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Beitrag vom 15.10.2019

FAZ

Vormarsch der Terroristen

Vor der Präsidentenwahl droht Moçambique neue Gewalt/Von Thilo Thielke

KAPSTADT, 14. Oktober.

Es ist nicht lange her, dass Papst Franziskus in Moçambique für den Frieden geworben hat. „Liebt eure Feinde“, sagte er im Zimpeto-Stadion von Maputo, „auch wenn die Wunden aus langen Jahren der Zwietracht noch offen sind.“ Unter den 60000 Menschen saß auch Staatspräsident Filipe Nyusi, der den Worten des Kirchenoberhaupts andächtig zuzuhören schien. Kurz zuvor war ein Friedensabkommen zwischen der regierenden „Befreiungsfront Moçambiques“ (Frelimo) und der Rebellenarmee „Nationaler Widerstand Moçambiques“ (Renamo) unterzeichnet worden. Es war bereits das dritte dieser Art; mehr als eine Million Menschenleben soll das Morden zwischen den herrschenden Sozialisten und ihren Feinden zuvor gekostet haben. Franziskus war sich der Gefahr eines Rückfalls also bewusst, als er aufforderte, „die früher wie heute gängige Gewohnheit“ abzuschaffen, „nach dem Vergeltungsprinzip zu leben“.

Fünf Wochen nach der Rede des Papstes sieht es so aus, als seien seine Worte nur ein frommer Wunsch geblieben. Kurz vor der Präsidentenwahl an diesem Dienstag droht dem bitterarmen Land im Südosten Afrikas ein neuerlicher Ausbruch der Gewalt. Schon vor dem Papstbesuch hatte eine Fraktion der Renamo angekündigt, das Friedensabkommen zu ignorieren. Jeder, der zu den Wahlen aufrufe, werde umgebracht, drohte der Chef des militärischen Renamo-Flügels, General Mariano Nhongo. Das Friedensabkommen war von Nhongos Rivalen in der Renamo, Ossufo Momade, unterzeichnet worden. Doch innerhalb der antikommunistischen Guerrilla tobt offenbar ein Machtkampf. Seit einigen Wochen kommt es nun immer wieder zu Überfällen auf Passagierbusse und Soldaten – insbesondere in den Renamo-Gebieten um die Stadt Beira herum. Rund zwanzig Menschen sollen im Wahlkampf bereits ums Leben gekommen sein.

Der Kampf von Nhongos Männern ist nicht die einzige Gefahr. Die Entwicklung in der weit im Norden liegenden Provinz Cabo Delgado wirkt noch gefährlicher. Vor einigen Jahren wurden dort im Rovuma-Becken gewaltige Felder mit vermutlich 180 Milliarden Kubikmeter Erdgas entdeckt. Sie könnten Moçambique in den nächsten Jahren zum drittgrößten Exporteur weltweit machen. Bereits 2021 oder 2022 soll mit der Förderung begonnen werden. Doch seit einigen Monaten wird die nahe der tansanischen Grenze gelegene Region von islamistischen Kämpfern tyrannisiert. Immer wieder machen die Terroristen ganze Ortschaften dem Erdboden gleich und massakrieren die Bevölkerung. Kurz vor den Wahlen haben sie ihre Aktivitäten nun verstärkt.

„Soldaten des Kalifats haben einen Armeeposten der Kreuzzügler in dem in der Cabo-Delgado-Provinz gelegenen Christendorf Quiterajo angegriffen“, verkündete der „Islamische Staat“ in seinem Magazin „Al Naba“ kürzlich. Dabei hätten die Dschihadisten „eine große Anzahl an Waffen und Munition“ erbeutet und zahlreiche Menschen getötet. Eine andere Militärstation hätten die Islamisten in dem Dorf Cobre angegriffen und „einschließlich Fahrzeugen und Panzern komplett niedergebrannt“.

