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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 04.09.2008

Auszüge aus einem Interview mit Prof. Franz Nuscheler, Politologe/Entwicklungsforscher
in HR2 in der Sendung "Der Tag"/"Missbrauch und Verschwendung - Entwicklungshilfe am Pranger"

zum "Bonner Aufruf":

"Ich habe diesen Aufruf nicht unterschrieben - obwohl die Initiatoren meine Freunde sind -, weil es widersprüchlich ist.
Ich stimme der Analyse des Versagens völlig zu. Da steht drin, dass der Norden Afrika nicht entwickeln kann, sondern weil Afrika seine Eigenverantwortlichkeit veräußert hat (?) - einverstanden.
Die zweite Frage ist, dass mehr Geld nicht mehr Entwicklung erzeugt - einverstanden.
Und dann steht drin, als Folgerung daraus: wo immer möglich, weg von staatlichen Partnern hin zu gesellschaftlichen Gruppen - einverstanden. Dahinter steckt auch das Vorbild der Grameen-Bank in Bangladesch.
Aber dann kommt eine Folgerung, die ich nicht unterschreiben konnte: 'Die Entscheidungsbefugnis über bilaterale Entwicklungszusammenarbeit soll auf die deutschen Botschaften übertragen werden.'
Sind denn die Botschaften befähigt, etwa mit den marginalen, ländlichen Armutsgruppen zu kommunizieren? Sie kommunizieren mit Regierungen, mit Bürokratien, aber nicht mit den Gruppen, die Zielgruppen der Entwicklungszusammenarbeit sein sollen."

Nuscheler äußert sich in dem Gespräch auch grundsätzlich zur Entwicklungshilfe und zur umstrittenen "Budgethilfe" im besonderen:

"Die Fähigkeit, das Notwendige zu tun, hat die Entwicklungshilfe Afrika genommen. Deshalb sprach ich schon vor dreißig Jahren vom 'Gift der Entwicklungshilfe'. Wir haben die Länder daran gewöhnt, nach Hilfe zu rufen, statt die eigenen Möglichkeiten, eigene Talente anzustrengen. Diese Art von Entwicklungshilfe gehört gestoppt.
Wir haben den Ländern die Eigenverantwortung genommen. Sie kümmern sich mehr darum, möglichst oben auf der Hungerliste zu stehen, statt sich um die Situation der Kleinbauern zu kümmern.
Das ist die schwerste Hypothek. Wir haben ihnen die Fähigkeit genommen, die eigenen Möglichkeiten zu nutzen, um selbst zu überleben. Und weil wir das getan haben, ist die Entwicklungshilfe ein süßes Gift."

zur Budgethilfe:

"Das deutsche Haushaltsrecht verlangt eine strikte Verwendungskontrolle. Die ist nicht abgeschafft; das ist ein Gerücht. Es werden Programme ausgehandelt zwischen Gebern und Nehmern, und es finden immer Kontrollen statt. Es werden Tranchen ausgezahlt. Und nur wenn die Länder bereit sind, das, was sie versprochen haben, auch umzusetzen, dann kommt das nächste Geld.
Es ist also nicht so, dass hier Geld in private Taschen gescheffelt wird, ohne jede Kontrolle.
Es funktioniert nur dort, wo einigermaßen funktionierende Verwaltungen, Rechtsstrukturen und Korruptionskontrollen da sind. Und das ist leider nur in einem kleinen Teil der Länder so. Aber es gibt solche Länder, wo es funktioniert. Und da bin ich für Budgethilfe - unter Kontrolle.
Es gibt ja inzwischen viele Bewertungen wie im Bertelsmann Transformation Index. Es ist erstaunlich, dass dort unter 25 Ländern immer eine ganze Reihe afrikanischer Länder erscheint, die einigermaßen gut regiert sind. Nicht nur die immer wieder genannten Botswana und Mauritius, sondern auch Ghana, Mali, Benin, Madagaskar."