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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.06.2017

Badische Zeitung

Kleinbauern in Mosambik: Endlich mehr zu essen

von Jörg Buteweg

In Deutschland landen Lebensmittel auf dem Müll. In Mosambik haben viele Bauern zu wenig zu essen. In Deutschland klagen die Milchbauern über die niedrigen Preise. In Mosambik können sich die Bauern gar keine Milch leisten. Die Welthungerhilfe will Kleinbauern in dem afrikanischen Land helfen, größere Ernten zu erzielen und sich abwechslungsreicher zu ernähren. Ein Besuch.
Energisch tritt die junge Frau in die Pedale des blau lackierten Steppers. Der Schweiß läuft ihr übers Gesicht. Um Fitness geht es aber nicht auf diesem Feld am Ortsrand von Quelimane, einer Stadt in Zentralmosambik. Was wie ein Stepper im Fitnessstudio funktioniert, ist eine einfache Wasserpumpe. Mit jedem Tritt befördert die 27-jährige Selestina Lucas einen Schwall Wasser aus dem Brunnen in einen betonierten Auffangbehälter. Aus ihm füllen ihre Kolleginnen die Gießkannen und bewässern die jungen Salatpflänzchen im Beet.

Mit der gleichen grünen Gießkanne, die Hobbygärtner in Deutschland verwenden, gießen die Mosambikanerinnen ganze Äcker. Die Sonne brennt, der nächste Mangobaum, der Schatten spenden könnte, ist weit. Der Mai gehört in Mosambik, 20 Breitengrade südlich des Äquators, zur kühlen Jahreszeit. Davon ist am Morgen auf dem Feld nichts zu spüren, wie muss es hier in der heißen Jahreszeit kochen? Damit die jungen Pflänzchen nicht verbrennen, haben Selestina und ihre Mitbäuerinnen das Saatbeet mit einem Dach aus Bambusstroh geschützt.

Selestina und ihre 22 Nachbarinnen – nur zwei Männer gehören zur Gruppe – bewirtschaften ein Gemeinschaftsfeld. In einigen Tagen werden die Pflänzchen groß genug sein. Dann werden sie auf das große Feld umgesetzt. Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Möhren, rote Beeren sollen hier wachsen. Einen Teil will die Gruppe auf dem Markt im nahen Quelimane verkaufen, einen Teil verzehren sie selbst.

Naturkatastrophen treffen Mosambik oft und hart

Das Saatgut stammt von der Deutschen Welthungerhilfe. Die Gruppe ist Teil eines Projekts, mit dem die deutsche Organisation helfen will, Hunger und Fehlernährung in Mosambik zu bekämpfen. Farmer Field School (Bauernschule auf dem Feld) nennt sich diese Praxis, die in Entwicklungsländern häufig eingesetzt wird. Gruppen von Bauern, meist 25 bis 30 Menschen, bewirtschaften ein Stück Feld gemeinsam, das Demonstrationsfeld. Sie bekommen Saatgut und vor allem Beratung von Fachleuten. Ihr neu erworbenes Wissen können sie für ihre eigenen Äcker nutzen. Zum Projekt der Welthungerhilfe gehören mehrere solcher Gruppen in der Region Quelimane.

Wie kann es bei zwei Ernten im Jahr Hunger geben, fragt sich der Besucher, der in Zentralmosambik durch ein grünes Land fährt, wo sich links und rechts der Straße Reisfelder erstrecken, daneben sind Mais- und Kartoffeläcker zu sehen.

Tatsächlich steht Mosambik unrühmlich weit oben auf dem Welthungerindex. Die Hälfte der Kinder gilt als mangelernährt. Sie sind klein, anfällig für Krankheiten, ihr Gehirn entwickelt sich nicht so, wie es bei einem normal ernährten Kind zu erwarten wäre. Zu allem Überfluss gibt es nur wenige Länder, die so von Naturkatastrophen geplagt sind. Wenn es in den Nachbarländern Simbabwe, Sambia oder Malawi regnet, treten die großen Flüsse Sambesi und Limpopo im mosambikanischen Tiefland über die Ufer und überschwemmen die Äcker. Im Sommer kommen Wirbelstürme vom Indischen Ozean mit wilden Winden und verheerenden Regenfällen.

Als wäre das nicht genug, bleibt seit einigen Jahren der Regen häufiger aus. 2015 und 2016 gab es Dürren, die Ernten fielen zu klein aus. Der Grund ist das Klimaphänomen El Niño, das den gewohnten Rhythmus von Regen- und Trockenzeiten durcheinanderbringt. Die Regenzeit fällt praktisch aus. Vor der neuen Ernte sei die Not am größten, sagt Selestina, die drei Kinder allein großziehen muss; der Mann hat sich aus dem Staub gemacht. Eine zweite Bäuerin zeigt die Wurzeln, die sie in ihrer Verzweiflung ausgegraben und gegessen hätten. Davon sei aber vielen übel geworden.

