Beitrag vom 16.01.2019
FAZ
Reise in das Land mit den Raubtier-Praktiken
Die Kritik an Chinas Politik in Afrika und besonders seiner Kreditvergabe nimmt zu. Finanzminister Scholz fliegt nun nach Peking. Was kann er dort erreichen?
mas. BERLIN, 15. Januar. Afrikas Schuldenlast ist zurück auf der internationalen Agenda. Sechs afrikanische Länder können ihre Schulden schon nicht mehr bedienen. Bei ihnen urteilt der Internationalen Währungsfonds lakonisch: „in debt distress“. Bei neun weiteren Ländern steht in der IWF-Übersicht vom vergangenen November: hohes Risiko, ebenfalls in diese Lage zu rutschen. China ist einer der großen Gläubiger. Doch keiner weiß genau, was Peking wo treibt. Dieses Nichtwissen, diese Intransparenz treibt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) um.
Wenn der deutsche Politiker an diesem Mittwochabend zum bilateralen Finanzdialog nach Peking fliegt, dürfte er dort die Gelegenheit nutzen, an die Volksrepublik zu appellieren, mehr Informationen zu ihrem Engagement in Afrika herauszugeben. Sein Wunsch: Das Land soll stärker mit der im Pariser Club zusammengeschlossenen Gebergruppe zusammenarbeiten. Zu diesen gehören die westlichen Industrieländer, also auch Deutschland.
Obwohl vielen Ländern erst vor wenigen Jahren Schulden erlassen wurden, steigt der Anteil der extrem armen Länder in der Welt rasant, die ernste Kreditprobleme haben. Seit 2013 habe sich der Anteil auf 40 Prozent verdoppelt, warnen Währungsfonds und Weltbank in einer Analyse für die Finanzminister des gemeinsamen Entwicklungsausschusses. Die meisten der neuen Schuldensorgenstaaten sind in Afrika zu finden.
Nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums ist die Lage auf dem afrikanischen Kontinent trotzdem heute anders als vor der Jahrtausendwende. So seien die Schulden viel weniger auf Forderungen der Pariser Club-Staaten zurückzuführen. Vielmehr hätten sich afrikanische Länder zunehmend bei privaten Gläubigern und Schwellenländern verschuldet – insbesondere gegenüber China. An der amerikanischen Johns Hopkins University schätzt man, dass aus der Volksrepublik in den Jahren 2000 bis 2017 143 Milliarden Dollar (umgerechnet aktuell 125 Milliarden Euro) an Krediten nach Afrika geflossen sind. Dennoch hat Pekings Präsident Xi Jinping im Sommer 2018 den Ländern nochmals 60 Milliarden Dollar (fast 48 Milliarden Euro) neue Darlehen für die kommenden drei Jahre zugesagt.
So sichert sich Peking in Afrika Rohstoffquellen, Absatzmärkte, Einfluss und Rückhalt etwa bei Abstimmungen der Vollversammlung der Vereinten Nationen. In der westlichen Welt ahnt man, dass sich in Afrika mit der zunehmenden Schuldenabhängigkeit von Peking etwas zusammenbraut, aber Genaueres weiß man nicht. Die zentrale Informationsquelle für diese Art von Daten, die IWF-Global Debt Database, unterscheide nicht nach Herkunftsländern, antwortete das Bundesfinanzministerium auf eine Nachfrage. „Wir haben zwar eine Einschätzung darüber, welche Länder chinesische Kredite erhalten, können aber nicht einschätzen, wie sich die Schuldenlast im Zeitablauf entwickelt hat, da wir weder die genauen Forderungskonditionen noch die Rückzahlungsquoten und den Restbestand von chinesischen Forderungen im Vergleich zu anderen Kreditgebern kennen“, hieß es.
Die Kritik an Chinas Politik in Afrika wächst. Die Sorge ist, dass Peking dort Staaten mit unwirtschaftlichen und intransparenten Krediten in die Überschuldung treibt. Nicht zuletzt aus Amerika sind immer härtere Tone zu hören. So wurde Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton mit den Worten zitiert, die größte Gefahr drohe dem Kontinent „nicht von Armut oder Islamisten, sondern von Ländern wie China oder Russland“. Ihnen warf der Mann mit dem Schnauzbart „Raubtier-Praktiken“ vor. „China benutzt Schmiergelder, windige Verträge und Schulden, um Afrika abhängig von Pekings Wünschen und Forderungen zu machen“, urteilte Bolton.
Peking kann weder diese Kritik noch die eingetrübte Lage länger ignorieren. Chinas Außenminister Wang Yi reagierte auf seiner Neujahrsreise nach Afrika. „Wir wissen, dass einige afrikanische Länder bei der Finanzierung Schwierigkeiten haben“, sagte er in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, um dann schlitzohrig anzufügen: „Afrikas Schulden reichen grundsätzlich weit in die Geschichte zurück. Sie sind weder ein neues Phänomen, noch ist China dafür verantwortlich.“
Scholz ist nicht so vermessen zu versuchen, Peking einen Deckel für seine Kreditpolitik vorzuschreiben. Sein Ansatz lautet: International intensiver zusammenzuarbeiten, um Schuldentragfähigkeit und Schuldentransparenz zu verbessern. Sein Ziel ist es, Defizite im Informationsaustausch zu beheben und das Monitoring von Risiken zu verbessern. „Wir arbeiten hier eng im Verbund mit unseren Partnern in der Gruppe der sieben westlichen Industrieländer (G7) und der Gruppe der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsräumen (G20) sowie im Pariser Club an der Umsetzung dieser Ziele.“ Zudem unterstütze man IWF und Weltbank bei ihren Arbeiten in diesem Bereich.
Konkret geht es Berlin dabei um striktere Standards, nach denen die Schuldenlasten veröffentlicht werden müssen. Außerdem will man Möglichkeiten ausloten, wie IWF-Programme und Weltbank-Finanzierungen genutzt werden könnten, um armen Ländern Anreize zu geben, dabei mitzumachen. Doch das allein wird nicht reichen. Man braucht auch Peking dazu. Deswegen dürfte Scholz weiterhin mahnende Worte in Richtung China senden, stärker mit dem Pariser Club zusammenzuarbeiten. Letztlich steht dahinter das Ziel, dass das riesige Reich der Mitte mittelfristig Mitglied des Pariser Clubs wird.