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Beitrag vom 30.03.2014

Handelsblatt

JACOB ZUMA
Der Sonnenkönig von Nkandla

Steuergelder fürs Privathaus, Korruptionsvorwürfe: Südafrikas Präsident Jacob Zuma steht erneut im Zentrum eines Skandals. Bald wird gewählt - doch Zuma scheint davonzukommen. Wieder einmal.

von Wolfgang Drechsler

Kapstadt
Der Mann ist offenbar in seinem Element: Mit offenem Hemdkragen und einem breiten Grinsen im Gesicht schwingt Jacob Zuma, umgeben von ein paar leicht bekleideten Tänzerinnen, kräftig die Hüften zur Musik. Wenig später noch eine kurze Rede: Klar gäbe es wirtschaftlich ein paar Herausforderungen, und auch parteiintern gelegentlich etwas Zwist - wie in jeder Demokratie. Aber von einer Krise will der 71-Jährige nichts wissen. Davon sprächen immer nur die, die alles schlecht reden wollten. Sein Land sei auf dem richtigen Weg.
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Jakob Zuma steckt mitten im Wahlkampf: Am 7. Mai werden die Menschen am Kap einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament bestimmen - genau 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid und den ersten freien Wahlen, die Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes machten. Nun ist Zuma Spitzenkandidat des seitdem ununterbrochen regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), dessen Sieg auch diesmal schon deshalb garantiert ist, weil die frühere Widerstandsbewegung noch immer von der Aura des Befreiers, aber auch vom großen Namen des südafrikanischen Gründervaters zehrt.

Nichts deutet bei Zumas Auftritten in diesen Tagen darauf hin, dass die südafrikanische Ombudsfrau Thuli Madonsela gerade erst einen 400 Seiten langen Untersuchungsbericht vorgelegt hat, der Zuma noch schwer in Bedrängnis bringen und ihm womöglich sogar die Präsidentschaft kosten könnte. In dem Bericht wird minutiös belegt, dass Zuma und seine weitläufige Familie, darunter vier Ehefrauen, beim Ausbau seines Privatanwesens auf "unethische" Weise massiv von Steuergeldern profitiert haben: Sagenhafte 246 Millionen Rand (17 Millionen Euro) sind dem Bericht zufolge in den letzten fünf Jahren illegal in die Residenz des Präsidenten in dem kleinen Zuludorf Nkandla geflossen, während drum herum 14.000 Menschen in bitterster Armut leben.

Aus dem früheren Wohnhaus Zumas sind seit 2009 viele neue Häuser für seine Verwandtschaft und das Sicherheitspersonal geworden. Und der ehemalige Kraal ist zu einem gigantischen Sicherheitstrakt mit Bunkern, Fluchtlichtmasten, Hochsicherheitszäunen und Hubschrauberlandeplatz mutiert.

Merkwürdig nur, dass in Nkandla auch ein Rinderstall, ein Hühnerverschlag, ein Amphitheater und ein Besucherzentrum mit Kiosk als sicherheitsrelevant gelten. In dem Versuch, die völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten irgendwie zu rechtfertigen, wurde der neue Swimming Pool von der Polizeichefin prompt zum "Feuerlöschteich" umbenannt. Gerade diese abstrusen Erklärungsversuche haben viele Menschen am Kap aber nur noch mehr empört.

Dabei ist "Nkandla-Gate" unter den vielen Skandalen, die den ANC inzwischen landauf, landab plagen, längst zum Symbol für den unverfrorenen Machtmissbrauch geworden, für den Mandelas Erben im Allgemeinen und Jacob Zuma im Besonderen stehen.

Für Fassungslosigkeit hat unter Beobachtern vor allem das in dem Untersuchungsbericht konstatierte völlige Versagen sämtlicher Kontrollgremien gesorgt - von den zuständigen Ministerien bis zu den Sicherheitskräften. Dabei hatte eine Journalistin, die den Skandal vor fünf Jahren aufdeckte, bei einem Besuch nur kurz auf den Wohnkomplex schauen müssen, um zu sehen, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Von den 2009 genehmigten und bereits sehr üppigen 27 Millionen Rand ist die Summe für den Ausbau und ein paar Verschönerungen des Zuma-Anwesens binnen kurzer Zeit um fast das Zehnfache explodiert, ohne das irgendjemand, schon gar nicht Zuma selbst, etwas davon bemerkt haben will.

