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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 13.08.2013

Zeit Online

Uganda: Entwicklungshilfe à la Niebel

Werte seien die Basis seiner Politik, sagt der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel oft. Jetzt setzt er eine Menschenrechtsgruppe unter Druck.

Von: Alexandra Endres

Der Minister war diplomatisch im Ton, aber hart in der Sache. Dirk Niebel schrieb an Ute Hausmann, die Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation Fian. Offenbar wollte er die Interessen eines deutschen Unternehmens im Ausland schützen. Niebel sorgte sich um die Kaweri-Kaffeeplantage in Uganda, die zur Hamburger Neumann Kaffee Gruppe gehört.

Die Farm sei die größte deutsche Investition in dem ostafrikanischen Land, schrieb Niebel. Sie habe "die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Bundesregierung". Fian aber führe eine schädliche Kampagne gegen den Betrieb.

"Nach vertiefter Prüfung des Sachverhalts bin ich zu der Einschätzung gelangt, dass die fortwährende Kampagne, die Sie gegen die angesehene Neumann Kaffee Gruppe führen, unangemessen und unberechtigt ist", kritisierte der Minister. Seine Gespräche "mit hochrangigen Regierungsvertretern in Uganda" hätten ergeben, dass Fians Vorwürfe gegen Neumann "nicht nur dem Unternehmen, sondern der ugandischen Kaffeewirtschaft insgesamt erhebliche Nachteile bringen". Ganz besonders betroffen seien davon die Kleinbauern.

Der Brief endete mit einer deutlichen Aufforderung: "Da Sie in meinem Wahlkreis ansässig sind, möchte ich Sie aus entwicklungspolitischer Sicht bitten, Ihre Darstellung des Falles zu überdenken und die Gesamtsituation in Uganda nicht noch weiter zu verschärfen."

Menschenrechte "Voraussetzung für Zusammenarbeit"

Niebels Schreiben, datiert auf den 25. Juni, liegt ZEIT ONLINE vor. Knapp vier Wochen zuvor war der Minister aus Uganda zurückgekehrt, wo er mit der Regierung über die künftige Zusammenarbeit gesprochen hatte. Man hatte gemeinsame Projekte im Wert von 120 Millionen Euro vereinbart und auch über die Menschenrechte im Land gesprochen. Deren Einhaltung sei "eine zentrale Voraussetzung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit", hatte das Ministerium noch während der Ministerreise mitgeteilt.

Wenig später setzte Niebel Ute Hausmann unter Druck - ohne sich je zuvor bei ihr nach der Kaweri-Plantage erkundigt zu haben, wie sie sagt. Dabei geht es auch in diesem Fall um schwere Menschenrechtsverletzungen. Für den Kaffeeanbau wurden Menschen von ihrem Land vertrieben und ihrer Habe beraubt.

Der Streit darüber dauert schon seit zwölf Jahren an. Die Beteiligten sind: Ein deutsches Unternehmen, das in Uganda Kaffee produzieren möchte: die Neumann Kaffee Gruppe mit ihrem Tochterunternehmen Kaweri. Siedler, die auf dem für die Kaweri-Plantage vorgesehenen Land lebten. Ugandas Armee, eine Investitionsbehörde, die im Ausland für Uganda wirbt, weitere Regierungsvertreter und die Justiz. Daneben die deutsche Sektion einer Menschenrechtsgruppe, die sich für das Recht auf Nahrung einsetzt und an die Vereinten Nationen berichtet: Fian. Deutsche Politiker, Botschafts- und Ministerialbeamte - und jetzt auch Entwicklungsminister Niebel.

