Beitrag vom 25.04.2020
FAZ
ALKOHOLVERBOT IN SÜDAFRIKA:
Weniger Unfälle, weniger Gewalt
VON THILO THIELKE, KAPSTADT
Polizisten in Südafrika äußern sich begeistert über die Folgen der Prohibition während der Corona-Krise. Verständnislos verfolgen dagegen die südafrikanischen Winzer den harten Kurs der Politik.
Der südafrikanische Polizeiminister Bheki Cele ist begeistert. Wenn es nach ihm ginge, könnte die Prohibition ewig andauern. „Das Alkoholverbot wäre die erste Corona-Maßnahme, die ich auch nach dem Ende der Ausgangssperre aufrechterhalten würde“, sagte er der Zeitung „City Press“. Schließlich wachse besonders die Gewaltkriminalität unter Alkoholeinfluss. Am schlimmsten sei es zwischen Donnerstag und Sonntagabend, wenn sich seine Landsleute dem Trunk hinzugeben pflegten.
Cele hat einen schweren Job. Das Land am Kap hat eine der höchsten Mordraten der Welt. Zwischen April 2018 und März 2019 wurden in Südafrika mehr als 21.000 Menschen ermordet, fast 60 jeden Tag. Es gibt Wochenenden, an denen alleine in Kapstadt Dutzende von Menschen ermordet werden. Gleichzeitig gehört Südafrika laut Weltgesundheitsorganisation zu den zehn Nationen mit dem höchsten Bier-, Schnaps- oder Weinkonsum. Jedes Jahr trinken die Menschen in der „Regenbogennation“ statistisch 30 Liter puren Alkohol.
Viele betrachten die Maßnahmen von Präsident Cyril Ramaphosa, der die Einschränkungen Ende März verkündete, mit Argwohn. In den ersten zwei Wochen des Lockdowns wurden allein in der bei Touristen beliebten Provinz Western Cape 16 Alkoholgeschäfte geplündert. Auf Videoaufnahmen kann man sehen, wie junge Männer kistenweise Bier aus den Liquor Stores schaffen. Eigentlich dürfen sie das Haus nur verlassen, um das Nötigste zu besorgen, zur Bank oder zum Arzt zu gehen.
Der Schwarzmarktpreis klettert
In Townships wie Imizamo Yethu in Kapstadts Vorort Hout Bay kletterte der Schwarzmarktpreis für Markenware etwa von der heimischen Castle-Brauerei um das Dreifache auf umgerechnet rund drei Euro für eine kleine Flasche. Für viele ist das unerschwinglich. Hochkonjunktur haben deshalb traditionelle Braumeister, die in den Townships weitgehend unbehelligt das Zulu-Bier Umqombothi herstellen, einen berauschenden Sud aus Mais und Malz. Genussmenschen tauschen Rezepte aus, wie sie den Stoff in Heimarbeit herstellen können. So registriert Google im südlichen Afrika gerade eine steigende Nachfrage nach Rezepten und Quellen von Sorghum- oder Ananasbier.
Verständnislos verfolgen die südafrikanischen Winzer den harten Kurs der Politik, die in Zeiten von Corona auch gleich noch den Verkauf von Zigaretten unter Strafe gestellt haben. Rund 40000 Farmarbeiter sind in der durch wachsenden Discounter-Druck ohnehin arg gebeutelten Industrie beschäftigt. Mit ihren Löhnen ernähren sie rund 160.000 Menschen. Anfangs durften die Weingüter ihre Fässer wenigstens noch zu den Häfen des Landes bringen, um Exporterlöse zu generieren. Dann verbot die Regierung auch das. Wegelagerer könnten den Fahrern auf den Landstraßen auflauern und sich über die teure Fracht hermachen, hieß es aus Pretoria.
Das Gauteng-Liquor-Forum bat, auch an die Wirtschaft des Landes zu denken. Die Erklärung des Präsidenten könnte aber eher auf eine Verlängerung des Alkoholverbots hindeuten. Ohne Alkoholeinfluss komme es „zu weniger Verkehrsunfällen und dadurch zu weniger medizinischen Notfällen“. Man müsse „alle öffentlichen und privaten Ressourcen mobilisieren, um große Mengen an Covid-19-Patienten behandeln“ zu können. Allerdings liegt deren Zahl noch recht niedrig. Nach Schätzungen gibt es 3000 bis 5000 Intensivbetten im Land. Bis jetzt wurden gerade einmal etwas mehr als 3500 Südafrikaner positiv auf Sars-Cov-2 getestet, 58 starben.
Die Branche befürchtet nun eine Ausweitung des Alkoholverbots bis in eine Zeit, in der es tatsächlich eine kritische Zahl an Corona-Fällen gibt. Das kann noch Wochen, wenn nicht Monate dauern. Lange hielten seine Leute den Druck nicht mehr durch, sagt Rico Basson, der Chef von Vinpro, dem Dachverband der südafrikanischen Weinindustrie, der rund 2500 Winzer, Kellermeister und Investoren vertritt. Derzeit verliert die Branche jede Woche allein umgerechnet zehn Millionen Euro an Exporteinnahmen. „Sechs Wochen können wir solche Zeiten ohne Einnahmen maximal durchhalten“, sagt Basson, „dann ist Schluss.“ Am 27. März begann die Prohibition. Am Donnerstagabend verkündete Präsident Ramaphosa erste Lockerungen des Lockdowns vom 1.Mai an. Zigaretten zum Beispiel dürfen dann wieder verkauft werden. Alkohol erwähnte er nicht.