Obwohl der Präsident mitten auf der Baustelle lebt, beteuerte er noch vergangenes Jahr vor dem Parlament, nichts von den Dimensionen gewusst und sich deshalb auch nie in die Sache eingemischt zu haben. Vermutlich konnte Zuma selbst kaum fassen, was gleich nebenan alles an schönen Dingen aus dem Boden schoss. Schließlich ist er mit den Staatsfinanzen ebenso freizügig. So wurden die Gehälter der Staatsbeamten binnen vier Jahren fast verdoppelt, was den Haushalt nun schwer belastet.

Dabei war der Ausbau von Nkandla überhaupt nicht nötig: Schließlich unterhält Zuma bereits teure Residenzen in Pretoria, Kapstadt und Durban. Als heimatverbundener Zulu wollte er seine Gäste jedoch auch in seinem Heimatort Nkandla gebührend empfangen, heißt es nun. Man will sich den Aufschrei und die Folgen nicht vorstellen, wenn die deutsche Bundeskanzlerin eine solche Summe ungenehmigt in den Ausbau ihres Privathauses gesteckt hätte. Doch in Südafrika scheint Zuma davonzukommen - wieder einmal.

Allerdings hat er mit der Ombudsfrau eine unerwartet prinzipienfeste und zähe Gegnerin: Im Gegensatz zu den im Sande verlaufenen Untersuchungen der Regierung fordert sie nun von Zuma, einen Großteil der aufgelaufenen Mehrkosten sofort zurückzuzahlen. Auch die Opposition wittert Morgenluft und fordert bereits ein Amtsenthebungsverfahren. Angesichts der satten Zweidrittel-Mehrheit des ANC im südafrikanischen Parlament dürfte dies jedoch kaum größere Erfolgsaussichten haben.

Noch wartet das Land voller Spannung auf eine adäquate Reaktion des ANC und seines Präsidenten. Bislang haben beide den für sie so peinlichen Bericht der Ombudsfrau entweder wie Zuma völlig ignoriert oder seine Bedeutung heruntergespielt, was fünf Wochen vor der Wahl auch wenig überrascht.

Doch genau dies hat vieles eher noch schlimmer gemacht und die Zivilgesellschaft auf den Plan gerufen. "Die Verwicklung des Präsidenten und hoher Minister in den unbefugten Ausbau seines Wohnsitzes zeigt überdeutlich, wie tief die Korruption den ANC durchdrungen hat - von den ganz normalen Amtsträgern in den Kommunen bis hinauf an die Spitze der Organisation", konstatiert John Kane Berman vom renommierten SA Institute of Race Relations. Korruption und Verschwendung seien inzwischen fest im System verankert.

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Selbst langjährige ANC-Veteranen wie Ex-Präsident Thabo Mbeki scheinen diese Einschätzung zu teilen: Nkandla verstärke bei ihm die Sorge um die Zukunft des Landes, aber auch die Art und Weise, wie die südafrikanische Gesellschaft geführt werde, sagte Mbeki, der vor sechs Jahren in einer Palastrevolte von Zuma aus dem Amt gedrängt wurde.

Auch Corruption Watch, eine unabhängige Organisation, ging kürzlich der Frage nach, wie die Korruption in Südafrika derart aus dem Ruder laufen konnte. Dazu wurde auf der Website der Organisation ein Index veröffentlicht, der zeigt, dass Südafrika in puncto Korruption im globalen Vergleich in den letzten zwölf Jahren um sage und schreibe 30 Plätze auf Rang 72 unter 175 Ländern zurückgefallen ist - besonders schnell und heftig während der Präsidentschaft von Jacob Zuma seit 2009.