Beitrag vom 07.12.2019
FAZ
Südafrika
Banden bedrohen Bergbaukonzerne
Rio Tinto muss Förderung in aussichtsreichem Projekt einstellen
che./clb. PERTH/KAPSTADT. Wieder einmal zeigen sich die wachsenden Herausforderungen der Bodenschatzkonzerne rund um die Erde: Nach dem verheerenden Dammbruch in Brasilien werfen nun Auseinandersetzungen in Südafrika ein Schlaglicht auf die Risiken. Der australische Rohstoffkonzern Rio Tinto sieht sich gezwungen, seine Förderung in Richard Bay Minerals (RBM) in Südafrika aufgrund der wachsendenr Gewalt der Bevölkerung einzustellen. Die Schmelzöfen würden nur noch eingeschränkt arbeiten.
Rio Tinto baut am Standort RBM Mineralien wie Zirkon oder Titaneisen ab. Mit seinen vier Minen ist RBM das größte Förderprojekt für Mineralsande in Südafrika. Nun aber sei auch der Ausbau des Zulti-South-Projektes dort auf Eis gelegt, nachdem auf Mitarbeiter geschossen worden sei. Erst zu Jahresbeginn hatte der australische Bodenschatzkonzern weitere 343 Millionen Dollar in den Ausbau der dortigen Minen in Südafrika gepumpt. In einem schmelzenden Markt in Sydney gab der Aktienkurs von Rio Tinto am Mittwoch um 2,7 Prozent nach.
Kriminelle Machenschaften und Sicherheitsrisiken sind eines der größten Hindernisse, die Investoren in Südafrikas Bergbau seit Jahren beklagen. Besonders betroffen ist die Goldindustrie, die Schätzungen zufolge mehr als ein Zehntel der Produktion jedes Jahr an sogenannte „Zama Zamas“ – illegale Goldgräber – verliert. Dabei handelt es sich um professionell organisierte, meist schwerbewaffnete Syndikate.
So hatte auch Rio Tinto schon 2016 Probleme am selben Standort: Damals mussten die Minen aus Angst vor Jugend-Gangs über mehrere Tage schließen. Sie forderten Arbeitsplätze und Ausbildungsentschädigungen. Die Jugendlichen zündeten 20 Schulen an, bedrohten Arbeiter und zerstörten Maschinen. Dabei hatte Rio-Tinto-Vorstandschef Jean-Sébastien Jacques das Zulti-Projekt kurz zuvor noch als das beste für Mineralsande auf der Welt bezeichnet.
Viele Bergwerke in Südafrika würden derzeit von kriminellen Banden belagert, sagt Peter Major, Bergbau-Fachmann von der Investitionsgesellschaft Mergence, der F.A.Z. Oft stammten die Mitglieder aus den umliegenden Gemeinden. Die Minenkonzerne reagierten auf vielfältige Weise. „Einige errichten Wassergräben und sechs Meter hohe Mauern wie die einst legendäre Goldmine Blyvoor nahe der Stadt Carletonville“, berichtet Major. Die Sicherheitskosten betrügen jetzt 3 bis 5 Prozent der Gesamtkosten und stiegen monatlich weiter. „Es ist ein ständiger Krieg, nicht nur ein ständiger Kampf.“
Wie in anderen Ländern versuchen Südafrikas Regierung und die Konzerne mit so genannten „Artisanal-Mining-Projekten“ entgegenzuwirken. Dabei überlassen Minenkonzerne der ansässigen Bevölkerung Teile ihres Geländes für die eigene Förderung. Bisher aber zeigen die Projekte nur ansatzweise Erfolg. Steigende Rohstoffpreise heizen die illegalen Aktivitäten zusätzlich an, zumal Südafrikas Wirtschaft stagniert und mehr als die Hälfte der jüngeren Bevölkerung keine Arbeit hat.
In einem 2018 begonnenen Pilotprojekt in der Diamantenindustrie beispielsweise hatten die damaligen Minenbetreiber Petra Diamonds und Ekapa Mining mehr als 800 informellen Bergarbeitern in Kimberley Förderlizenzen erteilt und die Kooperative unterstützt. Das Vorhaben sollte auch außerhalb der Diamantenbranche Schule machen. Jüngsten Medienberichten zufolge ist jetzt die Gewalt auf dem Gelände eskaliert. Arbeiter, die nicht zu der Kooperative gehörten, bombardierten demnach Lastwagen mit Benzinbomben, blockierten Straßen und griffen Sicherheitskräfte an.
Schätzungen über die Zahl illegaler Bergarbeiter in Südafrika reichen von mehreren zehntausend bis zu 100000. Wie von Unternehmen zu hören ist, kann die Polizei selten etwas gegen die Banden ausrichten. Auch gibt es den Verdacht, dass die Kriminellen mit Polizisten und regulären Minenarbeitern kooperieren. „Hier gibt es so viele“, sagte ein Polizei-Hauptmann in Kimberley der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir wissen gar nicht, wo sie alle herkommen. Das ist unsere Herausforderung.“