Beitrag vom 30.10.2018
FAZ
Heiler statt Krankenhaus
In Ostkongo sterben immer mehr Kinder an Ebola
DARESSALAM, 29. Oktober. Seit Monaten kämpfen Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und einheimische Ärzte im bürgerkriegsversehrten Kongo gegen einen neuen Ebola-Ausbruch. Zwar erklärte die WHO kürzlich, dass es sich bei dem Ausbruch nicht um einen globalen Notfall handelt. Es herrscht aber Sorge, dass das Virus in die Nachbarländer Uganda oder Ruanda überspringt.
Außerdem machte das Gesundheitsministerium jetzt auf eine besorgniserregende Entdeckung aufmerksam: Unter den mehr als 250 Infizierten, von denen 168 starben, befanden sich 30 Kinder, die jünger als zehn Jahre alt waren. Für 27 von ihnen kam jede Hilfe zu spät.
„Normalerweise sind sehr viel weniger Kinder bei einem solchen Ausbruch betroffen“, so die Sprecherin des Ministeriums, Jessica Ilunga: „Was derzeit rund um die Stadt Beni stattfindet, ist sehr ungewöhnlich.“ Die Kongolesen, in deren Land es bereits zum zehnten Mal zu einem Ausbruch des 1976 entdeckten hämorrhagischen Fiebers kam, führen die hohe Zahl an betroffenen Kindern auf die Praktiken traditioneller Heiler zurück. „Wir gehen davon aus, dass es einen Zusammenhang mit einem Malaria-Ausbruch gibt“, sagt Ilunga. Statt ins Krankenhaus würden viele verunsicherte Eltern ihre fiebrigen Kinder zu „Witchdoctors“ bringen, wo sie dann mit denselben Mixturen und Instrumenten wie Ebola-Kranke behandelt würden und sich infizierten. „Die Kinder kommen mit Malaria in diese Häuser und kehren mit Ebola heim – ein paar Tage später sterben sie.“ Zudem sei die Zahl der Neuinfektionen wieder gestiegen. Allein am Sonntag seien neun neue Fälle festgestellt worden – sieben in Beni und zwei in der Millionenstadt Butembo. Bereits jetzt handelt es sich um den drittheftigsten Ebola-Ausbruch in der kongolesischen Geschichte.
Seit dem 8. August haben Helfer mehr als 15000 Menschen mit einem neuen Serum (rVSV-ZEBOV) geimpft, das die Firma Merck nach dem verheerenden Ausbruch in Westafrika vor drei Jahren entwickelt hat. Dennoch stehen sie im Osten Kongos vor enormen Herausforderungen.
Seit Jahren toben in der Gegend Kämpfe zwischen dem Militär und diversen Milizen. Erst vor einer Woche war es in Beni zu einem Massaker gekommen, bei dem mindestens elf Zivilsten starben und 15 schwer verletzt wurden – darunter zehn Kinder. „Wir schaffen es kaum einmal, in bestimmten Gegenden für wenige Stunden unserer Arbeit nachzugehen, ohne dass es zu Schießereien kommt oder Demonstranten durch die Straßen ziehen“, klagt WHO-Sprecher Tarik Jasarevi?.
Die Seuche wird in Kongo nicht nur Menschenleben kosten, sondern auch die Wirtschaft des maladen Landes schwächen. Einer Studie zufolge, die gerade im „Journal of Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde, hat der Ausbruch, der 2014 in Sierra Leone, Guinea and Liberia tobte, die örtliche Wirtschaft rund 53 Milliarden Dollar gekostet.
Thilo Thielke