Im Jahr 2001 leaste die Neumann Kaffee Gruppe 2.512 Hektar Land im ugandischen Distrikt Mubende. Kurz zuvor hatte der ugandische Staat den Boden von einem Privatmann erworben. Jetzt sollte Neumann auf 99 Jahre das Recht erhalten, hier Kaffee anzupflanzen. Die Firma plante eine Modellfarm für nachhaltigen Kaffeeanbau, "auch zum Wohl der umgebenden Gemeinden". Doch sie stellte eine entscheidende Bedingung: Man wollte die Fläche nur dann leasen, wenn sie frei von etwaigen konkurrierenden Nutzungsansprüchen sei.

Damit Neumann investieren konnte, verjagte die Armee im August 2001 die Siedler. Neumann erklärt, das Unternehmen treffe daran keine Schuld. Wenige Tage später wurde die Kaweri-Plantage eingeweiht. Zum feierlichen Spatenstich kamen der ugandische Präsident Yoweri Museveni und Neumann-Geschäftsführer Michael R. Neumann.

Bis heute wird gerichtlich darum gestritten, wer für die Gewalt zur Verantwortung zu ziehen sei: Die Neumann Kaffee Gruppe? Die ugandischen Behörden? Der Vorbesitzer? Mehr als 2.000 Vertriebene fordern eine Entschädigung. Doch wie viele Menschen tatsächlich vertrieben wurden, ob rund 4.000 wie Fian behauptet oder weit weniger, wie Neumann sagt, ob sie bereits entschädigt wurden oder nicht, lässt sich kaum mehr nachvollziehen.

Fian zufolge wurden insgesamt vier Dörfer gewaltsam geräumt. Mehr als 400 Familien hätten dadurch Obdach und Habe verloren. Seither könnten die Menschen sich nicht mehr ausreichend ernähren und hätten auch keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser. Weder seien die Dorfbewohner um ihre Zustimmung zur neuen Kaffeeplantage gebeten worden, sagt Fian, noch habe man ihnen eine angemessene Entschädigung gewährt.

Millionen für die Vertriebenen?

Die Neumann-Gruppe wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es habe sehr wohl Verhandlungen mit den Kleinbauern über eine Umsiedlung gegeben, teilt sie mit - nur eben durch die Vorbesitzer und die ugandischen Behörden. Die meisten Familien seien entschädigt worden, nur ein kleiner Teil wurde gewaltsam verjagt. "All dies geschah ohne Kenntnis von (Neumann oder unserer Tochterfirma) Kaweri und vor Unterzeichnung des Pachtvertrags", heißt es in einer Mitteilung der Firma.

So steht Aussage gegen Aussage. Wenn Fian dem Unternehmen vorwirft, auch Land jenseits der offiziell gepachteten Fläche zu beanspruchen, bestreitet Neumann das. Wenn Fian mitteilt, die Kinder der Vertriebenen könnten nicht mehr regelmäßig zur Schule gehen, dann berichtet Neumann von neu gebauten Schulen und Trinkwasserleitungen. Wenn Fian sich über mangelnde Gesprächsbereitschaft auf Seiten des Unternehmens beschwert, kontert Neumann mit dem gleichen Vorwurf.

Alle Versuche, den Streit außergerichtlich beizulegen, sind bislang gescheitert. Und es sieht so aus, als ob der Konflikt noch lange andauern könnte: Zwar hat ein Gericht in Kampala den Vertriebenen vor wenigen Monaten eine Entschädigung in Höhe von rund elf Millionen Euro zugesprochen. Aber Neumann hat Berufung gegen das Urteil angekündigt.

Aus Sicht des Unternehmens sind allein die ugandischen Behörden für den Entschädigungsstreit zuständig. Mehrmals habe man mit Vertretern der ugandischen Regierung über den Fall gesprochen, teilt Neumann mit - nur um immer wieder zu hören, er sei eine interne Angelegenheit, in die sich ein ausländisches Unternehmen nicht einmischen solle. An die deutsche Botschaft in Kampala schrieb die ugandische Regierung vor neun Jahren: Alle Vorwürfe gegen Neumann seien grundlos. Das Land gehöre dem Staat Uganda, und der Vorbesitzer habe die Siedler vollauf entschädigt - "eine Übung, die von der ugandischen Investitionsbehörde überwacht wurde".

