Beitrag vom 01.12.2014
WirtschaftsBlatt, Wien
Südafrikas Wirtschaft kommt nicht in Fahrt
von Stefan Gutbrunner
Die Entwicklung legt jedenfalls nahe, dass die Probleme der südafrikanischen Volkswirtschaft über die temporären Streiks hinaus gehen, und, wie findige Ökonomen gerne formulieren, "struktureller Natur" sind.
Pretoria. Auf den ersten Blick sehen die Wachstumszahlen, die das südafrikanische Statistikbüro vorige Woche präsentiert hat, gar nicht so schlecht aus. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas ist im dritten Quartal 2014 um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Von einer Rezession, die Südafrika noch im zweiten Jahresviertel drohte, kann also keine Rede sein. Und doch sind die Zuwachsraten im dritten Quartal mit einem Makel versehen. Denn die meisten Ökonomen haben nach den schwerwiegenden Ausständen im Frühjahr zum Teil deutlich mehr erwartet.
Fünf Monate lang dauerte der längste Streik in der Geschichte des Landes. 70.000 Platinarbeiter im für die Wirtschaft essenziellen Bergbau ließen ihre Arbeit von Jänner bis Juni ruhen. Als der Konflikt zwischen Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern endlich beigelegt wurde, begannen die 220.000 Metaller im Land ihren Ausstand. All das war für die wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas natürlich abträglich. Denn einerseits führten die Lohneinbußen der streikenden Arbeiter zu erheblichen Umsatzrückgängen im lokalen Handel, andererseits sind den Unternehmen durch den Produktionsstopp 1,5 Milliarden € an Erlösen entgangen.
Doch obwohl die Wirtschaft die Streikwelle überwunden hat, kommt sie auch im dritten Quartal nicht so recht in die Gänge. In der Regel wächst eine aufstrebende Volkswirtschaft, die über Monate aus welchen Gründen auch immer gelähmt war, nach Wegfall des Hindernisses besonders schnell. Bei Südafrika jedoch ist dieser Effekt vorerst nicht zu beobachten, wie auch Razia Khan, Afrika-Analystin bei der Standard Chartered Bank, bemerkt: "Die Quartalszahlen sind sehr enttäuschend", sagte die Expertin im Gespräch mit der "Financial Times". Man habe einen rascheren Aufschwung erwartet.
Grobe Mängel in der Versorgung
Diese Entwicklung legt jedenfalls nahe, dass die Probleme der südafrikanischen Volkswirtschaft über die temporären Streiks hinaus gehen, und, wie findige Ökonomen gerne formulieren, "struktureller Natur" sind. Zwar ist es bemerkenswert, dass auch nach Beendigung des Streiks die Bergbauproduktion im dritten Jahresviertel weiterhin gesunken ist. Die Ursachen für die gedämpfte Konjunktur dürften aber tiefer liegen.
Derart argumentiert auch Antoinette Sayeh, Leiterin der Afrika-Abteilung beim Internationalen Währungsfonds (IWF). "Südafrika leidet sowohl am weltweiten Abschwung als auch an hausgemachten Problemen. Die Elektrizität und Versorgungssicherheit reicht einfach nicht aus, um nachhaltig höheres Wachstum zu erzielen", sagte sie im Rahmen einer im Oktober abgehaltenen Pressekonferenz. "Das beeinträchtigt die Wachstumsaussichten".
Hinzu kämen dann noch wiederholte Interessenkonflikte in der Industrie, wie die monatelangen Streiks im Frühjahr, die immer wieder die Wirtschaft belasten, meint Sayeh. Für Südafrika hat sie eine klare Empfehlung parat: "Alles, was wir in Südafrika derzeit beobachten können, unterstreicht nur die Notwendigkeit, die strukturellen Reformen zu beschleunigen". Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen müssten jetzt "Arbeits- und Produktmarktreformen" angegangen werden.
Was Sayeh nicht erwähnt, aber die Aussichten Südafrikas zusätzlich trübt, ist die auf ein Zehn-Jahres-Hoch gekletterte Arbeitslosigkeit. Ein Viertel der arbeitssuchenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter findet keinen Job. Auf diesem Niveau entsteht natürlich eine gewaltige Output-Lücke, die die Konjunkturschwäche zusätzlich erklärt. Der IWF geht heuer von einem Plus von 1,4 Prozent aus.