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Beitrag vom 11.07.2019

FAZ

5 Billionen Dollar – Chinas Kredite viel höher als gedacht

Laut einer Studie vergibt Peking viel mehr Kredite an Entwicklungsländer / Angst vor neuer Krise

hena. SCHANGHAI, 10. Juli. Als im August 1982 der mexikanische Finanzminister Jesús Silva Herzog seinen amerikanischen Amtskollegen Donald Regan sowie die Chefs der Notenbank Fed und des Internationalen Währungsfonds wegen drückender Schuldenprobleme anrief, war China noch völlig unterentwickelt. Über Schanghais Uferpromenade fuhren nur wenige Lastwagen und ein paar rote Taxis. Private Autos waren keine zu sehen.

Der Zeitpunkt, zu dem Silva Herzog seinen größten Gläubigern erklärte, dass Mexiko seine Schulden nicht mehr bedienen könne, gilt als Beginn der Schuldenkrise der achtziger Jahre, der damals so genannten Internationalen Schuldenkrise. Nicht nur Mexiko, sondern praktisch ganz Lateinamerika hatte Schuldenprobleme, sollte sich herausstellen – und Länder in Afrika und Asien.

Chinas Wirtschaftsleistung betrug damals 205 Milliarden Dollar. Heute liegt sie siebzigmal höher, bei rund 14 Billionen Dollar. Allein in Schanghai fahren rund 3 Millionen Autos durch die Straßen, im ganzen Land sind es 250 Millionen. Der rasante Aufstieg hat nicht nur die Gewichte in der Weltwirtschaft verschoben und die internationale Wirtschaft, etwa die deutsche Automobilindustrie, vom Absatzmarkt China abhängig gemacht. Auch viele Länder, die Anfang der achtziger Jahre in der Schuldenfalle steckten, sind heute wieder verschuldet – bei China, dem größten Gläubiger der Welt.

An die Schuldenkrise von 1982 fühlten sich die Harvard-Ökonomin Carmen Reinhart und ihre deutschen Mitautoren erinnert, als sie untersuchten, wie hoch die Schulden der Welt bei China heute sind. Da das Land offiziell kaum Auskunft über seine Ausleihungen und Investitionen in andere Länder erteilt, ist das Ergebnis der Studie mit dem Titel „Chinas ausländische Kreditvergabe“ (China’s Overseas Lending) eine Sensation: Das Ausmaß der chinesischen Kredite ans Ausland ist laut Reinhart und den deutschen Ökonomen Sebastian Horn und Christoph Trebesch doppelt so hoch wie bisher bekannt. Mit mehr als 5 Billionen Dollar hat Peking so viele Forderungen gegen ausländische Länder wie keine andere Regierung auf der Welt.

Warum die Studie in Chinas Staatsmedien wütende Reaktionen hervorruft, ist leicht nachzuvollziehen. Der Umfang und die Art, wie Peking Kredite für Infrastrukturprojekte an Entwicklungsländer vergebe, erinnerten an das 19. Jahrhundert, heißt es in der Studie – und zwar an die damaligen europäischen Kolonialmächte. Wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien vergebe auch China heute ans Ausland Kredite, denen Einkommen aus Rohstoffen und anderen Handelswaren als Sicherheiten gegenüberstünden und die eng mit „politischen und kommerziellen Interessen“ Pekings verbunden seien.

Die „Global Times“, Kampfblatt der Kommunistischen Partei, stellte daraufhin Reinharts „Objektivität“ in Frage und warf der Studie „Voreingenommenheit“ vor. Auf Kritik, China treibe insbesondere in Afrika mit seinen gigantischen Kreditsummen für Häfen, Eisenbahnlinien und andere Projekte ganze Länder in seine Abhängigkeit und nutze diese aus, reagiert Peking allergisch. Das ist kein Wunder angesichts der Dimensionen der Kreditvergabe, die in der Studie dargelegt werden. Dass diese im Jahr 2000 gerade mal 1 Prozent der Weltwirtschaftsleistung ausgemacht hatten und 2018 bereits 8 Prozent, sei ein Anstieg, der allein in der Kreditvergabe der Vereinigten Staaten nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg eine Entsprechung finde, schreiben die Autoren.

Dass so wenig über die Höhe der chinesischen Kredite bekannt ist, hat mit der Undurchsichtigkeit des Wirtschaftslebens in China zu tun. Die Kredite werden meist nicht von Regierung an Regierung vergeben, sondern von chinesischen Staatsunternehmen an Staatsunternehmen in den Empfängerländern. Diese Daten tauchen dort in den offiziellen Statistiken nicht auf. An den Pariser Club, in dem Gläubigerländer mit Schuldnerländern verhandeln und der Buch führt über die Ausleihungen, berichtet China nicht, weil es kein Mitglied ist.

Dabei hat China den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank bei der Höhe seiner Kreditvergabe an arme Länder wie in Afrika bereits überholt. Das hat der Volksrepublik dort viel Lob eingebracht. Doch verglichen mit den supranationalen Kreditorganisationen, fordere China für die Finanzierung der Bahnstrecken und Straßen in Afrika weit höhere Zinsen, was die dortigen Staatshaushalte in Bedrängnis bringe, so die Studie.

In den armen Entwicklungsländern, die in den 1990er und 2000er Jahren von einem Schuldenerlass profitiert hätten, erreichen die Schulden gegenüber China mittlerweile im Durchschnitt die Höhe von 11 Prozent der Wirtschaftsleistung. In Chinas fünfzig wichtigsten Schuldnerstaaten liegt die Höhe im Schnitt sogar bei 15 Prozent. Auch Öl exportierende Staaten wie Angola, Ecuador, Nigeria und Venezuela seien bei Peking extrem verschuldet, so die Studie. Das treffe auch auf viele asiatische Länder zu, die Teil von Chinas Seidenstraße-Initiative zum Bau von Infrastruktur im Ausland sind. Laos und Kambodscha sind demnach am meisten bei China verschuldet, aber auch einige Staaten aus Lateinamerika. In Osteuropa sei die Last der Schulden gegenüber Peking geringer, jedoch in den vergangenen fünf Jahren schnell gestiegen.

Insgesamt erinnere die Höhe der Schulden dieser Staaten doch sehr an die Zeit Anfang der achtziger Jahre, finden die Studienautoren, bevor Mexikos Finanzminister die Zahlungsunfähigkeit seines Landes erklärte – und das gelte erst recht, wenn man Chinas „versteckte Schulden“ mit einberechne.