Schon einmal, im August 2009, haben zwei deutsche Bundestagsabgeordnete versucht, in dem unendlichen Streit zu vermitteln: Herta Däubler-Gmelin (SPD), damals Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, und der Grünen-Politiker und Vorsitzender des Entwicklungsausschusses Thilo Hoppe. Er sagt heute, sein Eindruck damals sei gewesen, "dass der größte Widerstand von Seiten der ugandischen Regierung kam". Neumann "wäre vielleicht sogar bereit gewesen, die Leute zu entschädigen". Doch die ugandische Investitionsbehörde habe sich gesperrt. "Man hatte Sorge, dass andere Investoren abgeschreckt werden."

Dabei seien die Vertreibungen unbestritten, sagt Hoppe. "Die Vorwürfe sind ernst zu nehmen. Und es wäre der Job des Entwicklungsministers gewesen, in dem Streit zu vermitteln, statt Partei zu ergreifen."

Freispruch durch den Minister

Doch Niebel spricht durch seinen Brief die Neumann Kaffee Gruppe so gut wie frei von allen Vorwürfen. In dem Schreiben beruft er sich auf einen Beschluss der Nationalen Kontaktstelle (NKS) der OECD in Deutschland aus dem Jahr 2011. Die NKS ist ein Gremium, das vermitteln soll, wenn deutschen Investoren im Ausland unverantwortliches Handeln vorgeworfen wird. Am 30. März 2011 erklärte sie, Neumann habe im Fall Kaweri "die wesentlichen Forderungen der Beschwerdeführer zwischenzeitlich erfüllt", und Fian solle das Unternehmen deshalb nicht mehr öffentlich angreifen - die gleiche Forderung erhebt der Minister nun in seinem Schreiben an Ute Hausmann.

Im Entwicklungsministerium versucht man inzwischen, die Bedeutung des Briefs herunterzuspielen. Niebel bezweifle nicht die Legitimität der Fian-Kampagne, erklärt ein Sprecher. "Er weist nur darauf hin, dass sie unerwünschte Effekte haben kann." Etwa indem sie wirtschaftliche Entwicklung bremse. Im übrigen sei es Sache der ugandischen Gerichte, über den Fall zu befinden. Niebel selbst sagt dazu: "Arbeitsplätze sind für Menschen in Entwicklungsländern eine entscheidende Voraussetzung, um ihre eigenen Freiheitsrechte zu verwirklichen." Es sei fahrlässig, Entwicklung gegen Menschenrechte auszuspielen.

Gefahr für die Vertriebenen

Fian-Geschäftsführerin Hausmann sieht das naturgemäß anders. Der Minister betone so häufig, dass er Werte über politische oder wirtschaftliche Interessen stelle. "Das hätte er auch in diesem Fall tun müssen." Niebels Brief könne eine falsche Botschaft aussenden, fürchtet sie. "Wenn die ugandische Regierung das Signal erhält, dass sie zu Recht versucht, die Vertriebenen nicht zu Wort kommen zu lassen, kann das gefährlich für die Menschen sein", sagt sie. Schon jetzt sei die Sicherheitslage der Vertriebenen "bedenklich".

Sie wünscht sich eine schnelle Einigung mit Neumann und den ugandischen Behörden. "So oder so kommt irgendwann einmal der Zeitpunkt, an dem man sich an einen Tisch setzen muss."

Vor Kurzem hat Hausmann auf Niebels Post geantwortet und ein klärendes Gespräch angeboten. Eine direkte Antwort erwartet sie nicht. Deshalb geht Fian nun an die Öffentlichkeit. Hausmann sagt: "Wir hoffen, dass Dirk Niebel dann die andere Seite zur Kenntnis nimmt und sich mit unseren Argumenten auseinandersetzt, statt uns einzuschüchtern."