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Beitrag vom 19.08.2010

FAZ

Wildwest in Südafrika
Mandela-Enkel mit maroder Goldmine

Aurora, das Unternehmen eines Enkels von Nelson Mandela und eines Neffen von Staatspräsident Zuma, sorgt für Wirbel. Erst ging das Geld aus, dann kam es auch noch zu einer Schießerei.

Von Claudia Bröll, Johannesburg

Ein Drehbuchautor hätte sich die Zutaten für diese Geschichte kaum besser ausdenken können: eine marode Goldmine in Südafrika, Mitglieder aus den prominentesten Politikerfamilien, ein beispielloses unternehmerisches Debakel und eine wilde Schießerei unter Tage. Bis vor gut einem Jahr kannte kaum jemand das Unternehmen Aurora Empowerment System, heute spricht ganz Südafrika darüber. Es geht um Selbstüberschätzung, Missmanagement und die Suche nach fehlenden Millionen. Vor allem aber geht es um die Macht politischer Beziehungen in Südafrikas Wirtschaftsleben.
Der Geschäftsführer von Aurora heißt Zondwa Mandela und ist der Enkel des früheren Freiheitskämpfers und Staatspräsidenten Nelson Mandela. Den Posten des Chairmans hat Khulubuse Zuma inne. Er ist der Neffe des amtierenden Staatspräsidenten Jacob Zuma. Ihre Geschäftsidee war zu Beginn gar nicht so schlecht. Zuma und Mandela gründeten Aurora, um kleine heruntergewirtschaftete Bergwerke zu sanieren und danach an die Börse zu bringen.
Keinerlei Erfahrung im Bergbau
Im Oktober vergangenen Jahres übernahmen sie von der zahlungsunfähigen Firma Pamodzi die Grootvlei-Mine in Springs, 50 Kilometer östlich von Johannesburg gelegen, sowie eine weitere Mine. Bei vielen in der Branche stieß dies auf großes Erstaunen, denn Mandela und Zuma hatten keinerlei Erfahrung im Bergbau. Zuma hatte sein Vermögen unter anderem mit einem Taxiunternehmen gemacht, der 27 Jahre alte Mandela-Enkel konnte an akademischer Qualifikation lediglich einen Marketing-Kurs an einer Fernuniversität vorweisen. Noch dazu stand die Finanzierung auf einem wackligen Fundament.
Aber die Amateure hatten ihre Nachnamen. Entsprechend selbstbewusst gaben sie sich. "Wir wollen zu den großen Spielern im Rohstoffsektor gehören - nicht nur in Südafrika, sondern in ganz Afrika", sagte Mandela zu Beginn dieses Jahres im Gespräch mit dieser Zeitung. Er beteuerte, wie es sich für den Verwandten eines Freiheitskämpfers gebührt, dass er nicht von der Aussicht auf Geld getrieben werde. Vielmehr sei es sein Ziel, nachhaltig erfolgreiche Unternehmen zu schaffen, die Arbeitsplätze bereitstellten.
Tausende Liter hochgiftiges Wasser
Die heutige Realität in der Grootvlei-Mine könnte kaum gegensätzlicher sein. Statt einer Sanierung erlebte das Bergwerk einen rasanten Niedergang. Als der ursprüngliche Partner von Aurora, die malaysische Fondsgesellschaft AM Equity, in letzter Minute absprang, geriet die Gesellschaft in Finanzierungsnöte. Als Erstes bekamen dies die mehr als 2000 Minenarbeiter zu spüren, die bis heute auf ihren vollen Lohn warten und monatelang überhaupt nicht bezahlt wurden. Ihr Protest entlud sich in Streiks und Demonstrationen, bei denen Gummigeschosse der Polizei flogen. Kurze Zeit später drehte der Versorger Eskom den Strom ab. Aurora musste den Minenbetrieb einstellen. Dann weitete sich die Unternehmenskrise auch noch zu einem Umweltskandal aus. Täglich flossen Tausende Liter hochgiftiges säurehaltiges Wasser aus der Mine. Die zuständige Behörde leitete strafrechtliche Ermittlungen ein.
Welche anarchischen Szenen sich in der Mine abspielten, wurde Ende vergangener Woche deutlich. Die Zeitung "Sowetan" enthüllte, dass Sicherheitskräfte in einem Kilometer Tiefe kaltblütig auf illegale Goldschürfer geschossen hätten. Vier Männer starben. Angeblich wollten die Sicherheitsleute die Leichen in dem Stollen liegen lassen. Doch dann alarmierte einer der Überlebenden die Polizei. "Wir können uns doch nicht hinknien und beten, wenn Leute Gold stehlen; wir müssen unseren Besitz schützen", rechtfertigte sich Thulani Ngubane, einer der Direktoren. Die Goldgräber, darunter auch reguläre Minenarbeiter, seien außerdem schwer bewaffnet gewesen.
Der "schlimme Brad" aus dem Big-Brother-Haus
Aurora hatte die Überwachung der Grootvlei-Mine unter anderem einem Mann überlassen, der Südafrikas Fernsehzuschauern als "Bad Brad" aus einer Big-Brother-Staffel bekannt ist. Der "schlimme Brad", dessen Sicherheitsfirma angeblich Meg Ryan, John Travolta und die Spice Girls beschützt haben soll, ist schon mehrmals wegen Schießereien festgenommen worden.
Trotz des Entsetzens in der Öffentlichkeit über das Minen-Massaker haben Zuma und Mandela die Ereignisse bisher nicht aus der Ruhe gebracht. Ihr Tatendrang ist ungebremst und ihr Optimismus ungetrübt. Ihren Angaben zufolge ist mittlerweile ein Kapitalgeber aus der Schweiz gefunden worden, der die nötige Finanzierung zugesichert habe. In Kürze könne die Grootvlei-Mine wieder in Betrieb gehen. Auch die Börsennotierung ihrer Minenbeteiligungen haben sie noch fest im Visier.
"Ich öffne keine Türen, ich breche einfach durch die Wand"
Zuma, der vor kurzem im Rolls Royce gesichtet wurde, hat derweil emsig weitere Geschäfte in Asien und in Afrika angebahnt. Zeitungsberichten zufolge ist er neben Aurora in 26 weiteren Unternehmen involviert - ein Paradebeispiel für die neue schwarze Oberschicht in Südafrika, die wie in anderen Schwellenländern auch ihre wirtschaftliche Macht sukzessive ausbaut und sich von der Realität, in der die Mehrheit der Bevölkerung lebt, längst verabschiedet hat. Doch die beiden Unternehmer weisen den Vorwurf, ihre Zugehörigkeit zu den mächtigsten Familien des Landes auszunutzen, weiterhin vehement zurück. "Ich kann auch nichts dafür, dass ich aus einer politischen Familie stamme", sagte der 40 Jahre alte Zuma. "Wenn man mich fragt, wer mir die Türen öffnet, ist meine Antwort immer gleich: Ich öffne keine Türen, ich breche einfach durch die Wand. Dann bin ich schon drin, wenn andere erst aufwachen."