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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Ein Königreich für einen Rolls-Royce

Eswatini
FAZ AFRIKAS LETZTER HERRSCHERKÖNIG Eswatini ist die letzte absolutistische Monarchie in Afrika. Der König lebt im Luxus, die Bürger in Armut. Langsam wächst die Unzufriedenheit. Von Claudia Bröll Eswatini ist ein Land wie aus dem Bilderbuch. Es gibt weitläufige Zuckerrohrplantagen, sanfte Hügel, strohgedeckte Häuser und einen König mit weichen Gesichtszügen. Mswati III. erscheint zu offiziellen Anlässen in einem roten Umhang, mit Sandalen und Herrscherstab. Manchmal trägt er auch eine rot-goldene Militäruniform mit vielen Orden auf der Brust. Ausländische Besucher müssen sich nach einer Audienz rückwärts zurückziehen, um Seiner Majestät nie den Rücken zu zeigen. Seine Untertanen, aber auch Minister und Staatsbedienstete rutschen ehrerbietig auf Knien aus dem Raum. Was auf Ausländer bizarr wirkt, ist eine ernste, manchmal tödliche Sache. Der König hat die unumschränkte Macht. Es gibt zwar ein Parlament, aber dessen Mitglieder werden von ihm oder über loyale „Häuptlinge“ ernannt. Faktisch trifft es keine Entscheidungen gegen seinen Willen. Auch die Gerichte hat er unter seiner Kon­trolle. Eswatini, früher Swasiland, ist die letzte absolutistische Monarchie in Afrika. Es ist fast vollständig umgeben von Südafrika, von der Fläche her kleiner als Sachsen, und grenzt im Osten an Mosambik. Mitte des vergangenen Jahres gab es heftige Unruhen. Auslöser war der mysteriöse Tod von Thabani Nkomonye. Der Student schien ein Opfer von Polizeigewalt geworden zu sein. Tausende, vor allem junge Menschen gingen auf die Straße. Thabanis Gesicht erschien auf Postern und Bannern. Musiker verfassten ein Lied über ihn. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen die Polizei, sondern auch gegen das Königshaus und die Staatsform. Prodemokratische Organisationen und einzelne Parlamentarier schlossen sich ihnen an. Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt. Schätzungen zufolge starben 96 Menschen, mehr als 500 wurden verletzt. Etwa 1000 Teilnehmer landeten im Gefängnis, unter ihnen zwei regimekritische Abgeordnete. 15 Ehefrauen und 36 Kinder Die Unzufriedenheit mit dem König hat eine lange Vorgeschichte. Knapp sechzig Prozent der Swasi leben laut Weltbank unterhalb der Armutsgrenze. Mswati und seine unübersehbare Königsfamilie hingegen residieren in mehr als einem Dutzend Palästen. 2019 hat Mswati seinen Fuhrpark um 15 Rolls-Royce vergrößert, jettet in einem von zwei Privatflugzeugen auf Staatskosten um die Welt. Der König hat 15 Ehefrauen und etwa 36 Kinder. Jedes Jahr, während des traditionellen Reed-Tanzes, sucht er sich unter Tausenden jungen Frauen eine weitere aus. Kritiker sagen, dass der König geschickt die Staatskasse plündert. Er finanziert den Luxus beispielsweise über großzügig dotierte staatliche Infrastrukturprojekte. Unlängst ließ er ein pompöses Fünf-Sterne-Hotel bauen, vorher einen nach ihm benannten Flughafen. Durch solche grandiosen Projekte leite der König öffentliche Gelder in seinen Privathaushalt um, heißt es. Der Königshof stellt das anders dar. Es gehe um den Aufbau von Infrastruktur und die Weiterentwicklung des Landes. Ein junger Swasi, der die Monarchie eigentlich gut findet, spricht gegenüber der F.A.S. von einer „tickenden Zeitbombe“. Begehrte Arbeitsplätze seien für die Königsfamilie und ihre Entourage reserviert. Sie besetzten alle wichtigen Positionen. Selbst für einfachere Jobs müsse Schmiergeld bezahlt werden. „Die Menschen haben keine Stimme, sie können nichts unternehmen, der König hat die absolute Kontrolle“, sagt er verärgert. Solche Sätze könnten ihn in der Heimat in große Schwierigkeiten bringen. Daher lebt er im Ausland und möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Auch andere Landsleute wollen anonym bleiben. Seit den Unruhen hat die Angst im Land zugenommen, berichten sie. Es gebe klare Anzeichen dafür, dass staatliche Institutionen Anrufe und Videokonferenzen abhörten. Selbst für ein so kleines Land ist dies dank Software aus dem Ausland leicht möglich. Völlig verrufen ist die Monarchie in Eswatini aber nicht. Während im übrigen Afrika vielerorts junge Menschen gegen Autokraten demonstrieren, sind etliche der 1,2 