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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 16.06.2009

Kölner Stadtanzeiger
Eine Abrechnung mit den afrikanischen Eliten
Moeletsi Mbeki, Bruder des früher südafrikanischen Präsidenten, beschreibt ungeschminkt die Gründe für Reichtum und Armut auf dem Kontinent.
VON FRANK RÄTHER

Johannesburg - Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich in Afrika unbeliebt zu machen. Eine davon ist ein enthüllendes Buch zu schreiben. Eine andere, die herrschende schwarze Elite für die Unterentwicklung des Kontinents anstatt der Weißen verantwortlich zu machen. Und wieder eine andere, den ganzen Mechanismus tief greifender Korruption aufzuzeigen.
Moeletsi Mbeki (63) hat all dies getan. Sein jetzt erschienenes Buch "Architekten der Armut" ist Analyse und Anklage zugleich. So weist der südafrikanische Politikwissenschaftler und jüngere Bruder des einstigen Präsidenten Thabo Mbeki nach, dass sich die nach der Unabhängigkeit in den afrikanischen Ländern herausgebildete einheimische Elite kräftig am Reichtum ihrer Länder zum persönlichen Nutzen bedienten.
Dort, wo die Landwirtschaft dominierte, so schreibt Moeletsi Mbeki, wurden staatliche Marketingverbände geschaffen. Deren Ziel war nichts anderes, als den Bauern den Profit zu nehmen. Die Bauern durften ihre Produkte wie Kakao, Tee, Mais und anderes nicht selbständig international verkaufen, sondern zu festgelegten - und deutlich niedrigeren - Preisen an diese Marketingverbände. So wurden die Landbewohner, die im Durchschnitt 80 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, weiterhin in Abhängigkeit vom Staat gehalten und die Gewinne andererseits als Quelle des Reichtums für die Elite verwendet.
Ausländischen Unternehmen wiederum wurde zu verstehen gegeben, dass sie nur mit beträchtlichen Abgaben an die Herrschenden weiterhin im Lande tätig sein können.
So entstand ein System der parasitären Bereicherung der politischen Führungskaste, die diese Mittel sowohl für das eigene Luxusleben verwendet als auch durch Weitergabe von Geldern an andere ihre Macht sichert.
Im wirtschaftlich entwickelten Südafrika wurde nach dem Ende der Apartheid ein anderer Weg der Bereicherung beschritten, schreibt Mbeki. Die weißen Unternehmen hier hatten Angst vor der Nationalisierung, die der an die Macht gekommene Afrikanische Nationalkongress (ANC) in seinem Parteiprogramm angekündigt hatte. Und so kauften sie sich regelrecht einflussreiche Politiker des ANC, indem sie sie an ihren Unternehmen beteiligten. Diese Politik wurde Black Economic Empowerment (BEE) genannt. Doch anstelle einer breiten Beteiligung von Schwarzen an der Wirtschaft des Landes entstand lediglich eine relativ kleine Elite, die über Nacht reich wurde. Mbeki nennt sie "eine kleine Klasse unproduktiver, aber wohlhabender schwarzer Kapitalisten aus den Reihen der ANC-Politiker".
Die Unternehmen profitierten dadurch auf zweierlei Weise. Einerseits war nun der regierende ANC an einer ökonomischen Politik interessiert, die sich mit den Auffassungen der weißen Unternehmer deckte. Andererseits bekamen sie durch die BEE-Beteiligungen, die bald auch per Gesetz für alle Branchen festgeschrieben wurde, Zugang zu lukrativen Regierungsaufträgen.
Damit die außen vor gelassene arme Bevölkerung und das große Heer der Arbeitslosen nicht rebelliert, meint Mbeki, wurde ein umfangreiches System staatlicher Sozialleistungen eingeführt. Der ANC erweckt so den Eindruck, dass er für die Armen sorgt, ohne aber ihnen wirkliche Möglichkeiten einer selbständigen Entwicklung zu gewähren.
Moeletsi Mbeki führt in seinem Buch sehr konkrete Beispiele an, wie das alles funktioniert. Nach seiner Auffassung ist die Bereicherung der politischen Oberschicht der Hauptgrund für die Unterentwicklung Afrikas. Denn sie hat lediglich Interesse am eigenen Wohlleben.
Dabei könnte der mit Rohstoffen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen gesegnete Kontinent sich aus eigener Kraft sehr gut entwickeln. Dazu aber müsse endlich die breite Beteiligung selbständiger Bauern und Unternehmer ermöglicht werden. Mit den herrschenden Eliten in
Afrika dürfte Mbeki sich damit wohl deutlich verdorben haben.