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Beitrag vom 24.10.2019

FAZ

Russlands Rückkehr nach Afrika?

Putin empfängt Staatsführer zum Gipfel in Sotschi

MOSKAU/KAPSTADT, 23. Oktober. Ein Hauch von Kalter-Krieg-Flair herrscht derzeit in Sotschi an Russlands Schwarzmeerküste: Wladimir Putin hat die Spitzen der 54 afrikanischen Länder zum ersten „Russland-Afrika-Forum“ am Mittwoch und diesem Donnerstag eingeladen. Offiziell sind alle dem Ruf des russischen Präsidenten gefolgt: 43 Länder seien durch den Staats- oder Regierungschef, die übrigen elf anderwärtig vertreten. Mehr als 10000 Teilnehmer soll das Forum haben. Leitgedanke ist eine „Rückkehr Russlands nach Afrika“. Fachleute kritisieren, Russland habe keine Afrika-Politik, geschweige denn eine Strategie. Das ficht Putin nicht an. „Unser Land spielte eine bedeutende Rolle bei der Befreiung des Kontinents, half im Kampf der Völker Afrikas gegen Kolonialismus, Rassismus und Apartheid“, sagte er in einem Interview zur Einstimmung auf sein Forum.

Putin meinte die Sowjetunion, die im Kalten Krieg in Afrika militärisch und finanziell Stellung bezog: Von Angola bis Moçambique, das die „Kalaschnikow“ in der Landesflagge führt, reichte Moskaus Arm damals, von Guinea bis nach Somalia. Mehr als 80000 afrikanische Studenten wurden an sowjetischen Hochschulen ausgebildet, wie der heutige Präsident Angolas, João Lourenço, der in den siebziger Jahren ein Studium an einer Militärakademie in Moskau absolvierte. Nach dem Ende des Kalten Kriegs fehlten Russland Geld für und Interesse an weiteren Afrika-Engagements. Seit einigen Jahren erwacht Moskaus Interesse am Kontinent neu. Das Gesamthandelsvolumen Russlands mit den Staaten des Kontinents wächst und betrug 2018 knapp 18 Milliarden Euro. Das entspricht etwa dem Niveau des Afrika-Handels der Türkei; der Frankreichs betrug zuletzt gut 51 Milliarden Euro, der Chinas, des wichtigsten Akteurs auf dem Kontinent, 183 Milliarden Euro. Passend zu seinem geopolitischen Kurs, grenzte sich Putin vor dem Forum nicht von China ab, sondern von „einer Reihe westlicher Länder“. Diese, sagte Putin, „greifen gegenüber Regierungen souveräner afrikanischer Länder zu Druck, Einschüchterung und Erpressung“, um Afrika auszubeuten, ohne Rücksicht auf seine Bewohner, „ökologische und andere Risiken“.

Bisher beschränkt sich ein Großteil von Russlands Afrika-Geschäft auf Ägypten und Algerien. Man exportiert Getreide, russische Unternehmen fördern Diamanten (Angola, Zimbabwe, Botswana) und Gold (Burkina Faso, Guinea). Putin warb in Sotschi nun für „schlüsselfertige“ Atomkraftwerke des Nuklearstaatskonzerns Rosatom, der 15 Projekte in Afrika verfolgt, deren Finanzierung aber schwächelt. Erfolge erzielt Russland mit Waffenverkäufen: Laut dem Stockholm International Peace Research Institute exportiert kein Land der Erde mehr Kriegsgerät nach Afrika; 35 Prozent aller afrikanischen Waffenimporte stammen demnach aus zehn russischen Waffenschmieden. Ein Muster ist Algerien, dem Moskau schon 2006 alte Schulden gegen neue Waffengeschäfte erließ.

Noch am Mittwoch wurde in Südafrika der Besuch zweier nuklearwaffenfähiger Tu-160-Langstreckenbomber erwartet, „um die bilaterale Militärkooperation“ zu vertiefen, wie das russische Verteidigungsministerium erklärte. Putin hob hervor, es gebe militärisch-technische Zusammenarbeit mit mehr als 30 afrikanischen Staaten. In der von Bürgerkriegen heimgesuchten Zentralafrikanischen Republik sollen mittlerweile 200 „russische Militärberater“ stationiert sein. Der Präsident des Landes, Faustin Touadéra, dankte Putin in Sotschi für Waffen und Ausbilder. Das Land ist indes ein notorisches Beispiel für die Grauzonen russischer Politik, in die sich private Wirtschaftsinteressen mischen. Führend hierbei ist der als „Putins Koch“ bekannte Geschäftsmann Jewgenij Prigoschin, der mit Restaurants und Verköstigungsverträgen etwa für das russische Verteidigungsministerium zu Geld kam. Ihm wird die Söldnergruppe „Wagner“ zugerechnet. Ihre Kämpfer sollen unter anderem in der Zentralafrikanischen Republik aktiv sein, dort den Präsidenten schützen und Diamantenminen kontrollieren. Touadéra und Putin sprachen nun angeblich auch über die Ermittlungen zu dem Mord an drei russischen Journalisten, die im Juli 2018 in der Zentralafrikanischen Republik zu Aktivitäten von „Wagner“ recherchierten und erschossen wurden. Auch in Moçambique sollen vor kurzem russische Söldner in der von Islamisten terrorisierten Region Cabo Delgado gesichtet worden sein. Vor der Küste des südostafrikanischen Staats liegen gewaltige Gasfelder, an deren Ausbeutung sich auch der russische Mineralölkonzern Rosneft Anteile gesichert hat. Bestätigt sind die Meldungen nicht.