Beitrag vom 21.09.2017
FAZ
EHEMALIGER PUMA-CHEF
Hilfe für Afrikas Kulturszene
VON CLAUDIA BRÖLL, KAPSTADT
Der ehemalige Puma-Chef Jochen Zeitz hat das größte Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst geschaffen. Viele sprechen von einem Wendepunkt für die afrikanische Kultur.
Jochen Zeitz zieht normalerweise viel Aufmerksamkeit auf sich. Bei einem Pressetermin vor der Eröffnung des Museums für zeitgenössische afrikanische Kunst (Zeitz Mocaa) in Kapstadt aber sitzt er ganz unauffällig links außen in der ersten Reihe, im schlichten grauen Pulli, als wäre dies ein ganz normaler Vormittag und er ein ganz normaler Zuschauer. „Heute stehen die Künstler im Mittelpunkt“, sagt er später bei einem Kaffee im Gespräch mit dieser Zeitung.
Der ehemalige Puma-Chef mit dem für Südafrikaner unaussprechlichen Namen ist Initiator des Museums, außerdem liefert er die meisten ausgestellten Werke aus seiner persönlichen Sammlung. Doch nicht nur für ihn persönlich ist die Eröffnung ein großer Moment. Viele sprechen von einem Wendepunkt für die Kultur auf dem Kontinent. Noch nie zuvor gab es ein Museum dieser Art und Größe in Afrika. Wer sich bisher als Künstler einen Namen machen wollte, musste im Ausland ausstellen. Doch das Mocaa, das in einem 100 Jahre alten Getreidesilo am Kapstädter Hafen untergebracht ist, wird auch als eines der spektakulärsten Museen auf der Welt gefeiert, auf Augenhöhe mit Institutionen wie der Londoner Tate Gallery oder dem Museum of Modern Art in New York.
Puma erfolgreich saniert
In seiner Heimat bringt man den Mannheimer weniger mit Kunst als mit Turnschuhen und Turnaround-Strategien in Verbindung. 18 Jahre lange hatte er Puma geführt und erfolgreich saniert. Bei seinem Amtsantritt mit 30 Jahren der jüngste Vorstandschef in Deutschland, zwischenzeitlich auch der bestbezahlte. Seinen Abschied von Puma nahm er 2011, als er merkte, dass sich die rasante Erfolgsgeschichte dem Ende zuneigte.
Heute ist er 54 Jahre alt, hat eine Familie, lebt mal in Kenia, mal in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien – und sieht meist aus, als ob er gerade von einer Safari zurückkommt: Fünftagebart, zerzauste Frisur, so lässt er sich auch für das Werbevideo für das Mocaa filmen.
Zeitz engagiert sich in Afrika
Aus dem Wirtschaftsleben hat er sich nicht verabschiedet, aber die Seiten gewechselt, vom Puma-Chefsessel in den Aufsichtsrat von Harley Davidson, der Kering-Group für Luxusgüter, von Wilderness Safaris und seit kurzem der amerikanischen Investitionsgesellschaft Cranemere Group. Nachhaltigkeit ist jetzt sein großes Thema. Cranemere konzentriert sich auf langfristige Investitionen in Unternehmen in Afrika und anderswo. Mit Richard Bransonhat Zeitz vor einigen Jahren das B-Team gegründet, eine Gruppe von Unternehmenslenkern, die sich einem „Plan B“ verschreiben, also neben dem Gewinn auch die Menschen und den Planeten im Blick haben.
Dazu passt auch Zeitz’ Engagement für Afrika. Wo sonst kann man auch so viel bewegen und verändern wie auf diesem Kontinent? 1989 war er zum ersten Mal nach Kenia gekommen, danach hat ihn Afrika nicht mehr losgelassen. Heute spricht er Suaheli, hat eine 20.000 Hektar große Wildfarm ebenfalls in Kenia. Demnächst bricht er in den Kongo auf, um ein Tourismuskonzept für den Virunga-Nationalpark, den ältesten Nationalpark Afrikas, zu entwickeln. Dessen Existenz wird gerade von gierigen Ölkonzernen bedroht. „Wir müssen Win-win-Situationen schaffen, um Afrika voranzubringen“, sagt er in unverkennbar badischem Akzent auf der Mocaa-Veranstaltung und nennt die „4 Cs“ die Pfeiler der Strategie: Conservation (Naturschutz), Community (Gemeinschaft), Commerce (Wirtschaft) und eben Culture (Kultur).