Gegen Stürme und Überschwemmungen ist kaum ein Kraut gewachsen. Höchstens lassen sich die Folgen mit Vorsorge mildern. Gegen Dürre immerhin hilft Bewässerung. In den Projekten der Welthungerhilfe lernen Bauern verschiedene Methoden. Das kann die Tretpumpe sein oder ein einfacher Damm, der Wasser staut, das dann durch selbst gegrabene Rinnen aufs Feld geleitet wird. Bei Feldern, die größer sind als ein Hektar, kann sich eine Motorpumpe lohnen.

Auch ohne Katastrophen sind die Ernten gering. Rund eine Tonne Mais werden im südlichen Afrika im Schritt pro Hektar geerntet. In Deutschland sind es zehn Tonnen. Auf fünf Tonnen pro Hektar ließe sich der Ertrag in südlichen Afrika ohne weiteres steigern, sagt Regina Birner, Professorin für Landwirtschaft an der Universität Hohenheim. Dazu benötige man weder Kunstdünger noch hochgezüchtetes Saatgut, ein paar einfache Verbesserungen reichten. Aufwendig darf es tatsächlich nicht sein. Die Bauern, die am Projekt teilnehmen, haben kein Geld. Ihr einziges Werkzeug ist die Hacke. Hier gibt es keinen Pflug, keine Ochsen, keine Traktoren.

Landwirtschaftsberater Chimote, ein einheimischer Mitarbeiter der Welthungerhilfe, zeigt Selestinas Gruppe, dass es sinnvoll ist, Salat und Gemüse, Soja und Mais in geraden Reihen anzupflanzen statt ungeordnet, wie es üblich ist. Dann kann man besser Unkraut jäten.

Mehr Abwechslung beim Essen

Er führt vor, dass ein Acker bei der nächsten Ernte mehr Ertrag bringt, wenn man die Maiskolben einsammelt, die Stängel herausreißt und auf dem Feld verrotten lässt. Das wirkt als Dünger, schützt den Boden vor dem Austrocknen. Traditionell werden Pflanzenreste verbrannt.Die Ernten sollen aber nicht nur größer werden, die Bauern sollen auch abwechslungsreicher essen – vor allem die Kinder. Dafür werden auch bisher in der Region unbekannte Früchte angebaut: Soja, Rote Beete und gelbgefleckte Süßkartoffeln. Rote Beete sind vitaminreich, Soja lässt sich gut lagern, aus den Bohnen kann man Sojamilch zubereiten. In der Region um Quelimane gibt es keine Milchwirtschaft. Wer über Land fährt, sieht keine einzige Kuh. Haltbare Milch aus dem Supermarkt ist unerschwinglich.

Wie man Sojamilch zubereitet, erklärt Ernährungsberaterin Olimpia Colaçao den Bäuerinnen. Es ist eine langwierige Arbeit: Die Bohnen werden gewässert, die Schale wird abgepult, anschließend kommen die Bohnen in den traditionellen Holzmörser, werden mit dem Stößel zerstampft. Ist daraus endlich Mehl geworden, wird es mit Wasser zweimal aufgekocht – über dem offenen Holzfeuer. Das Holz holen Selestina und die Nachbarn der Siedlung aus den Mangrovenwäldern des nahe gelegenen Flussdeltas. Das Meer ist hier nicht weit.

Olimpia kämpft auch gegen tiefsitzende Vorurteile. So bekommen Kinder bis zur Schulzeit häufig nur Maisbrei mit Zucker.

Bekämen sie zu früh Fleisch oder Fisch, würden sie zu Dieben, sei ein verbreiteter Aberglaube, sagt sie. Sojamilch oder Soja mit Kokos sind gesünder. Auch Süßkartoffeln bauen die Bauern auf Anraten der Welthungerhilfe-Experten an. Man kann sie weich kochen und essen, man kann sie aber auch zu Saft pressen. Der schmeckt süß, ist vitaminreich "und gibt Kraft", wie Olimpia sagt. "Meinen Kindern geht es besser", berichtet eine Bäuerin. "Sie haben keinen dicken Bauch mehr vor Hunger. Heute sind sie richtig stark."

Bis ins nächste Jahr läuft das Projekt noch, das 2015 startete. Drei Jahre, das sei eigentlich zu kurz, sagt Caroline Peyre, die Landeschefin der Welthungerhilfe in Mosambik. Zumal sie nicht zufrieden ist mit den Ergebnissen. "Wir haben unser Ziel nicht erreicht." El Niño habe einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ihre Schlussfolgerung: "Ein solches Programm sollte mindestens fünf Jahre laufen." Aber die Geldgeber wollten ihre Mittel in aller Regel nicht länger binden.

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Der Autor war auf Einladung der Welthungerhilfe in Mosambik.