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Beitrag vom 13.02.2015

Südwest Presse

Zwischen den Fronten

Autor: WOLFGANG DRECHSLER

Abuja:Eigentlich sollte Nigeria am Samstag einen neuen Präsidenten wählen.

Doch am vergangenen Wochenende war die mit Abstand wichtigste Wahl in Afrika in diesem Jahr aus eher fadenscheinigen "Sicherheitsgründen" plötzlich um sechs Wochen verschoben worden. Offenbar spielt der gleich an zwei Fronten unter Druck geratene Amtsinhaber Goodluck Jonathan angesichts der wenig guten Ausgangslage auf Zeit: Im Norden wird seine Armee von den Islamisten der Terrorsekte Boko Haram düpiert, im Süden bringt der abgestürzte Ölpreis die Wirtschaft in Bedrängnis.

Dass sich viele Nigerianer nach einem Wechsel sehnen, zeigt das Oppositionsbündnis "All Progressives Congress", das von einer reinen Zweckallianz zu einer Art Volksbewegung mutiert ist. Jonathan verspricht sich durch den sechswöchigen Aufschub offenbar vor allem Hilfe von außen, insbesondere aus dem benachbarten Tschad, dessen kampferprobte Armee seit längerem gegen Boko Haram mit weit mehr Erfolg vorgeht als die Nigerianer selbst. Auch wenn es eher unwahrscheinlich erscheint, ist es dennoch möglich, dass sich die extrem angespannte Sicherheitslage im muslimischen Nordosten des Landes so verbessert, dass dort gewählt werden kann. Gegenwärtig ist dies mehr als einer Million Menschen nicht möglich, weil sie entweder in Gebieten leben, die von den Islamisten kontrolliert werden oder weil sie vertrieben wurden.

Zwar ist Boko Haram seit dem Eingreifen von etwa 2000 Soldaten aus dem Tschad militärisch unter Druck geraten, doch verfügt die Terrorbande nach wie vor über eine hohe militärische Schlagkraft wie ihre jüngsten Überfälle in Kamerun und Niger zeigen. Umso wichtiger wäre der schnelle Aufbau einer vor kurzem beschlossenen Eingreiftruppe von etwa 8700 Soldaten aus Nigerias Nachbarstaaten Tschad, Kamerun, Niger und Benin, die ihre Teilnahme daran fest zugesagt haben. Die nigerianische Regierung hat sich hinter den Plan gestellt, obwohl Präsident Jonathan zuvor immer wieder betont hatte, sein Land sei alleine in der Lage, Boko Haram zu besiegen. Doch die jüngsten Überfälle zeigen, dass die Islamisten längst zu einer grenzüberschreitenden Bedrohung geworden sind.

Als Vorbild für die Regionalstreitmacht könnte der Einsatz der afrikanischen Eingreiftruppe in Somalia (Amisom) dienen. Diese kämpft dort seit acht Jahren mit großem Erfolg gegen die islamistische Terrormiliz Al Shabaab, die genau wie Boko Haram die Errichtung eines Gottesstaates anstrebt. Finanziert werden die mehr als 20.000 Amisom-Soldaten größtenteils von der Europäischen Union.

Gleichwohl wäre eine weitere afrikanische Eingreiftruppe wie sie sich nun abzeichnet, allenfalls ein Notbehelf, um eine weitere Eskalation im Norden von Nigeria zu verhindern. Mittelfristig wird die größte Volkswirtschaft in Afrika nicht herumkommen, das marode politische wie wirtschaftliche System zu erneuern und eine weniger korrupte Armee aufzubauen Seit Monaten eskaliert die Gewalt auch deshalb, weil der Staat als Garant des inneren Friedens fast völlig ausfällt.

Angesichts der Unfähigkeit des nigerianischen Staates, Boko Haram wirksam zu stoppen, sind die Optionen begrenzt. Gerade jetzt wäre es wichtig, dass Afrika nicht nur permanent nach afrikanischen Lösungen für afrikanische Probleme ruft, sondern diese endlich auch umsetzt. Wenn dies jetzt in der Stunde höchster Not wieder nicht gelingt, droht der fragilen Region zwischen dem Bauch und dem Horn von Afrika ein Flächenbrand, mit unabsehbaren Folgen.