Beitrag vom 19.10.2019
FAZ
Lukrative Afrika-Geschäfte unter deutscher Aufsicht
China
Unternehmen aus China bauen ihre Präsenz in Afrika aus. Deren Arbeit ist nicht immer hochwertig. Eine große Chance für deutsche Anbieter. Von David Kampmann
Eisenbahnprojekte in Äthiopien, Ölraffinerien in Nigeria, Wasserkraftwerke in Angola, Zementfabriken in Sambia – der chinesische Investitionseifer in Afrika scheint derzeit keine Grenzen zu kennen. Auf dem rohstoffreichen Kontinent ist es schwerlich möglich, ein Land zu finden, in dem China wirtschaftlich nicht aktiv ist, egal ob es um den Abbau von Rohstoffen oder den Bau und die Finanzierung von Großprojekten geht. Auch auf anderer Ebene zeigt das Reich der Mitte Präsenz. In dem kleinen Land Djibouti am Horn von Afrika unterhält es neben anderen Ländern eine Marinebasis. Darüber hinaus zeigt China mit eigenen Medien Präsenz. Über Fernsehsender wie China Global Television Network Africa, das seinen Sitz in Nairobi hat, oder Printmedien wie „China Daily Africa“ wird eifrig berichtet – freilich im Sinne der Volksrepublik, die stets in positivem Licht erscheint. Sind chinesische Staatsinteressen im Spiel, wird die Berichterstattung in ihrem Sinne zensiert.
Deutschlands wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Kontinent sind dagegen eher begrenzt. Obwohl vorhanden wirken sie, verglichen mit denen Chinas, überschaubar. Die Gründe sind vielfältig. Wer auf dem Kontinent wirtschaftlich aktiv werden will, begegnet besonderen Herausforderungen. Das weiß auch Oliver Reblin, zuständiger Bereichsleiter von Gauff Ingenieure für West- und Zentralafrika. Sicherheit und Risiken spielten für Investitionen natürlich immer eine große Rolle, aber auch eine oft eigene Form von Bürokratie. „Man begegnet oft einer lokalen Willkür und steuerlichen Forderungen, die plötzlich auftauchen, aber jeder rechtlichen Grundlage entbehren“, sagt er. Den Vorteil Chinas sieht er an deren teilweise weniger bürokratischen Herangehensweise, die auch der staatlichen Kontrolle geschuldet ist. „Kommt die Kreditanstalt für Wiederaufbau und verlangt Finanzierung für ein Projekt, vergehen bis zum Beginn drei bis vier Jahre. Unsere Voraussetzungen und Standards sind hoch. Aber wenn China mal einfach nicht 10, sondern 100 Millionen investiert, dann geht das Ganze viel schneller.“
Jörg Wellmeyer, Vorstandsmitglied des Bauunternehmens Ed Züblin, sieht die Gründe in den sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen. Als Vertreter eines deutschen Unternehmens, das schon seit mehr als vierzig Jahren auf dem Kontinent aktiv ist, kennt er das Potential, das dieser bietet. Deutsche dächten aber oftmals zu kurzfristig, lautet seine Kritik, ihr Engagement beschränke sich oftmals auf einzelne Projekte. Danach ist Schluss.
Tatsächlich denkt China mit seinen Afrika-Bemühungen wesentlich langfristiger als die gesamte westliche Welt. Zudem sind seine Projekte häufig günstiger und der Bauherr ist großzügig bei der Vergabe von Krediten. Für die Rückzahlung ist auch gleich gesorgt, denn diese erfolgt nicht selten in Rohstoffen oder der Zuteilung von Schürfrechten. China stellt sich als Land dar, das sich nicht in die inneren Verhältnisse seiner Partner einmische. Ein Vorteil, den westliche Länder nicht haben und oft auch nicht anstreben. Hinzu kommt ein weiteres Element: Westliche Länder haben nicht selten aufgrund ihrer Geschichte noch den Ruf, eine Form des Neokolonialismus betreiben zu wollen. China, das nie als Kolonialmacht, sondern eher als Opfer des westlichen Kolonialismus wahrgenommen wurde, musste sich darum nie Sorgen machen.
Bisher jedenfalls. Denn auch das Reich der Mitte wird zunehmend wie ein Neokolonialist wahrgenommen. Lamido Sanusi, damals noch Gouverneur der nigerianischen Zentralbank, erhob schon 2013 in der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“ schwere Vorwürfe gegen die neue aufstrebende Wirtschaftsmacht. China kaufe zwar Nigerias Rohstoffe und baue die Infrastruktur auf, tue Letzteres aber mit aus dem eigenen Land importierten Materialien und Arbeitskräften. Es nehme die Rohstoffe und verkaufe weiterverarbeitete Produkte. „Dies war auch die Essenz des Kolonialismus.“ Ein 2018 in der „New York Times“ erschienener Artikel zeigt, dass die Bevölkerung in Kenia Chinesen kritisch sieht. Zahlreiche Kenianer, die bei Chinesen angestellt waren, klagten darin über die mitunter recht offene Diskriminierung und den Rassismus durch chinesische Kollegen und Vorgesetzte. In Sambia, wo mehrere zehntausend Chinesen leben, werden diese zunehmend als Fremdkörper wahrgenommen. Teilweise sind die Ressentiments dort in Gewalt umgeschlagen.