Offenbar haben die Dschihadisten Verbindungen zu den Anhängern des kenianischen Geistlichen Aboud Rogo Mohammed und der ursprünglich somalischen Terrororganisation „Ahlu Sunna Waljama’a“. Rogo ist bereits im Jahr 2012 in der Hafenstadt Mombasa erschossen worden. Kenianische Sicherheitskräfte machen islamistische Rivalen für die Hinrichtung verantwortlich; seine Anhänger bezichtigen die Polizei. Der Extremist galt als Finanzier der in Somalia tätigen Terrrororganisation al Shabaab, die auch in Kenia immer wieder blutige Anschläge verübt.

Die Terrorexpertin Jasmine Opperman, Afrika-Direktorin der Denkfabrik „Terrorism Research & Analysis Consortium“, ist sich sicher, dass „Ahlu Sunna Waljama’a“ vom „Islamischen Staat“ unterwandert wurde, um nach dessen Niederlage in Syrien und im Irak den Kampf nun in Afrika auszuweiten. In jüngster Zeit bekannte sich der IS unter anderem zu Morden in Somalia, Kongo und diversen Ländern Westafrikas. Die südafrikanische Tageszeitung „The Citizen“ widmete erst vor wenigen Tagen dem „Terror vor unserer Haustür“ die gesamte Titelseite und befürchtete, die „Dschihadisten, die Dorfbewohner enthaupten“, könnten ihren Krieg nun auch ins Nachbarland tragen – zumal ihnen „die offenen Grenzen“ das Mordhandwerk erleichterten.

Alleine in Moçambique soll es in den vergangenen Monaten bei 115 Attacken bereits 280 Tote gegeben haben. Vor diesem Hintergrund sei an freie und faire Wahlen nicht zu denken, sagt Opperman. Doch die Informationen aus der betroffenen Region fließen nur spärlich. „Die Provinz wurde zum Sperrgebiet für Journalisten, Wissenschaftler, Akademiker und Hilfsorganisationen“, klagt die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“. Stattdessen wurden in jüngster Zeit russische Milizionäre in dem Gebiet gesichtet. Moskau hat noch aus Zeiten des Kalten Kriegs enge Verbindungen nach Maputo. Gut möglich, dass Putins Männer dort auch die Interessen des Ölkonzerns Rosneft verteidigen. Erst am 22. August ist Präsident Filipe Nyusi im Kreml empfangen worden, um der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen Rosneft und der moçambiquanischen „Empresa Nacional de Hidrocarbonetos“ beizuwohnen. Es gestattet den Russen, vor der moçambiquanischen Küste gelegene Gasfelder zu erschließen.

Seit 1975 regiert die Frelimo, die 1962 als marxistische Guerrilla gegen die portugiesischen Kolonialherren gegründet worden ist. Doch erst 1994 – dem Jahr, in dem in Südafrika die Apartheid endete – fanden zum ersten Mal halbwegs freie Wahlen statt. Seitdem gewinnt immer die Frelimo, doch kaum jemand in Moçambique glaubt, dass es dabei tatsächlich mit rechten Dingen zugeht. Einen besonders guten Ruf hat die herrschende Partei nicht. Sie gilt als korrupt und skrupellos im Umgang mit Kritikern.

Dass vorige Woche in der Provinzhauptstadt Xai-Xai ein leitender Wahlbeobachter erschossen wurde, verstärkt die Zweifel. Anastacio Matavele wurde auf offener Straße mit mehreren Schüssen niedergestreckt und starb wenig später an den Verletzungen. Zuvor hatte er ein Training mit Wahlbeobachtern absolviert. Die moçambiquanische Antikorruptionsorganisation „Zentrum für öffentliche Integrität“ hält den „makabren Akt“ für einen gezielten Einschüchterungsversuch der Regierung. Selbst wenn man ihr nichts nachweisen könne, sei sie schon durch ihr Schweigen zum „Komplizen“ geworden.