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Beitrag vom 15.09.2019

FAS

Plünderer, hilflose Polizisten und zwölf Tote

In Südafrika wütet ein Mob gegen Ausländer – die Nachbarländer bringen schon ihre Leute in Sicherheit. Von Thilo Thielke

Es waren Bilder wie aus dem Krieg, die zuletzt aus Südafrika zu sehen waren: brennende Häuser, Leichen auf der Straße, Plünderer in den Geschäften, hilflose Polizisten, die zu spät einschritten und mit Gummigeschossen gegen den Mob vorgingen. Tagelang herrschte in einigen Vierteln der Millionenstädte Pretoria und Johannesburg Ausnahmezustand, auch ein paar Townships waren betroffen. Bis jetzt starben offiziellen Angaben zufolge mindestens zwölf Menschen, zwei verbrannten bei lebendigem Leib. 420 Menschen wurden verhaftet, Hunderte Geschäfte zerstört.

Die Gewalt hatte den Ausländern in Südafrika gegolten. Viele Menschen aus ärmeren afrikanischen Ländern suchen am Kap ihr Glück, unter anderem aus Somalia, Lesotho oder Zimbabwe. Seit Jahren werden sie Opfer von Pogromen. 2008 wurden dabei 62 Menschen getötet, im letzten Jahr waren es sieben. Der Auslöser für den jetzigen Gewaltausbruch in Pretoria soll der Mord an einem Taxifahrer gewesen sein. Er war von einem Nigerianer erschossen worden. Allerdings eskaliert die ausländerfeindliche Gewalt bereits seit Monaten. Viele Südafrikaner werfen den Fremden vor, sie würden ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen; die Nigerianer werden zudem des Drogenhandels bezichtigt. Von ihnen sollen sich Tausende illegal im Land aufhalten. Wie viele Ausländer es insgesamt sind, weiß niemand. Bis zu fünf Millionen, wird geschätzt – in einem Land mit rund 56 Millionen Einwohnern.

Die Regierung von Mandelas Afrikanischem Nationalkongress, die seit 1994 ununterbrochen an der Macht ist, hält sich meistens zurück und bezichtigt fast ausschließlich Weiße der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus. Gegen schwarze Ausländer hingegen wird in der Bevölkerung mitunter offen gehetzt. So hatte 2017 der stellvertretende Polizeichef von Johannesburg im Fernsehen behauptet, seine Stadt werde „von Ausländern überschwemmt“ und in eine „gesetzlose Gesellschaft“ verwandelt. Zulu-König Goodwill Zwelithini sagte 2016: „Die Ausländer sollen ihre Sachen packen und gehen.“ Der Bürgermeister von Johannesburg spricht regelmäßig von „denen“ und „uns“, nennt Fremde Kriminelle und spricht von Fäulnis in seiner Stadt.

Diesmal eskalierte die Situation ausgerechnet, als in Kapstadt das afrikanische Weltwirtschaftsforum zusammentrat. Dabei hatte Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa so sehr auf positive Signale für sein Land gehofft. Es hat sie bitter nötig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 30 Prozent, das vorher schon schwache Wirtschaftswachstum ist völlig zum Erliegen gekommen. Seit weiße Farmer Enteignungen fürchten müssen, wird ausländisches Kapital zurückgehalten.

Der Hoffnungsträger, der vor rund anderthalb Jahren seinen korrupten Vorgänger Jacob Zuma ablöste, hat nicht viel erreicht. Dabei gilt er als ein Mann der Wirtschaft, hat es seit dem Ende der Apartheid zum Multimillionär gebracht. Doch das Land am Kap wird zum Paria. Ruandas Präsident Paul Kagame und Malawis Präsident Peter Mutharika sagten ihre Teilnahme am Wirtschaftsgipfel kurzfristig ab, auch eine ranghohe Delegation aus Nigeria blieb fern.

Die Nigerianer luden außerdem den südafrikanischen Botschafter vor, schickten einen Sondergesandten nach Pretoria und begannen, ihre Landsleute in Sicherheit zu bringen. 640 sollen sich spontan gemeldet haben, um aus Südafrika ausgeflogen zu werden. Die ersten 180 haben Südafrika bereits verlassen. Andere wurden nach nigerianischen Medienberichten von südafrikanischen Behörden daran gehindert – wegen angeblich fehlender Dokumente, darunter offenbar viele Frauen und Kinder. In Nigeria mussten derweil die Niederlassungen von südafrikanischen Firmen wie dem Telefonbetreiber MTN oder der Supermarktkette Shoprite geschlossen werden. Demonstranten hatten dort als Rache Filialen geplündert und angezündet. Zambia sagte ein Fußballfreundschaftsspiel ab; Moçambique bot an, seine Landsleute ebenfalls in Sicherheit zu bringen. Viele Geistliche meldeten sich besorgt zu Wort. „In Zeiten dieser irremachenden Gewalt sind unsere Gebete und Gedanken bei den Opfern und deren Familien“, sagte der Präsident der katholischen interregionalen Vereinigung südafrikanischer Bischöfe.

Erst als der internationale Druck wuchs, meldete sich endlich auch Ramaphosa zu Wort. „Es kann keine Rechtfertigung für Südafrikaner geben, Menschen aus anderen Nationen anzugreifen“, sagte er. Er wolle nun dafür sorgen, „dass wir ein wachsames Auge auf diese Akte mutwilliger Gewalt haben und Wege finden, sie zu beenden“. Für viele Afrikaner kommen diese Worte zu spät.