Beitrag vom 01.09.2008
Manuskript des Berichts von Markus Frenzel "Entwicklungshilfe am Pranger"
in der Sendung FAKT des MDR am 1.9.08
Kibera †der Slum von Nairobi. Die Menschen hausen im Müll. Es gibt kaum Klos, geschweige
denn Duschen. Für die Ärmsten der Armen ließen Entwicklungshelfer mit viel Geld moderne
Häuser bauen. Doch aus Kibera ist hier nie jemand eingezogen. Unmöglich †bei 26 mal so
hohen Mieten. Für den kenianischen Ökonomen James Shikwati †ein Skandal.
Oâ€Ton: James Shikwati
"The housing project behind here took German development money. It had the target to help
the poor, but it helped the rich.â€
"In diesem Wohnungsbauprojekt steckt auch deutsches Entwicklungsgeld drin. Das Ziel war,
den Armen zu helfen. Aber es half den Reichen."
Wie sinnlos deutsche Entwicklungsgelder in Afrika oft ausgegeben werden, müssen Helfer
ständig beobachten.
Höchste Zeit, endlich umzusteuern †fordert jetzt eine einflussreiche Gruppe um Rupert
Neudeck. In einem Brandschreiben sprechen sie Klartext: nach einem halben Jahrhundert ist
unsere Entwicklungspolitik gescheitert.
Oâ€Ton: Rupert Neudeck
"Also die deutsche Entwicklungspolitik hat eigentlich geleistet, dass die Staaten Afrikas die
miserabelsten Regierungen bekommen haben, dass sie korrupte Regierungen bekommen
haben, deren Korruption zum Himmel stinkt. Sie hat es nicht geschafft, die Wirtschaft dieser
Länder zu fördern. Ich habe diese Politik hassen gelernt."
Wir sind im Dorf Katune †im Süd Kenias. Die Bauern können sich selbst versorgen. Sie
pflanzen Kohl, Mais, Tomaten, Bananen an. Trotzdem schickte ihnen die Regierung in Nairobi
im November 2007 Nahrungsmittelhilfe. Mitten im Wahlkampf. Die Bauern sind immer noch
wütend.
Oâ€Ton: Catherine Mbondo
"They give us food to elect them. After that there is nothing.â€
"Die geben uns Essen, damit wir sie wählen. Danach sind sie weg."
Dafür hatte die kenianische Regierung auch Geld der EU zur Verfügung. Ein Viertel davon
kam aus Deutschland. Die Millionen Euro würden die Bauern gerne sinnvoll verwenden.
Etwa für moderne Bewässerungsanlagen. Dann könnten sie sich endlich eine wirtschaftliche
Perspektive aufbauen.
Für Kritiker Shikwati ist klar: Afrika braucht gezielte Investitionen. Vom Kleinbauern genauso,
wie vom ausländischen Konzern. Nur so kann die Rückständigkeit aufgebrochen werden.
Oâ€Ton: James Shikwati
"The way it is now, is that we are still using the technology that we were using some time
back, maybe 50 years ago. So it is that point that it slows down the enterprise, the
ingenuity.â€
"Hier wird immer noch eine Technologie verwendet, wie vielleicht vor 50 Jahren. So werden
die Wirtschaft und der Einfallsreichtum der Menschen ausgebremst."
Volker Seitz war 17 Jahre Botschafter in Afrika. Er musste ständig erleben, wie deutsche
Hilfsgelder das Gegenteil ihres eigentlichen Zieles bewirkten. Daher sein dringender Appell:
Oâ€Ton: Volker Seitz
"Mehr Geld ist gefährlich für Afrika, weil es die Eigeninitiative lähmt. Das konnte ich in den
vielen Jahren, in denen ich vor Ort tätig war, immer wieder feststellen. Man verlässt sich
eben auf die Gelder und braucht dann nicht selbst Eigeninitiative zu zeigen."
Im Entwicklungsministerium will man von der Kritik nichts wissen. Hier ist die feste
Überzeugung: noch mehr Geld muss her. Dabei gab es gerade erst eine ordentliche
Finanzspritze, fast 700 Millionen Euro aus dem Bundesetat.
Oâ€Ton: Erich Stather
Frage: "Haben Sie das Gefühl, dass sie momentan eher zuviel oder eher zuwenig Geld haben,
hier im Haus?"
"Nein, wir haben, was die Aufgaben betrifft, die vor uns liegen, haben wir zuwenig."
Frage: "Also sie bräuchten noch mehr Geld?"
"Ja. Das ist ja auch die Zusage auch der Bundesregierung, dass sie ihre Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2015 erhöht."
Völlig falsch †sagen die Afrikaâ€Experten. Die Milliardenâ€Summen müssten erst einmal richtig
kontrolliert werden. Und damit tut sich die Bundesregierung offenbar schwer.
Einer der korruptesten Staaten der Welt †Kamerun. Deutschland hat dem Land seine
enormen Schulden erlassen, damit es mit den gesparten Zinsen endlich die Armut bekämpft.
Im Ministerium weiß man davon nicht einmal.
Oâ€Ton: Erich Stather
Frage: "Kamerun wurden kürzlich 1,4 Mrd. Euro an Schulden erlassen. Wissen sie, was damit
geschehen ist?"
"Aber das ist kein deutscher Schuldenerlass!"
Frage: "Doch, deutscher Schuldenerlass."
"1,4 Mrd. für Kamerun? Die Zahl halte ich für... Also das wüsste ich. Die Höhe kann absolut
nicht stimmen. Also wie gesagt, ich kenne die Zahl nicht. Aber der Schuldenerlass, damit wir
wenigstens übers Prinzip reden, die Zahl müssen sie wirklich noch mal nachrecherchieren,
die halte ich für völlig falsch."
Die Zahl ist schnell gecheckt: auf der Homepage der deutschen Botschaft steht eindeutig: 1,4
Milliarden Euro. Und auch der Exâ€Botschafter erinnert sich noch gut:
Oâ€Ton: Volker Seitz
"Ich habe einmal 600 Millionen und einmal 800 Millionen unterschrieben."
Es ist wie immer: Riesenâ€Summen werden gewährt in der Hoffnung, die Regierungen der
Partnerländer würden endlich ihre Versprechen einhalten. Aber Jahre später hat sich wieder
nichts geändert.
Oâ€Ton: Winfried Pinger
"Es war ein allgemeines Bemühen, es immer besser zu machen, aber wir müssen feststellen,
das große allseitige Bemühen ist nicht gelungen."
Afrika braucht Hilfe †das sagen auch die Kritiker. Doch nicht in staatliche Strukturen. Sinnvoll
wären Kredite für Bauern und Straßen, die auch in zehn Jahren noch da sind.