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Beitrag vom 21.01.2015

Deutsche Welle

Blutige Proteste gegen Kongos Präsidenten

von Julia Hahn

Brennende Häuser, Tote, Verletzte: Im Kongo weiten sich die Proteste gegen die Regierung immer weiter aus. Die Opposition fordert den Sturz von Präsident Kabila. Droht dem Land ein Putsch, ähnlich wie in Burkina Faso?

Es sind Bilder der Gewalt: In Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo liefern sich Demonstranten am Donnerstag (22.01.2015) Straßenschlachten mit der Polizei. In der Hauptstadt Kinshasa gibt es schon seit Tagen gewaltsame Proteste. Nach Angaben von Menschenrechtlern sollen dabei mehr als 40 Menschen getötet worden sein. Die Regierung spricht von zwölf Opfern.

Die Wut der Demonstranten richtet sich gegen das neue Wahlgesetz von Präsident Joseph Kabila, über das jetzt der kongolesische Senat entscheiden soll. Die geplante Gesetzesänderung macht eine landesweite Volkszählung zur Bedingung für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Kabila regiert seit 14 Jahren, laut Verfassung dürfte er nach 2016 nicht noch einmal regieren. Eine Volkszählung aber ist teuer und könnte im Kongo lange dauern: Monate, sogar Jahre, fürchtet die Opposition und sieht in dem neuen Gesetz deshalb einen Versuch Kabilas, die Wahlen hinauszuzögern und sich so auf weitere Jahre die Macht zu sichern.

Ein Umsturz wie in Burkina Faso?

Erinnerungen werden wach an die Ereignisse in Burkina Faso im Oktober 2014. Nach massiven Protesten und Gewalt auf den Straßen, entmachtete das Militär die Regierung und den langjährigen Präsidenten Blaise Compaoré. Anlass für die Demonstrationen war eine geplante Verfassungsänderung, die dem damals 63-Jährigen eine fünfte Amtszeit ermöglichen sollte. Könnte es soweit auch im Kongo kommen? "Die Ausgangssituation ist anders", sagt Dustin Dehéz, Analyst bei Manatee Global Advisors, einer Politikberatungsfirma mit Sitz in Frankfurt am Main. "Burkina Fasos Präsident hat damals schon sehr lange regiert und war ganz klar auch ein Diktator. Kabila ist eher ein autoritärer Herrscher, der sich zumindest noch ein demokratisches Gewand geben will. In dem Augenblick, wo er das aber abstreift, ist die Gefahr am größten, dass die Opposition dauerhaft auf die Straße geht".

Diese Opposition jedoch ist zersplittert und zerstritten. Im Kongo gibt es etwa ein Dutzend politische Parteien. Oppositionsführer Etienne Tshisekedi hält sich momentan in Belgien auf und ruft aus der Ferne zur Entmachtung des Präsidenten auf.

Ein Szenario wie in Burkina Faso sei unrealistisch, solange politische Opposition und Zivilgesellschaft im Kongo nicht an einem Strang ziehen, sagt der Politologe Philippe Biyoya von der Universität Kinshasa. "Die Opposition hat keine richtige Strategie, um die Leute hinter sich zu versammeln".

In mehreren Landesteilen der DRC herrscht seit Jahrzehnten Krieg. Die Vereinten Nationen sind mit rund 20.000 Soldaten der MONUSCO-Mission im Land. MONUSCO-Chef Martin Kobler verurteilte die jüngste Gewalt durch die Sicherheitskräfte und rief auch die Opposition zu Zurückhaltung auf. "Jede Demonstration muss friedlich und im Rahmen des Gesetzes stattfinden", so Kobler.

Die katholische Kirche im Kongo hat sich auf die Seite der Demonstranten gestellt. Der Erzbischof von Kinshasa, Laurent Monsengwo, forderte von der Regierung ein Ende der Gewalt und appellierte an die Kongolesen, sich der Änderung des Wahlgesetzes "mit legalen und friedlichen Mitteln zu widersetzen". "So kann es nicht weitergehen", sagte er im Gespräch mit der DW. "Jemand muss endlich etwas sagen, das sehe ich als meine Verantwortung".

Machtkampf und Frust über Kabila

Ob Apelle wie diese die Lage im Land beruhigen können, ist fraglich. Spekulationen, dass sich Joseph Kabila auch nach 2016 an der Macht halten will, gibt es schon länger. Kabila regiert seit 2001, seit der Ermordung seines Vaters und Amtsvorgängers Laurent-Désiré Kabila. 2006 gewann er die ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1960.

Doch längst regiert Kabila nicht mehr unangefochten. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei groß, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Vogel, der gerade im Kongo forscht. "Kabila hat in den Augen der Menschen nichts gegen die Probleme des Landes getan. Sie werfen ihm zum Beispiel vor, dass er den Aufstieg der Rebellengruppe M23 nicht verhindert, oder dass er die Infrastruktur und die Bildung nicht verbessert hat".

Auch der Machtkampf in der rohstoffreichen Provinz Katanga im Südosten des Landes spiele eine Rolle, sagt Analyst Dustin Dehéz. Kabila kommt selbst aus Katanga, hatte dort lange einen Heimvorteil. Bis sich der Gouverneur der Provinz, Moise Katumbi Chapwe, als Gegenkandidat für die Präsidentschaftswahlen 2016 in Stellung brachte. "Kabila könnte also möglicherweise die Unterstützung aus Katanga verlieren und dann ist die Frage, ob sein Rückhalt in seiner Partei für die nächsten Wahlen ausreicht", sagt Analyst Dehéz.

Repression statt Dialog

Die Regierung versucht, die Proteste zu unterdrücken. Die Polizei setzte in den vergangenen Tagen Tränengas gegen die Demonstranten ein. In Kinshasa wurde das Internet ausgeschaltet, um die Kommunikation der Demonstranten zu erschweren. Auch in anderen Landesteilen haben Mobilfunkdienste nicht funktioniert.

"Noch scheint es so, als hätte die Regierung die nötige strategische Kontrolle über die Sicherheitskräfte und zentrale Personen in Polizei und Militär", sagt Christoph Vogel. Die Ausschreitungen könnten sich aber noch einmal verschärfen. Denn nach der Zustimmung des Unterhauses, soll abschließend auch der Senat über das umstrittenene Wahlgesetz entscheiden.