­ho­ri­zont er­for­dern. Die Bei­spie­le der Prä­si­den­ten Biya (Ka­me­run), Mu­ga­be (Sim­bab­we), Zu­ma (Süd­afri­ka) oder Mu­se­ve­ni (Ugan­da) ste­hen für die­se Prio­ri­tät. Afri­kas drei drän­gends­te Pro­ble­me er­for­dern aber al­le schwer­wie­gen­de Ver­än­de­run­gen der in­sti­tu­tio­nel­len Rah­men­be­din­gun­gen mit lan­gen Zeit­ho­ri­zon­ten: ers­tens die Ver­bes­se­rung von Bil­dung und Ge­sund­heit ein­schließ­lich der ge­sell­schaft­li­chen Stel­lung von Frau­en, zwei­tens die pro­duk­ti­ve­re Nut­zung der Res­sour­ce Bo­den un­ter Be­rück­sich­ti­gung des de­mo­gra­phi­schen Drucks und der öko­lo­gi­schen Her­aus­for­de­run­gen, drit­tens die Stär­kung ei­nes in­no­va­ti­ven Un­ter­neh­mer­tums, das die Grund­la­ge für ei­ne wach­sen­de Mit­tel­schicht und ei­ne ab­neh­men­de Ab­hän­gig­keit von vo­la­ti­len kor­rup­ti­ons­an­fäl­li­gen Roh­stof­fer­lö­sen setzt.

Stra­te­gi­en für die drei Pro­blem­fel­der ha­ben meh­re­res ge­mein­sam: Sie grei­fen tief in das ge­gen­wär­ti­ge Re­gie­rungs­han­deln der afri­ka­ni­schen Füh­rer ein, ge­fähr­den tra­di­tio­nel­le Macht­ba­sen und wer­den da­her von vie­len Füh­rern viel­leicht nur mit Lip­pen­be­kennt­nis­sen auf­ge­nom­men. Sie er­for­dern zu­dem über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum ei­nen ho­hen fi­nan­zi­el­len, per­so­nel­len und tech­ni­schen Auf­wand. Von pri­va­ten In­ves­to­ren dürf­te die­ser Auf­wand we­gen sei­nes ho­hen Ri­si­ko­ge­halts nur dann auf­ge­bracht wer­den, wenn zu­vor mul­ti­la­te­ra­le und bi­la­te­ra­le Fi­nanz­in­sti­tu­tio­nen zu­sam­men in Vor­hal­te ge­tre­ten sind und bei­spiels­wei­se in­fra­struk­tu­rel­le Vor­aus­set­zun­gen ge­schaf­fen ha­ben. Zu­dem be­rei­ten sie wahr­schein­lich das Feld für ei­nen schar­fen Wett­be­werb zwi­schen au­to­ri­tä­ren er­zie­hungs­dik­ta­to­ri­schen Ent­wick­lungs­mo­del­len chi­ne­si­schen Ge­prä­ges und den in­di­vi­dua­lis­tisch an­rei­z­ori­en­tier­ten Ent­wick­lungs­mo­del­len der west­li­chen Län­der.

Al­le drei Pro­blem­fel­der hän­gen zu­sam­men. Ge­lingt es bei­spiels­wei­se, Bil­dung und Ge­sund­heit zu ver­bes­sern und den Frau­en Ent­schei­dungs-und Ge­stal­tungs­räu­me zu öff­nen, dürf­te die Ge­bur­ten­häu­fig­keit in Afri­ka noch schnel­ler ab­neh­men als bis­lang, zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen wie­der­um über ei­nen lan­gen Zeit­raum. Auch stärk­te bes­se­re Bil­dung in den Län­dern das Ver­ständ­nis für die Not­wen­dig­keit, neue Nut­zungs­rech­te für den Bo­den zu schaf­fen und zu si­chern. Dies wä­re ei­ne Grund­la­ge da­für, die Er­kennt­nis­se der Agrar­wis­sen­schaft für Pro­duk­ti­vi­täts­ver­bes­se­run­gen afri­ka­ni­scher Bö­den zu nut­zen und na­tür­li­chen Her­aus­for­de­run­gen wie Ver­step­pung und Schäd­lings­be­fall bes­ser zu be­geg­nen. Es ent­stün­de ei­ne Quel­le für Ein­kom­men und Un­ter­neh­mer­tum im länd­li­chen Raum, die mit Hil­fe durch­grei­fen­der Re­for­men ge­gen die Be­nach­tei­li­gung des länd­li­chen Raums in al­len Po­li­tik­fel­dern ver­ste­tigt wer­den könn­te. Der länd­li­che Raum könn­te zur Grund­la­ge in­ne­ra­fri­ka­ni­scher Lie­fer­ket­ten wer­den und da­bei die In­for­ma­ti­ons- und Ag­glo­me­ra­ti­ons­vor­tei­le der ur­ba­nen Zen­tren nut­zen.

