Erschreckende Einblicke in die Korruption in Südafrika
Südafrika
FAZ
Dienstleister Bosasa hat über Jahre Kontrolleure und Minister bestochen, um Aufträge zu erhalten als Dienstleister für Gefängnisse und andere Institutionen angeblich über Jahre hinweg Bestechungsgelder von umgerechnet mehreren hunderttausend Euro im Monat.
„Die Zeugenaussagen zeigen ein ganz neues Bild der Korruption in Südafrika“, stellt Richard Calland, Rechtsprofessor an der Universität Kapstadt, fest. Bisher stand die berüchtigte indische Unternehmerfamilie Gupta im Zentrum der meisten Skandale. Jetzt zeigt sich, dass das Netz der Korruption noch viel weiter geknüpft ist als bisher vermutet. Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa, der seit Februar 2018 im Amt ist, hat eine schonungslose Aufklärung der Affären unter seinem Vorgänger versprochen. Mehrere Untersuchungskommissionen befassen sich mit den Vorwürfen. Bisher musste sich allerdings noch niemand vor Gericht verantworten.
Angelo Agrizzi ist ein bulliger weißer Südafrikaner. Er war früher für das operative Geschäft bei Bosasa zuständig. Noch vor kurzem kannten ihn nur wenige in Südafrika. Das hat sich seit seinem Auftritt vor der Untersuchungskommission schlagartig geändert. Über neun Tage hinweg lieferte Agrizzi ein brisantes Detail nach dem anderen, wie sich sein früherer Arbeitgeber die Gunst ranghoher Persönlichkeiten erkauft haben soll.
Jeden Monat hätten Kollegen und er im Tresorraum des Unternehmens Geldscheine gezählt und für die jeweiligen Empfänger gebündelt. „Meine Hände sind ziemlich wund nach all den Jahren“, sagte er. Wenn Mitarbeiter herausfinden wollten, wie viel Geld für illegale Zwecke benötigt werde, hätten sie gefragt: „Welche Hühnchenbestellung ist es heute?“
Beispielsweise habe die frühere Aufsichtsratschefin von South African Airways (SAA), Dudu Myeni, monatlich Geld erhalten, einmal präsentiert in einer Louis-Vuitton-Handtasche. 300000 Rand (20000 Euro) sollen jeden Monat an Zumas Stiftung geflossen sein. Umweltministerin Nomvula Mokonyane wiederum soll an Weihnachten mit einer Lieferung für ein Festmahl verwöhnt worden sein: acht Lämmer, zwölf Kisten gefrorene Hühnerteile, 200 Kilogramm Rindfleisch und mehr als hundert Kästen Getränke. Spendabel zeigte man sich wohl auch, wenn Politiker oder Staatsbedienstete Alarmanlagen in ihren Privathäusern wünschten oder Partys veranstalteten.
Im Gegenzug erhielt das Unternehmen demnach hochdotierte Staatsaufträge. Wie die Untersuchungskommission weiter erfuhr, wurde dafür aber selten die volle Leistung erbracht, oft gar keine Leistung. Einige der Bestechungsgelder sollen auch dazu gedient haben, die Staatsanwaltschaft von Ermittlungen abzuhalten. Bisher haben alle Beschuldigten die Vorwürfe zurückgewiesen.
Der Bosasa-Fall ist jedoch nicht der einzige, der gerade hohe Wellen schlägt. Mit großem Interesse wird in der Wirtschaftswelt die Arbeit einer anderen Untersuchungskommission über die Public Investment Corporation (PIC) verfolgt. Das ist der staatliche Pensionsfonds, der mehr als 2 Billionen Rand (130 Milliarden Euro) verwaltet. Am Freitag trat der gesamte Aufsichtsrat zurück. Vier Aufsichtsräten, unter ihnen dem Vize-Finanzminister, wird Korruption vorgeworfen.
Ende vergangenen Jahres war schon der langjährige Vorstandschef des Fondsverwalters zurückgetreten, weil er regelwidrige Investitionsentscheidungen getroffen haben soll. Einige dieser Investitionen führten zu hohen Verlusten. Nach den Enthüllungen über Bosasa, PIC und andere wird nun der Ruf nach Konsequenzen in Südafrika immer lauter.
Wenige Monate vor den nächsten Parlamentswahlen liegen offenkundig in der Regierungspartei ANC bei diesem Thema die Nerven blank. Am Montag reagierte die Partei in harschen Worten auf ein angebliches Memorandum von fünf Regierungen an den Staatspräsidenten, darunter auch von Deutschland. Einem Zeitungsbericht zufolge haben die Regierungen darin ein „sichtbares“ Vorgehen gegen Korruption gefordert. Andernfalls riskiere Südafrika, ausländische Investoren zu verlieren. Man verdamme diese Einmischung „früherer Kolonialisten“, teilte der ANC umgehend mit. Diplomaten jedoch stellten klar, dass das Schreiben schon acht Monate alt sei. Es handle sich auch nur um ein inoffizielles Diskussionspapier, wie es Diplomaten üblicherweise vor Treffen austauschen.