Millionen Einwohner grundsätzlich stolz darauf, von einem König geführt zu werden. „One nation, one culture, one king“, eine Nation, eine Kultur, ein König, ist ein Satz, den auch Jüngere sagen. Nach Umfragen des Instituts Afrobarometer war Eswatini zwischen 2016 und 2018 das einzige unter 36 afrikanischen Ländern, in dem eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung nicht die Demokratie jeder anderen Staatsform vorzieht. Der König als Touristenmagnet Das hat mit Traditionsverbundenheit zu tun. Es schwingt aber auch die Sehnsucht nach einer vermeintlich idyllischen Ära mit. Gemeint ist die Zeit vor der Kolonialisierung, bevor Europäer den afrikanischen Kontinent untereinander aufteilten, die dortigen Volksgruppen unterjochten und ihnen westliche Gesellschaftsmodelle und Werte aufdrückten. Manche halten die Monarchie auch für einen Stabilitätsfaktor. Und nicht zuletzt bringt das royale Schauspiel Devisen ein. Es zieht Touristen ins Land, die einen absolutistischen Herrscher in Afrika sehen wollen: im traditionellen Gewand, mit Lendenschurz, Tierfellen und Federn auf dem Kopf. Trotzdem wächst die Wut auf das königliche Regime, sagt der Geschäftsmann Mandla Hlatshwayo, der früher Manager eines großen Zuckerkonzerns und Präsident des Wirtschaftsverbandes war. Seiner Ansicht nach könnten sich Proteste wie im vergangenen Jahr jederzeit wiederholen. Er selbst hat schlimme Erfahrungen mit dem Regime gemacht. Als er Oppositionsgruppen unterstützte, erhielt er Todesdrohungen. 2008 flüchtete er. Heute lebt er in Südafrika, hat eine Denkfabrik gegründet, die Strategien für die Zukunft des Landes erarbeitet. Anfang Dezember trommelte er 29 politische Parteien und zivile Organisationen zu einer Konferenz im südafrikanischen Boksburg zusammen. Es ging um eine Zukunftsvision für ein demokratisches Eswatini. Ein König in der Swasi-Tradition habe wie ein Vater der Nation zu sein und keiner, der sich bereichert und seine Sicherheitskräfte auf das eigene Volk schießen lässt, sagt Hlatshwayo. Die Ereignisse im vergangenen Jahr hätten deshalb selbst Anhänger der Monarchie erbost. Anders als früher hätten die Swasi über das Internet auch viel besseren Zugang zu Informationen. Über die öffentliche Berichterstattung außerhalb der staatlich kontrollierten Medien hat die Regierung die Kontrolle verloren. Ein in Südafrika ansässiger Verlag beispielsweise bringt die kritische und weithin gelesene Zeitung „Swaziland News“ heraus. Es gab mehrere Versuche, die Zeitung zu verbieten. Doch sie scheiterten vor den unabhängigen Gerichten im demokratischen Südafrika. Ganz staatsmännisch: König Mswati III. vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ganz staatsmännisch: König Mswati III. vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen Reuters Dem idealisierten Bild eines väterlichen Herrschers kam der Vater des heutigen Königs schon näher. Swasiland wurde 1903 als Protektorat in das britische Imperium eingegliedert. Die Briten, die zuvor eine weitreichende Selbstverwaltung gewährten, erkannten das traditionelle Oberhaupt der Volksgruppe an. Sobhuza II., geboren 1899, regierte nach der Unabhängigkeit 1968 als König. Unangefochten von anderen Volksgruppen bündelte er immer mehr Macht in der Monarchie, baute sie aus. Von der weißen Minderheitsregierung in Südafrika wurde er unterstützt. Sie hatte kein Interesse an einem demokratischen, von einer schwarzen Regierung geführten Nachbarstaat. Sobhuza, der einigen Quellen zufolge mehr als achtzig Ehefrauen und Hunderte Kinder hatte, wird bis heute in dem kleinen Land verehrt. „Er ist ein hart arbeitender, genügsamer König gewesen“, erzählt ein ebenfalls im Ausland lebender Jungunternehmer. „Swasiland gehört allen Swasi“ sei sein Grundsatz gewesen. Sein Sohn und Nachfolger hingegen verkündete unlängst ohne Umschweife, Eswatini gehöre ihm allein. Zum Beleg seiner Vormachtstellung erscheint er zu wichtigen Treffen oft mehrere Stunden zu spät. Die Teilnehmer dürfen sich während dieser Wartezeit kaum vom Fleck rühren. Wie man sich erzählt, nimmt er neuerdings auf einem goldenen Stuhl Platz, umringt von seinen Getreuen. Eigentlich sitzen bei solchen traditionellen Zusammenkünften alle auf dem Boden. Die Umbenennung von Swasiland in Eswatini verkündete er zu seinem fünfzigsten Geburtstag im Jahr 