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Beitrag vom 18.07.2022

FAZ

Wasser sparen per SMS

Wie kann man den Wasserverbrauch in Dürreperioden senken? Erkenntnisse einer Feldstudie aus Namibia.

Von Thimon Abele, Jonah Wermter

In Italien herrscht seit Wochen extreme Dürre. Die Städte Verona und Pisa haben den Trinkwasserverbrauch eingeschränkt: Zu bestimmten Zeiten ist es verboten, Gärten zu bewässern, Autos zu waschen oder Schwimmbäder zu füllen. Wer die Verbote missachtet, dem droht ein Bußgeld bis zu 500 Euro. Auch in Deutschland steigen die Temperaturen. Land- und Forstwirte hierzulande wissen nach mehreren Hitzesommern um das Problem der Wasserknappheit. „Um unsere Trinkwasserversorgung aufrechtzuerhalten, mussten wir mitten in der Corona-Zeit Eltern verbieten, ihre Pools zu befüllen“, erinnert sich Roland Seel, Bürgermeister der Taunusgemeinde Grävenwiesbach, an den Sommer vor zwei Jahren. Auch in Ostwestfalen und Niedersachsen verhängten damals Gemeinden den lokalen Wassernotstand. Das Global Institute for Water Security der Universität Saskatchewan stellt in einer Studie aus dem Februar 2022 fest, dass Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mehr Wasser verloren hat als fast jedes andere Land der Erde. Das zeigt: Auch wenn 2021 extreme Niederschläge im Ahrtal zu verheerenden Schäden führten – das Dürre-Risiko bleibt real und steigt mit jedem Zehntel-Grad Erderwärmung.

Doch wie bekommt man Menschen dazu, in Krisenzeiten umzudenken und kostbares Trinkwasser einzusparen? Es müssen nicht unbedingt Verbote her, das zeigt eine neue Studie des Max-Planck-In­stituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Der Verhaltensökonom Sebastian Tonke stellte fest: Warnungen und Appelle reichen nicht. Es müssen auch konkrete, möglichst einfach umsetzbare Handlungsanweisungen kommuniziert werden.

Tonke schlussfolgert das aus einer großen Feldstudie mit rund 15 000 Haushalten im Norden Namibias, wo zwischen Kalahari-Savanne und Wüste Namib in der achtmonatigen Trockenzeit oft über 40 Grad Hitze herrschten. „Wir wollten herausfinden, ob den Leuten in Namibia bewusst ist, wie sie effektiv Wasser einsparen können“, erklärt Tonke. Dafür verschickte er mit dem örtlichen Wasserversorger personalisierte SMS. Die Haushalte wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Vergleichsgruppen eingeteilt. Eine erste Gruppe erhielt keine Nachricht. Die zweite Gruppe wurde über einen nationalen Wassernotstand informiert und gebeten, eigene Sparstrategien zu entwickeln. Bei der dritten Gruppe wurde diese Bitte um die Haushaltsbereiche Küche und Bad ergänzt. Noch konkreter war die SMS an die letzte Gruppe – sie erhielt drei unmittelbare Tipps: Duschen Sie eine Minute kürzer! Kehren Sie, anstatt mit dem Wasserschlauch zu reinigen! Verwenden Sie Ihr Wasch- und Kochwasser, um Pflanzen zu wässern!

Die Auswertung ergab: Keine der ersten beiden Gruppen änderte ihren Wasserverbrauch signifikant im Vergleich zur Gruppe ohne Nachricht. Haushalte, die konkrete Tipps erhielten, sparten hingegen über die Trockenperiode fünf Prozent Wasser – pro Haushalt flossen 4500 Liter weniger. Hochgerechnet auf die gesamte Untersuchungsgruppe wären so 67 Millionen Liter Ersparnis möglich gewesen. „Die Menschen wollen Wasser sparen, doch ihnen fehlt oft das nötige Handlungswissen“, folgert Tonke.

Ob Namibia oder Deutschland – Tonke sieht übertragbare Erkenntnisse für die Krisenkommunikation: „Wenn man auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen ist, um Notlagen zu bewältigen, muss man es ihr so leicht wie möglich machen.“ Handlungsanweisungen müssten leicht in den Alltag zu übersetzen sein und an das tatsächliche Verhalten anknüpfen: „Nur wenige Leute in meiner Studienpopulation waschen während der Dürre ihr Auto mit dem Gartenschlauch, aber fast jeder kocht, putzt und wäscht sich regelmäßig. Trotzdem ist mir der Tipp mit dem Autowaschen bei meiner Vorrecherche häufig begegnet“, sagt Tonke. Es gehe zudem um Verständlichkeit auf einen Blick, um Eindringlichkeit und Erinnerbarkeit. „Kurze Aufzählungen halte ich für sehr sinnvoll. Sie verdichten Informationen und senken die kognitiven Hürden auf ein Minimum.“ Nach diesem Prinzip funktionieren auch die in Deutschland weithin bekannten Aha-Regeln: Abstand halten, Händewaschen, Alltagsmaske tragen – ein klassischer Dreiklang, der leicht zu merken ist.

Bei Wasserknappheit setzen Behören hierzulande auf ein Ampelsystem, sie warnen und appellieren, aber präsentieren keine Lösungen. Dabei mangele es auch hierzulande an Wissen, sagt Tonke: „Die wenigsten wissen, wie viele Liter Wasser jede Minute durch ihren Duschkopf laufen oder ob sie eine moderne Toilettenspülung installiert haben.“ Auch wer glaube, mit einem höheren Privatverbrauch die Rohrspülungen der Versorger ersetzen zu können, liegt laut Umweltbundesamt falsch. Effektive Spülungen könnten nur von Fachpersonal ausgeführt werden, und sie seien ohnehin Routine.

Knapp 130 Liter verbraucht ein durchschnittlicher Bundesbürger pro Tag allein im Haushalt, davon knapp 70 Prozent für Körperhygiene und Toilettenspülung. Durch sparsamere Technik und mehr Bewusstsein könnten auch 80 bis 100 Liter pro Tag und Kopf reichen – ohne Komfortverzicht oder Hygienerisiken, schreiben Experten des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in einer Studie. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Haushalte nur gut 15 Prozent des in Deutschland entnommenen Wassers nutzen – ähnlich viel wie die Industrie. Fast zwei Drittel des Verbrauchs entfallen auf den Energiesektor.

Wasserknappheit gilt in Deutschland noch als regionales Phänomen. Engpässe wie in Grävenwiesbach entstehen durch Verbrauchsspitzen, wenn an besonders heißen Tagen viele Menschen gleichzeitig ihre Pools befüllen oder Gärten wässern wollen. Bürgermeister Seel aus Grävenwiesbach würde in Zukunft auf die Idee solch effektiver Krisenkommunikation eingehen: „Auch hier fehlt vielen Leuten das Handlungswissen, um effektiv Wasser zu sparen. Viele schätzen die Ressource auch nicht wert, weil sie so günstig und scheinbar bedingungslos verfügbar ist.“ Nummernlisten für SMS-Kampagnen habe die Stadt zwar nicht. Er könnte sich aber vorstellen, solche konkreten Tipps per Brief an seine Bürgerinnen und Bürger zu verschicken.