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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 16.09.2013

Wirtschaftswoche

Politik hat zu viel Angst vor Afrika

von Florian Willershausen

Die schwarz-gelbe Regierung hat die Afrikapolitik aus der Sackgasse der Entwicklungshilfe geholt. Für die Zukunft erhofft sich die Wirtschaft noch mehr politische Unterstützung bei Investitionen auf dem schwarzen Kontinent.

Günter Nooke macht Nägel mit Köpfen: Diesen Donnerstag, pünktlich um acht Uhr früh, steht der Reisebus in der Berliner Stresemannstraße. Es gibt Käffchen und Häppchen im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) - dann geht's pünktlich ab nach Freiberg im Erzgebirge. Dort schlummert jenes Bergbau-Know-how, das Afrika aus Sicht des CDU-Manns Nooke gut gebrauchen kann. Der Afrika-Beauftragte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat darum an jenem Donnerstag knapp 30 afrikanischer Botschafter zur exklusiven Leistungsschau eingeladen.

Vor fünf Jahren hätten sie ihn hinterher aus dem Amt gejagt. Unter den Teilnehmern sind mit Guinea-Bissau, Ruanda und Süd-Sudan Staaten vertreten, deren Machthaber nicht gerade durch toleranten Umgang mit Kritikern und Minderheiten auffallen. Die Grünen, deren Parteibuch Nooke vor zwei Jahrzehnten zurückgegeben hatte, hätten Zeter und Mordio geschrien: Darf die Politik die deutsche Wirtschaft ihrer Rohstoff-Interessen wegen mit den Vertretern afrikanischer Diktaturen zusammenbringen?

Sie darf nicht nur, sie muss sogar, sagt Günter Nooke und strahlt eine stoische Ruhe aus. Der einstige DDR-Bürgerrechtler sieht Afrika als Rohstoff-Eldorado. Wenn die deutsche Wirtschaft dort zu Geschäften komme, könne sie ihre Abhängigkeit von Rohstoffen lindern, in Afrika selbst für Arbeitsplätze sorgen und nebenbei noch gutes Geld verdienen.

Zwar fehlt es der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur in Deutschland an einem Rohstoffriesen vom Schlage BHP Billiton. Im Bergbaustädtchen Freiberg aber verstecken sich Mittelständler, deren Fördertechniken und Kartographie-Technologien in afrikanischen Rohstoffgebieten von Nutzen sein könnten. Die muss man aber erst einmal kennen lernen. Dafür sorgt Nooke, indem er die Afrikaner hierhin karrt. Die sollen dann in ihre Heimatländer kabeln, welch tolle Sachen diese Deutschen können.

Die Afrikapolitik der Bundesregierung hat sich in der ablaufenden Wahlperiode verwandelt: Noch unter der Großen Koalition, als das BMZ fest in SPD-Hand war, galt Afrika als reine Destination für Almosen, sprich Entwicklungshilfe. Die versickerte oft in den korrupten Kanälen - und zementierende zum Teil die ineffizienten Strukturen in den Ländern, wie Kritiker um Dambisa Moyo behaupten.

Politik ignoriert Afrika

In Deutschland krempelte FDP-Mann Dirk Niebel jenes Ministerium, das er im Wahlkampf noch abschaffen wollte, als Minister radikal um; viele alte Entwicklungshelfer hassen ihn und sein FDP-Team dafür bis heute. Niebel richtete die Entwicklungshilfe eng entlang privatwirtschaftlicher Interessen neu aus, seither werden mehr deutsche und lokale Unternehmen bei den Projekten einbezogen.

Experten begrüßen den Wandel. "Entwicklungshelfer betrachteten Unternehmen lange Zeit als das kapitalistische Böse, die Urheber der Armut", erinnert sich Christoph Kannengießer, der Hauptgeschäftsführer des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft. "Jetzt ist die Wirtschaft plötzlich Teil der Lösung, das ist schon bemerkenswert." Zufrieden ist er damit allerdings nicht: "Die Politik sollte sich wie in Asien auch in Afrika stärker in den Dienst der Wirtschaft stellen und deren Interessen wahrnehmen", fordert Kannengießer in einem Positionspapier. Er verlangt eine Ausweitung der Exportkreditgarantien, weitere Doppelbesteuerungsabkommen und mehr direkte Unterstützung der Politik bei konkreten Investitionsprojekten.

Fest steht, dass deutsche Unternehmen in Afrika kaum ein Rolle spielen: Nur zwei Prozent ihres Außenhandels wickelt die Bundesrepublik mit Afrika ab. Zwar wächst der Kontinent seit Jahren stabil um mehr als fünf Prozent im Jahr. Doch Risiken wie Bürokratie und Korruption, sicher auch Klischees über Krieg und Kriminalität schrecken deutsche Investoren ab: Während Franzosen und Briten in den vergangenen zehn Jahren jeweils mehr als 25 Milliarden Dollar über Fusionen und Übernahmen in Afrika investierte, beliefen sich die deutschen Investitionen lediglich auf 170 Millionen Dollar.

Die Politik unternimmt indessen wenig, um die Investoren nach Afrika zu tragen. Die Kanzlerin war zuletzt vor zwei Jahren mal für drei Tage in Afrika - es war der einzige Besuch auf dem Kontinent in der laufenden Wahlperiode, wenn man von einer Fußball-Reise zur WM nach Südafrika mal absieht. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) schaut immerhin jährlich in Afrika vorbei, der Parteichef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wurde dort dienstlich bislang noch nie gesichtet. Der umtriebige Günter Nooke, dessen Jobbeschreibung nichts mit Wirtschaft zu tun hat, tummelt sich dort umso häufiger. Irgendwie scheint ihm dieser Kontinent ans Herz gewachsen zu sein.