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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 23.04.2009

Rheinischer Merkur
Geschenkt ist noch zu teuer
VON RUPERT NEUDECK

Selbstständigkeit nützt armen Staaten mehr als symbolisches Mäzenatentum. Deutschland sollte sich auf die Unterstützung von vier Ländern beschränken.

Die chinesische Expansion nach Afrika hat alles, was die europäisch-atlantische Entwicklungshilfe selten gewesen ist. Sie ist wirtschafts-, das heißt profitorientiert, interessenbewusst, effektiv und schnell. Sie verdient deshalb auch kaum den heruntergekommenen Titel Entwicklungspolitik, der sich nicht einmal als Titel retten lässt. Kein anderer Kontinent, so macht China klar, ist so wichtig für das Reich der Mitte wie der rohstoffreiche Schwarze Kontinent. Vom Jahr 2000 bis 2008 hat sich das Handelsvolumen zwischen China und Afrika um das Fünffache auf über 50 Milliarden US-Dollar erhöht. 2010 soll es 100 Milliarden Dollar überschreiten.

Die Chinesen, das sind nicht nur Berater und höchstbezahlte Experten, sondern auch kleine Leute, die in großer Zahl überall wieselflink investieren und sich im Makro- wie im Mikrobereich der afrikanischen Volkswirtschaften bewegen. In jedem Fall ist es ihre Schnelligkeit, die den Europäern den Atem raubt. Und zugegeben: Es sind natürlich auch viele hässliche Seiten, wie etwa die Tatsache, dass Menschenrechtsstandards die Chinesen nicht interessieren.

Dagegen hat sich die europäische Hilfe und auch die der Vereinten Nationen auf das Langfristige und die Verstetigung eingelassen. Es gibt aber im Leben der Völker Situationen, da ist schnelle Hilfe notwendig. Der Präsident des westafrikanischen Staates Senegal kam nach Berlin und berichtete der Bundeskanzlerin: "Wenn die Chinesen kommen und versprechen mir den Ausbau des Hafens Dakar, habe ich innerhalb eines Jahres den Hafen. Wenn die EU kommt mit einer ganzen Prüfkommission, dann bekomme ich in sieben Jahren eine Studie, und ob ich dann den ausgebauten Hafen jemals sehe, steht in den Sternen."

Bataillone von Beratern

Geldgeschenke und Überweisungen haben die Entwicklungshilfe kaputt gemacht. Kein Mensch, kein Volk, keine Kultur auf der Welt glaubt denen, die reine Geschenke machen. "Quidquid id est, timeo Danaos, et dona ferentes", hieß es bei Vergil. "Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen." Geschenke sind also nie rein.

Es hat sich aber eine Ideologie entwickelt, die so etwas wie der umgedrehte Kolonialimpuls ist: Wir müssen durch die allerbesten Verträge mit souveränen Regierungen den Völkern zeigen, wie sie ihre Nation und ihren Staat zu bilden haben. Dazu brauchen wir riesige Bataillone von Beratern, von Beobachtern, von Consultants, die untereinander alle große Geschäfte machen und auch bestens verdienen. Die aber nicht das Interesse haben, sich überflüssig zu machen.

Dadurch ist Subsidiarität sträflich vernachlässigt worden. Nur wenn diese Staaten sich selbst aus dem Sumpf ziehen wollen, kann überhaupt eine Assistenz von außen hilfreich sein. Ist das im Ziel nicht der Fall, ist das Unternehmen Entwicklungshilfe nicht im geringsten sinnvoll.

Ein Grundübel findet sich in der Entwicklungspolitik, bei uns Entwicklungshelfern und in den Vereinten Nationen insgesamt: Sie alle müssen auf Dauer keine Ergebnisse und Resultate produzieren. Wenn die Vereinten Nationen etwas unter Verwendung wertvoller Steuergelder nicht hinkriegen, macht das nichts. Dann bekommen sie sie noch mal fünf oder zehn Jahre zugewiesen, und sie erhalten eben neue Mittel und Gelegenheit, etwas zu verbessern. Viele Größtinvestitionen der UN-Hilfe - die ebenfalls von unseren Ministerien für Entwicklungshilfe stark alimentiert wurden - waren dauerhafte Nothilfemaßnahmen. Nach allen Regeln der politischen und wirtschaftlichen Vernunft hätten die Geber nach ein bis zwei Jahren Druck machen müssen. Das ist nie geschehen.

Alles, was bisher gedacht wurde, hilft den Ländern nicht, sich weiterzuentwickeln. Notwendig ist daher eine europäische oder auch nationale Anstrengung. Der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Günter Nooke, beschreibt sie so: "Entwicklungspolitik hat wie jede Politik, die ernst gemeint ist und erfolgreich sein will, mit Macht und Einflussnahme zu tun. Wer helfen will, muss Einfluss nehmen."

Deshalb sollte die Regierung versuchen, mit nur wenigen Ländern sehr enge Beziehungen aufzunehmen. China hat die wirtschaftliche und politische Kraft, mit über 40 Ländern gleichzeitig Beziehungen aufzunehmen. Für ein Land wie Deutschland wären fünf Länder genug, vier wären noch besser.