Die drei Pro­blem­fel­der sind aber auch trans­na­tio­nal ver­wo­ben. Um er­folg­reich zu sein, be­darf es ei­nes Min­dest­ma­ßes an Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft über die Län­der­gren­zen hin­weg. An­ge­sichts des ho­hen in­for­mel­len In­te­gra­ti­ons­ni­veaus vie­ler Län­der – über tra­di­tio­nel­le Mi­gra­ti­ons­strö­me, ge­mein­sa­me Wäh­run­gen, Nach­bar­schafts­han­del, eth­ni­sche Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit – und der Ge­mein­sam­keit der kli­ma­ti­schen Ge­ge­ben­hei­ten über Län­der­gren­zen hin­weg bei­spiels­wei­se im Sa­hel­raum wä­re ein vor­über­ge­hen­der Er­folg in ei­nem re­form­be­wuss­ten Land nur bei star­ker Ab­schot­tung vor re­form­ver­wei­gern­den Nach­bar­staa­ten zu ver­tei­di­gen, und selbst dann wahr­schein­lich nicht auf Dau­er. Um die Füh­rer für ei­ne Un­ter­stüt­zung zu ge­win­nen, wä­ren zeit­lich be­grenz­te Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­te, die al­le drei Pro­blem­fel­der an­spre­chen, wahr­schein­lich er­folg­ver­spre­chen­der als das Be­har­ren auf dem for­ma­len Kri­te­ri­um der re­gio­na­len In­te­gra­ti­on, al­so der Ab­schaf­fung von staat­li­chen Hemm­nis­sen für den Gü­ter-, Dienst­leis­tungs-, Ka­pi­tal- und Ar­bei­ter­ver­kehr. Die­ses Kri­te­ri­um dürf­te die Ängs­te vie­ler afri­ka­ni­scher Füh­rer vor dem Ver­lust ih­res Tei­le-und-herr­sche-Pri­vi­legs be­flü­geln. Aber auch von au­ßen an die Län­der her­an­ge­tra­ge­ne Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­te von der­ar­ti­ger Trag­wei­te könn­ten als Ein­griff in die na­tio­na­le Sou­ve­rä­ni­tät ver­stan­den und ab­ge­lehnt wer­den – es sei denn, ein exo­ge­ner Schock wür­de die Län­der tref­fen und die Re­gie­run­gen zwin­gen, Un­ter­stüt­zung von au­ßen an­zu­neh­men und da­für Hand­lungs­ge­walt ab­zu­ge­ben.

Ein der­ar­ti­ger Schock, die Ebola­fie­ber-Epi­de­mie, be­fiel zwi­schen 2014 und 2016 meh­re­re west­afri­ka­ni­sche Län­der. Sie wur­de von der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on WHO als völ­ker­recht­lich bin­den­der in­ter­na­tio­na­ler Ge­sund­heits­not­fall ein­ge­stuft und ver­pflich­te­te die Län­der zu ein­schnei­den­den na­tio­na­len Schutz­maß­nah­men so­wie die in­ter­na­tio­na­le Ge­mein­schaft zu um­fang­rei­cher Hil­fe. Die­se Hil­fen er­laub­ten es in­ter­na­tio­na­len Or­ga­ni­sa­tio­nen, per Ord­nungs­recht zu­sam­men mit den Re­gie­run­gen die Mo­bi­li­tät von Gü­tern und Per­so­nen vor­über­ge­hend ein­zu­schrän­ken und die Epi­de­mie er­folg­reich zu be­kämp­fen.

Der Er­folg der Epi­de­mie­be­kämp­fung war gleich­be­deu­tend mit dem En­de des au­ßer­ge­wöhn­lich ho­hen Ein­flus­ses der in­ter­na­tio­na­len Ge­mein­schaft in den be­trof­fe­nen Län­dern. Der Ber­tels­mann-Trans­for­ma­ti­on-In­dex von 2018 be­klagt für die Re­gi­on West- und Zen­tral­afri­ka wei­ter­hin hoch­de­fi­zi­tä­res Re­gie­rungs­han­deln, aus­ufern­de Kor­rup­ti­on und die Si­che­rung der Macht­ba­sis durch eth­ni­sche Un­gleich­be­hand­lung. Hier hat die in­ter­na­tio­na­le Ge­mein­schaft ei­ne Chan­ce ver­passt. Im Ge­fol­ge der Kri­se hät­te sie lang­fris­ti­ge Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­te, die al­le drei Pro­blem­fel­der an­spre­chen, auf den Weg brin­gen und die Re­gie­run­gen da­von über­zeu­gen kön­nen, zeit­lich be­grenz­te Re­form­ex­pe­ri­men­te in de­fi­nier­ten Son­der­zo­nen zu un­ter­stüt­zen.

