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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 17.02.2016

FAZ

Religion

Entwicklungshilfe im Zeichen des Terrors

Rückständige Länder sollen sich der Moderne öffnen. Der Entwicklungsminister schlägt einen neuen Weg ein. Gerd Müller erläutert an diesem Mittwoch seine Strategie.

mas. BERLIN, 16. Februar. Es erinnert ein bisschen an das Vorgehen der Feuerwehr, Waldbrände zu bekämpfen, indem sie selbst Feuer legt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) setzt in einer Zeit, in der im Namen der Religion Terroristen im Westen Anschläge verüben und im Nahen Osten einen eigenen radikalen Staat aufbauen wollen, auf die entwicklungspolitische Kraft des Glaubens. „Eine wertebasierte Entwicklungspolitik nimmt den Beitrag der Religionen ernst, bezieht sie ein und findet gemeinsame Wege, Hunger, Elend und Ungerechtigkeit zu überwinden“, sagt der Minister. Eine globale Partnerschaft mit den Religionen sei nötig. Ohne sie als aktive Partner wäre es nicht möglich, die neuen globalen Entwicklungsziele zu verwirklichen. „Die Religion prägt die Weltsicht, den Lebensstil und das Engagement der meisten Menschen“, betont der CSU-Politiker, der an diesem Mittwoch auf einer internationalen Konferenz sein neues Konzept vorlegen will.

Was soll der neue Ansatz? „Unsere Leute aus der säkularisierten Welt sollen sensibilisiert werden, wie man religiöse Kräfte einbinden kann“, erläutert Bernhard Felmberg, Leiter der Unterabteilung Zivilgesellschaft, Kirchen und Wirtschaft im Entwicklungsministerium. Es sei nicht so, dass es bisher keine Kooperation mit Imamen, Priestern und anderen religiösen Führern gegeben habe. Aber zum ersten Mal wird aus dem Haus eine geschlossene Strategie zur Bedeutung der Religion für die eigene Arbeit vorgelegt.

Es geht erstens um die Sicherung des Friedens in einem Umfeld, in dem Glaubenskonflikte mit der Waffe in der Hand ausgefochten werden. „Selbst da, wo Religionen Teil des Konflikts sind, wollen wir sie zu einem Teil der Lösung machen“, berichtet Felmberg. Dazu wolle man diejenigen stärken, die moderat seien im Handeln und in der Tonalität. Zweitens will man die moralische Autorität nutzen, die religiöse Führer für viele Menschen gerade in den Entwicklungsländern haben. Das Ministerium verweist in seinem neuen Strategiepapier auf das Beispiel Nigeria. „Dort sagen 97 Prozent der Menschen, dass ihnen Religion wichtig ist“, heißt es dort. Und weiter: „91 Prozent bringen religiösen Einrichtungen großes Vertrauen entgegen - Hilfsorganisationen kommen auf einen Wert von 62 Prozent, die nationale Regierung lediglich auf 38 Prozent.“

Schon früher haben die Entwicklungsfachleute im Dienst des Ministeriums in Einzelfällen diese Kompetenzzuschreibung für ihre entwicklungspolitischen Ziele ausgenutzt. In Jordanien hat sich mit dem Flüchtlingszustrom der Wassermangel dramatisch verschärft. Gleichwohl spielt der sparsame Umgang mit dem Quell des Lebens dort keine große Rolle. Für das Projekt hat man daher die Zusammenarbeit mit religiösen Würdenträgern gesucht - 90 Prozent der Bevölkerung und Flüchtlinge sind Muslime. Im Koran spielt das Wasser eine wichtige Rolle, vielleicht weil der Keim des Islams nur so in trockenen Regionen aufgehen konnte.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zitiert Sheikh Abdel Majid, Dozent für religiöse Angelegenheiten an der Jordanischen Universität, mit den Worten: Insgesamt wird das Wort Wasser im Koran über 60 Mal erwähnt und seine Bedeutung für das Leben auf der Erde hervorgehoben.“ Der Wissenschaftler ist Partner der bundeseigenen Gesellschaft, die in Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten dafür sorgen will, dass Wasser effizienter genutzt wird. Die Imame und Religionslehrer sollen der Bevölkerung vermitteln, dass sie dem Vorbild des Propheten folgen und sparsam den Lebensquell nutzen.

Auch in Mauretanien hat die deutsche Entwicklungspolitik auf die Autorität der religiösen Führer gebaut. Ziel war, die brutale Genitalverstümmelung an jungen Mädchen endlich zu beenden, da das staatliche Verbot wenig an der blutigen Praxis geändert hatte. Man suchte den Dialog mit reformorientierten Imamen und organisierte eine Konferenz, auf der deutlich wurde, dass der Brauch keine religiöse Pflicht ist. Wenige Jahre später wurde ein islamisches Rechtsgutachten verabschiedet, dass die weibliche Genitalverstümmelung verboten sei.

Aus solchen Erfahrungen zieht Müller seine Lehre. „Religion beeinflusst das Denken und Handeln der meisten Menschen auf diesem Planten“, heißt es in seinem Strategiepapier. „Auch wenn es im teilweise stark säkularisierten Europa vergessen wird: Wir leben in einer religiös geprägten Welt.“ Ein Ansatzpunkt von Müller lautet daher: „Wir werden die Anzahl der Vorhaben, in denen religiöse Akteure einbezogen werden, erhöhen.“ Ein anderer: Künftig werde man die Rolle der Religion in der konzeptionellen Arbeit früher berücksichtigen.