Zu einem weiteren Problem dürfte für China und seine afrikanischen Partner aber auch etwas anderes werden. Denn die Qualität so manches chinesischen Projektes in Afrika lässt zu wünschen übrig, Projekte und Produkte halten nicht immer, was sie versprechen. Dazu zählt Morupule B, ein Kraftwerk im Osten Botswanas. Ein vom staatlichen Versorger China National Electric Engineering Company umgesetztes Projekt erwies sich als defizitär. Die staatliche Firma Botswana Power Cooperation beauftragte daraufhin den in Essen ansässigen deutschen Stromerzeuger Steag mit der Betriebsführung und Wartung der Anlage sowie einem Trainingsprogramm für seine Mitarbeiter. Grund für die Defizite lagen in der neuen moderneren Anlage. Die chinesischen Installateure waren auf den Umgang mit dieser nur mangelhaft vorbereitet, wie Quellen im Umfeld von Steag der F.A.Z. bestätigten. Steag selbst wollte sich zu dem Projekt nicht äußern.
Qualitätsmängel treten ebenfalls im Bereich von Bauteilen auf. Dies gibt ein Mitarbeiter der Behörde für Wasserangelegenheiten in Luanda, der Hauptstadt Angolas, der F.A.Z. an, der namentlich nicht genannt werden möchte. Ihm zufolge entsprach das Material, das Chinesen geliefert und eingebaut hatten, zwar den Planunterlagen. Speziell Pumpen chinesischer Bauart hatten jedoch nicht die Lebensdauer und die Qualität vergleichbarer Modelle aus Europa. Das Ergebnis: Leistungseinbrüche und Komplettausfälle. Mehrere Pumpen mussten somit schon nach wenigen Jahren sukzessive wieder ausgetauscht und durch europäische Modelle, darunter solche aus Deutschland, ersetzt werden.
Oft sind es aber nicht nur Unzulänglichkeiten, von denen deutsche Unternehmen in Afrika profitieren. In einer Reihe von Fällen vergeben afrikanische Auftraggeber Bauprojekte zwar an chinesische Anbieter. Grundsätzlich trägt aber ein anderer die Bauaufsicht. Deutsche Firmen sind hierbei durchaus gefragt. Zu ihnen zählt Gauff Engineering (nicht zu verwechseln mit Gauff Ingenieure), für die der Fokus ihrer Arbeit in Afrika liegt. Stefan Tavares Bollow, Geschäftsführer mit Sitz in Luanda, sieht die Präsenz Chinas in Afrika als Chance und verweist auf existierende Synergien. „Es gibt riesige Geldmengen aus China und das Bewusstsein, dass wenn chinesische Effizienz auf deutsche Ingenieurskunst trifft, das Produkt entsteht, das der afrikanische Kunde auch bezahlt.“
Das trifft zum Beispiel auf zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen zu. Ein Prestigeprojekt ist die im Juni 2018 eingeweihte Brücke Maputo-Katembe in Moçambique, die über die Bucht von Maputo die Hauptstadt mit dem südlich gelegenen Bezirk Katembe verbindet. Mit einer Länge von mehr als 3000 Metern löste sie mit ihrer Einweihung die Matadi-Brücke in der Demokratischen Republik Kongo als längste Brücke des Kontinents ab. Bauherr war die staatliche China Road and Bridge Cooperation, die Bauaufsicht führte Gauff Engineering. Tavares Bollow sieht hier auch eine neue Herangehensweise Chinas an Projekte dieser Größenordnung. China habe in den vergangenen fünf bis sieben Jahren quasi eine Anpassung betrieben. „Der Staat hat gemerkt, dass einige Projekte in Afrika nicht so laufen, wie sie es sich wünschen, und die Reputation von ganz China in Mitleidenschaft gezogen werden könnte“, bemerkt er. Die Frage, ob China Partner oder Konkurrent ist, beantwortet Tavares Bollow eindeutig. „Wir sehen China definitiv als Partner.“ Unter jenen, die China als Konkurrenten bezeichnen, sieht er einen gewissen Neid darauf, dass China in der Lage ist, Milliardenbeiträge zu mobilisieren. „Ich stelle hier die Gegenfrage, wer denn das Geld bringen würde, wenn China es nicht täte. Deutschland kann es nicht.“