Da­zu soll­te es nicht exo­ge­ner Schocks be­dür­fen, aber auch die Co­vid-19-Pan­de­mie könn­te vie­le afri­ka­ni­sche Län­der an­ge­sichts sin­ken­der Roh­stoff­prei­se, nach­las­sen­der Nach­fra­ge aus Chi­na und Flau­ten im Tou­ris­mus­ge­schäft in noch grö­ße­re wirt­schaft­li­che Not sto­ßen als jetzt schon. Da­mit wür­de die Fi­nan­zie­rung von Macht­er­halt in Afri­ka er­schwert und viel­leicht die Re­form­be­reit­schaft er­höht, auch vor dem Hin­ter­grund, dass das von afri­ka­ni­schen Re­gie­run­gen stets kri­ti­sier­te machta­sym­me­tri­sche Ge­ber-Neh­mer-Ver­hält­nis we­gen der Kri­se in den Ge­ber­län­dern Ris­se be­kom­men hat. Vor­stell­bar wä­re, dass sich un­ter der Füh­rung afri­ka­ni­scher In­sti­tu­tio­nen wie der Afri­ka­ni­schen Ent­wick­lungs­bank, der Or­ga­ni­sa­ti­on für Afri­ka­ni­sche Ein­heit oder der UN-Kom­mis­si­on für Afri­ka in Zu­sam­men­ar­beit mit in­ter­na­tio­na­len Agrar­for­schungs­in­sti­tu­tio­nen afri­ka­ni­sche Län­der um in­ter­na­tio­nal fi­nan­zier­te Re­form­pro­jek­te in zu grün­den­den Son­der­zo­nen be­wer­ben, idea­ler­wei­se grenz­über­schrei­tend. In die­sen Zo­nen wür­den be­ste­hen­de Ge­sund­heits- und Bil­dungs­ein­rich­tun­gen ma­te­ri­ell und per­so­nell ge­stärkt, neue Be­wirt­schaf­tungs­rech­te für Bo­den gel­ten, in­no­va­ti­ve An­bau­me­tho­den ein­ge­setzt und Start-up-Un­ter­neh­men, vor­zugs­wei­se von Frau­en, ge­för­dert, mit dem Ziel, in­ne­ra­fri­ka­ni­sche Lie­fer­ket­ten zu eta­blie­ren.

Al­le drei Pro­blem­fel­der wür­den da­mit be­rührt. Die­ser An­satz gin­ge weit über die exis­tie­ren­den Frei­zo­nen in afri­ka­ni­schen Küs­ten­städ­ten hin­aus, die zu­meist le­dig­lich Zoll­vor­tei­le für ex­port­ori­en­tier­te Wert­schöp­fung bie­ten. Es wä­ren Zo­nen in­sti­tu­tio­nel­ler Re­for­men mit Lauf­zei­ten von zu­nächst bis zu zehn Jah­ren, ei­nem strin­gen­ten Mo­ni­to­ring und re­ver­si­blen Maß­nah­men. Afri­ka­ni­sche Re­gie­run­gen könn­ten von ei­ner ver­bes­ser­ten Be­steue­rungs­ba­sis, ei­ner wach­sen­den At­trak­ti­vi­tät für aus­län­di­sche In­ves­to­ren und po­si­ti­ven Streu­ef­fek­ten für die ge­sam­te Wirt­schaft pro­fi­tie­ren. Chi­ne­si­sches Wis­sen und Ka­pi­tal soll­te ex­pli­zit ein­ge­la­den wer­den, da Chi­na mit Ex­pe­ri­men­tier­zo­nen viel Er­fah­rung ein­brin­gen kann.

Wich­tig wä­re die Füh­rung der Zo­nen durch mul­ti­na­tio­na­le afri­ka­ni­sche In­sti­tu­tio­nen, da­mit we­der die na­tio­na­len Re­gie­run­gen noch bi­la­te­ra­le Ge­ber ih­re par­ti­ku­la­ren In­ter­es­sen durch­set­zen kön­nen. Für die­se In­sti­tu­tio­nen, die seit Jah­ren für ei­nen pa­n­a­fri­ka­ni­schen Wirt­schafts­raum wer­ben und ihn for­mell auch schon ver­ab­schie­det ha­ben, könn­ten die Zo­nen ein Nu­kle­us sein, oh­ne das en­ge Ziel der in­ne­ra­fri­ka­ni­schen Han­dels­ex­pan­si­on, son­dern mit dem wei­ten Ziel, al­le vor­han­de­nen Ta­len­te und Res­sour­cen in den Zo­nen in­no­va­tiv zu nut­zen und zu ver­bes­sern. Der Na­me Mar­shall-Plan aus der deut­schen Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit sug­ge­riert den Eng­pass Fi­nanz­mit­tel. Es ist aber der Eng­pass Re­form­be­reit­schaft, um den es geht, und da wä­re der Na­me Lud­wig Er­hard als Plan­pa­te an­ge­brach­ter.