Diese Beziehung müsste sich dann aber auf alle Gebiete erstrecken. Das bedeutet auch, dass die Regierungen in Entwicklungsländern zu einer ganz anderen Form der Zusammenarbeit verpflichtet werden müssen. Sehr lohnend ist diesbezüglich der Bestseller "After the Party: A Personal and Political Journey inside the ANC" von Andrew Feinstein, einem ehemaligen Abgeordneten des südafrikanischen Parlaments. Feinstein macht eindrucksvoll klar: Bestechung und Korruption müssen verboten werden. Eine Firma, die besticht, muss mit Sanktionen rechnen. Entwicklungspolitik kann das einfordern.

Zehn Vorschläge zur Besserung

Die Regeln müssten so klar gefasst, die Zusammenarbeit so innig sein, dass ein Land wirklich zur Fundgrube für Investitionen wird. Im Afrika der Gegenwart ist dies aber bisher nirgendwo der Fall. Folgende zehn Imperative für die deutsche Regierungspolitik könnten daran etwas ändern:

- Das Europäische der Entwicklungspolitik in Afrika besteht in der Aufteilung des Kontinent und der Vermeidung unliebsamer Konkurrenz.

- Geld und Budgets sind nicht alles, es geht um kulturelle Kontakte, um Kontakte von Künstlern, Dichtern, Ärzten und Medizinmännern, Priestern und Heilern.

- Die entscheidende Wegmarke ist die Wirtschaft. Jedes afrikanische Land muss begierig sein, sich eine industrielle Produktion und Großbaustellen zuzulegen, auf denen Tausende arbeiten können. Dafür muss es Kredite geben - abseits der üblichen Geldgeschenke.

- Diese Staaten sollten alle ein Berufsausbildungs-Curriculum haben und die Ausbildung nach der Priorität praktischer Arbeit durchziehen. So lässt sich die afrikanische Krankheit vermeiden: Afrikaner, die das Glück haben, eine weiterführende Schule zu besuchen, halten sich für unfähig, eines Tages wieder einen Hammer in die Hand zu nehmen und noch etwas weiter zu lernen. Das ist ein Grund, weshalb es die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Botschafter und Diplomaten in Berlin für unter ihrer Würde hält, Deutsch zu lernen.

- Es sollte mit jeder Form der Budgethilfe aufgehört werden. Hilfszahlungen für den Staatshaushalt verewigt die Abhängigkeit afrikanischer Länder. Sie ist ein Abonnement, auf das ein Staat meint bestehen zu können. Er verzichtet darauf, aus eigener Kraft Einnahmen zu erzielen, weil er das Geld auch regelmäßig geschenkt bekommt.

- Die entscheidenden Aufgaben müssen die Afrikaner selbst lösen: Sie müssen ihre Institutionen selbst entwickeln, sie müssen langsam den Rechts- und Sozialstaat aufbauen, sie müssen Mikrokreditbanken à la Mohammed Junus' Grameen Bank in ihren Dörfern aufbauen und darin eine Priorität des Staates- und Wirtschaftsaufbaus sehen.

- Um die rasend wachsende Zahl von Jugendlichen mit Arbeit zu bedenken, sind Großprojekte wie der Bau von Straßen, Eisenbahnen, Brücken und Staudämmen erforderlich. Sie können nur mit den Händen von Tausenden junger Leute errichtet werden, die abends dann noch etwas zusätzliche Ausbildung genießen in den Großzelten, die für diese wandernden Arbeiter notwendig sind.

- In jedem der vier oder fünf Länder, in denen sich Deutschland engagiert, muss es zusätzlich zu dem deutschen Botschafter einen Staatssekretär geben, der ausdrücklich nur für die Entwicklung und Entfaltung der Partnerarbeiten in dem Partnerland zuständig ist. Angefangen werden sollte damit mit den drei Ländern, in denen die deutsche Regierung und die deutsche Gesellschaft bereit sind, gemeinsam Hand anzulegen.

- Entwicklungspolitik in Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu messen ist ebenso großer Unsinn wie die Verzehnfachung der Milliarden für die ärmsten Länder Afrikas, wie es die Sänger Bob Geldof, Campino, Bono und Herbert Grönemeyer, aber auch Tony Blair fordern. Vielmehr wird es darum gehen, dass die Regierungen Afrikas sich selbst auf die Hinterbeine setzen und ein Budget aufstellen, das die Einnahmen auf die fortschrittsweisenden und produzierenden Sektoren verteilt: Schulbildung, Berufsausbildung, Gesundheitsvorsorge durch den Aufbau von Dorfambulanzen, Straßen, Verkehrsinfrastruktur. Der blühende und Steuergelder vergeudende Unfug, dass ein steinreiches Ölland wie Angola sich nicht für zuständig hält, die eigene ländliche Verkehrs- und Wirtschaftsinfrastruktur aufzubauen, sondern dies der Europäischen Union überlässt, muss aufhören.

- Und schließlich: Länder mit Ölvorkommen wie Angola, Nigeria, Tschad und Gabun dürfen auf Dauer keinen Pfennig Entwicklungshilfe bekommen.