2018. Hauptverbündeter Taiwan Es gibt viele Theorien, warum der König sich so benimmt. Einige verweisen auf Fehden und Machtgerangel nach dem Tode Sobhuzas. Eigentlich hätte ein anderer Prinz König werden sollen. Andere sagen, Mswati, der 1986 im Alter von 18 Jahren den Thron bestiegen hatte, sei nicht ausreichend auf die Rolle vorbereitet worden. Nach den vielen Jahren, in denen alle um ihn herum auf die Knie gefallen seien, überschätze er seine Fähigkeiten. Und schließlich fragen sich Swasi, die Ahnenreligionen anhängen, ob sich womöglich die Vorfahren von ihm abgewandt hätten. Solche Spekulationen gewannen durch eine Panne bei einer Opferzeremonie im vergangenen Jahr an Bedeutung. König Mswati hatte siebzig Rinder zu den Gräbern seiner Großmutter und seines Vaters gebracht. Aus unerfindlichen Gründen schaffte es die Hälfte der Herde, sich aus dem Staub zu machen. Für strenggläubige Beobachter war es ein verheerendes Signal. Sogar das Militär musste ausrücken, um die Tiere zurückzubringen. Nach den Unruhen nimmt nun auch der Druck aus dem Ausland zu. Die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) dringt auf einen „Nationalen Dialog“. Die Lage in Eswatini wird auch im großen Nachbarland mit Sorge verfolgt, zumal das Königreich einer Zollunion mit Südafrika und anderen Staaten in der Region angehört. Der verschwenderische Lebensstil des Monarchen verschärft die ohnehin angespannte Finanzlage. Der König hat aber auch nicht zu unterschätzende Verbündete im Ausland. Insbesondere Taiwan hilft ihm, weil Eswatini zu den wenigen Ländern gehört, die Taiwan trotz des Drucks Chinas als Staat anerkennen. Vor Kurzem lieferte Taiwan Berichten zufolge drei Hubschrauber, die der geschäftstüchtige König an das eigene Militär vermietete. Umgekehrt reisen Mitglieder der Königsfamilie häufig in das asiatische Land. Vor einem Monat ist Mswati erstmals wieder in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Im Dezember hatte sich das Oberhaupt des afrikanischen Staates wie jedes Jahr für ein traditionelles Festival zurückgezogen. Zahlreiche aufwendige Rituale sollten ihn für dieses Jahr „reinigen“, kräftigen und ihm die Unterstützung der Vorfahren sichern. Nun hat er öffentlich seine Bereitschaft zum Dialog bekundet. Womöglich sieht er sich gezwungen, Zugeständnisse zu machen. Selbst im Militär bröckelt angeblich die Loyalität. Frühere wichtige Verbündete wie Zimbabwes verstorbenes Staatsoberhaupt Robert Mugabe sind nicht mehr da. Der König sehe zudem kränklich aus, erzählen manche in Eswatini. Die Proteste nehmen kein Ende Die Allianz der prodemokratischen Organisationen hat sich nach der Konferenz in Boksburg auf die Grundpfeiler einer Demokratie geeinigt: Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte, Meinungs- und Pressefreiheit und die Achtung der Menschenrechte. Das Parlament sollte aus ihrer Sicht direkt vom Volk gewählt werden. „Wir wollen den demokratischen Prozess auf friedliche Weise in Gang setzen“, sagt Hlatshwayo. Der Weg sei aber noch weit. Vor einem Dialog müssten alle politischen Gefangenen befreit werden und Gräueltaten gegen Bürger aufhören. Sollte der König gehofft haben, dass die Proteste irgendwann aufhören, hat er sich getäuscht. Zur Parlamentseröffnung Anfang Februar hatte er seinen Untertanen empfohlen, von „Zwang und Gewalt“ abzusehen: „Wir alle verdienen es, in Frieden zu leben.“ Es sei „kein Verbrechen, unterschiedliche Meinungen zu haben, aber ein Dialog führt zu einem besseren Ergebnis für alle, denn jeder Mensch braucht von Zeit zu Zeit Rat.“ Für die eigenen Sicherheitskräfte gelten solche Appelle offensichtlich nicht. Sie haben den Anführer der Nationalen Studentengewerkschaft, Colani Maseko, festgenommen und Berichten zufolge bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert. Der Grund: Studenten hatten Bilder des Königs in den Universitäten entfernt und verbrannt. Maseko wurde wegen Aufwiegelung angeklagt und erst nach Tagen gegen Kaution freigelassen. Vor Polizeiwachen versammelten sich Demonstranten. Sie drohten, das Königreich „unregierbar“ zu machen, forderten den Sturz des Königs. Die Studentengewerkschaft rief dazu auf, vor dem Gerichtsgebäude zu demonstrieren, wenn Maseko der Prozess gemacht werde: „Vor unserer Menge wird der Feind zittern“, schrieben sie auf Twitter.