Kontinent soll seine eigene Kulturgeschichte schreiben
So ein Managerjargon klingt exotisch inmitten all der Kunstenthusiasten, die lieber über den wohl bekanntesten südafrikanischen Künstler William Kentridge, fachsimpeln. Aber Zeitz ist auch kein normaler Kunstsammler, wie er immer wieder betont. Zur Kunst ist er eher wie ein Unternehmer gekommen: Er hat eine Art Marktlücke gesehen. „Die Kreativität in Afrika hat mich immer begeistert, aber es gibt keine Plattform, kein Museum auf internationalem Niveau, um diese Kreativität auszustellen. Das habe ich nicht verstanden, das wollte ich ändern. Dieser Kontinent muss endlich seine eigene Kulturgeschichte schreiben können.“
Und so legte er los. Nicht ein Bildchen hier, eine Skulptur da, sondern im großen Stil. Komplette Ausstellungen wie die des Angolaners Edson Chagas, die 2013 auf der Biennale in Venedig zu sehen waren, kaufte er auf. Die Vorgaben lieferte der Südafrikaner Mark Coetzee, jetzt Chefkurator des Mocaa. Mehrere tausend Kunstwerke nennt Zeitz mittlerweile sein Eigen, genau weiß er es nicht, aber es ist genug, um das Mocaa gleich mehrere Male zu füllen. Einer glücklichen Fügung war es zu verdanken, dass genau zu der Zeit auch die Betreibergesellschaft der V&A Waterfront in Kapstadt darüber nachdachte, was mit dem unansehnlichen schon lange nicht mehr genutzten Getreidespeicher passieren sollte.
Das Zeitz Mocaa ist in einem Getreidesilo am Kapstädter Hafen untergebracht. Hier sind 80 Galerieräume auf sechs Stockwerken zu besichtigen.
Ein Silo wird zum Museum
Heute sieht das Silo mit den riesigen nach außen gewölbten Fenstern selbst aus wie ein modernes Kunstwerk. Der britische Stararchitekt Thomas Heatherwick hat aus dem aus 42 Betonröhren bestehenden Koloss ein Kunstmekka geschaffen, das düstere Innere der Röhren in ein kathedralenartiges Atrium verwandelt. Spezielle Diamantschneider mussten angefertigt werden, um den 100 Jahre alten Beton aufzusägen, und zwar so, dass die Formen von Maiskörnern zu sehen sind. Die Vorlage dafür lieferte ein Maiskorn, das noch in dem Silo herumlag. Die Architekten scannten es und vergrößerten das Bild auf die Größe eines zehnstöckigen Hauses.
Nun schwebt eine Drachenskulptur mit weiten Schwingen in den luftigen Höhen des Atriums. Enge Wendeltreppen führen durch die angrenzenden Siloröhren zu 80 Galerieräumen auf sechs Stockwerken und einem Skulpturen-Dachgarten. Kunstwerke aus verschiedenen Ecken des Kontinents bedecken die Wände, Video-Installationen füllen ganze Räume. Malerei, Fotografie, Mode, Skulpturen – die vielfältigen Bereiche der Kunst sollen einen Platz im Mocaa finden. Viele Werke habe er selbst noch gar nicht gesehen, sagt Zeitz. Gut verpackt waren sie zunächst in einem Lager gelandet, nur einen Teil hatte er auf seiner Farm ausgestellt. Zu Experimentierzwecken, um die Marktwirkung zu testen. „Ich wollte sehen, wie die Community und wie Besucher darauf reagieren.“
Interesse in allen Bevölkerungsschichten wecken
Ein privates Museum zu betreiben auch ohne Gewinnerzielungsabsichten, ist freilich ein ehrgeiziges Unterfangen. Doch der ehemalige Puma-Sanierer ist zuversichtlich, dass Afrikas aufregendstes Kunstprojekt nicht am Geld scheitern wird. Den 32 Millionen Euro teuren Umbau der Silos hat die V&A-Waterfront finanziert. In der Woche vor der Eröffnung parken die Limousinen von Sponsoren wie BMW, Pernod Ricard und Gucci vor dem Museum. Das Zeitz Mocaa zieht an, ein genau choreographierter Medienrummel hilft.
Auch vor Mocaa-Zeiten gab es eine rege Kunstszene in Afrika. In Johannesburg und Kapstadt beispielsweise finden mehrere international beachtete Kunstmessen im Jahr statt. Doch vor allem eine kleine vermögende Elite interessierte sich bisher dafür. Auch das will Zeitz ändern. Das Mocaa solle allen offen stehen, betont er. Das sei vor allem in Afrika so wichtig. Der Eintritt ist mit 180 Rand (12 Euro) für südafrikanische Verhältnisse zwar stattlich, doch an einem Vormittag in der Woche haben Südafrikaner freien Eintritt. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen ohne Bezahlung hinein. Unterrichtsräume für Schulklassen sind vorgesehen, das Museum will jedes Jahr 25 junge Kuratoren aus verschiedenen Teilen des Kontinents ausbilden. Das Museum soll mehr sein als ein Wahrzeichen und eine Touristenattraktion in Kapstadt.
An diesem Freitag ist es nun so weit: Das Museum wird feierlich eröffnet. Nicht ein rotes Band, sondern 400 Bänder in allen Regenbogenfarben werden Würdenträger der Stadt durchschneiden. Tausende Besucher werden erwartet, in den sozialen Medien wird die Spannung seit Wochen angeheizt. Wie er sich nun fühle nach vollbrachter Mission? Zeitz atmet tief durch: „Ganz ehrlich: erleichtert. Wenn man mit so einem verrückten Projekt anfängt, weiß man ja nie, ob es am Ende klappt und der Traum wirklich wahr wird.“