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Beitrag vom 25.07.2012

Neue Zuercher Zeitung

Illusionäre Simbabwe-Politik der Europäischen Union

Brüssel will Sanktionen gegen das Regime Mugabe aufheben

Die EU hat die Aufhebung von Strafmassnahmen gegen die Entourage des simbabwischen Präsidenten Mugabe in Aussicht gestellt. Die Bedingung dafür - ein Verfassungsreferendum - hat jedoch minimale Wirkung.

Markus M. Haefliger, Nairobi

Der simbabwische Premierminister Tsvangirai hat am Dienstag den Entscheid der EU begrüsst, die gegen Simbabwe erlassenen Strafmassnahmen unter gewissen Bedingungen zu beenden und die bilaterale Entwicklungshilfe an Harare wiederaufzunehmen. Der Brüsseler Entscheid beweise, dass die EU an demokratische Fortschritte in Simbabwe glaube, sagte Tsvangirai, dessen Movement for Democratic Change (MDC) mit Mugabes Zanu-PF-Partei in eine zerstrittene Regierungskoalition gezwängt ist. Aber welche Fortschritte? Das politische Klima in Simbabwe verschlechtert sich im Hinblick auf Wahlen, die vermutlich nächstes Jahr stattfinden, zusehends. Der EU-Entscheid wird von Simbabwern vielfach nicht verstanden, vor allem nicht von Anhängern und Aktivisten des MDC.

Voreiliger Straferlass

Die EU-Aussenminister hatten am Montag beschlossen, die verbleibenden Simbabwe-Sanktionen aufzuheben, falls eine für die kommenden Monate geplante Volksabstimmung über eine neue Verfassung «glaubwürdig» abgehalten werde. Die Sanktionen bestehen aus der Beschlagnahmung von Guthaben in Europa und Reiseverboten und betreffen zurzeit noch 112 Einzelpersonen und 11 parteieigene Unternehmen der Zanu-PF. Bereits Anfang Jahr waren die Massnahmen in 51 Fällen aufgehoben worden. Für Mugabes Familie sollen sie unabhängig vom Verfassungsreferendum weiterhin gelten. Ausserdem kündigten die Aussenminister der EU an, dass deren Entwicklungshilfe wieder direkt simbabwischen Regierungsstellen zufliessen kann. In den vergangenen Jahren waren Hilfen von rund 100 Millionen Euro pro Jahr über internationale und private Organisationen abgewickelt worden.

Eine wohlwollende Deutung der Beschlüsse könnte geltend machen, dass die Sanktionen ihren Zweck verfehlt hätten. Die Propagandamaschinerie der Zanu-PF wird in der Tat nicht müde, den Spiess umzudrehen und zu behaupten, «der Westen» verfahre mit Simbabwe imperialistisch. Nach dieser Begründung werden Oppositionelle als Handlanger ausländischer Mächte verunglimpft, die Terrorisierung weisser Farmer wird gerechtfertigt. Einige Länder in der EU wollten Mugabe dieses Propagandawerkzeug entreissen. Doch dies ist eine Illusion, wie die Reaktion der Zanu-PF zeigt. Laut Medienberichten aus Harare warf Mugabes Sprecher der EU vor, an «illegalen» Sanktionen festzuhalten. Die an ihre Aufhebung geknüpften Bedingungen würden zurückgewiesen. Die Tageszeitung «Herald», das inoffizielle Organ der Zanu-PF, stiess am Dienstag ins gleiche Horn.

Der Beschluss der EU-Aussenminister ist zwar keine ausdrückliche Kehrtwende, er legt jedoch die Hürde für die Aufhebung von Strafmassnahmen (mit Ausnahme derjenigen, die gegen Mugabe persönlich gerichtet sind) sehr tief an. Beim Verfassungsreferendum stellt sich die Machtfrage überhaupt nicht. Mugabe und die Zanu-PF werden deshalb gar keinen Anlass sehen, den Volksentscheid zu stören. Eine neue Verfassung ist laut dem von Südafrika vermittelten Abkommen von 2008 über eine gemeinsame Regierung von Zanu-PF und MDC Voraussetzung für Neuwahlen. Beide Parteien sehnen ein Ende des dysfunktionalen Arrangements herbei. Die Zanu-PF, die nochmals mit Mugabe antreten will, hat es angesichts des Gesundheitszustands des 88-Jährigen besonders eilig. Aber auch die Führungsriege des MDC will Wahlen im nächsten Jahr riskieren.

Fauler Kompromiss

Laut Auskünften aus Harare setzten die Parteihierarchien in den letzten Wochen einen hastigen Schlussstrich unter die Volksbefragungen der letzten drei Jahre und stiefelten einen 164 Seiten dicken Verfassungsentwurf zusammen. Der Text, der letzte Woche veröffentlicht wurde, ist, wie die Koalitionsregierung selber, ein fauler Kompromiss. Die Vorlage enthält abwegige Bestimmungen wie diejenige, dass bei schweren Mordfällen nur gegen Männer die Todesstrafe verhängt werden kann (Frauen kommen vermutlich mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe davon). Daneben enthält der Entwurf in den strittigen Fragen widersprüchliche Bestimmungen. Weisse Farmer können Landenteignungen anfechten, wenn sie diskriminierend sind (das heisst: einseitig gegen Weisse gerichtet). Gleichzeitig ist der Staat verpflichtet, die Landnahme während der Kolonialzeit durch Enteignungen wiedergutzumachen (das heisst: Farmen von Weissen zu beschlagnahmen). Entschädigungen sind nur für «eingeborene» (indigenous) Simbabwer vorgesehen (das heisst für Schwarze).

Die Parteien hefteten auch bei den Kompetenzen des Staatsoberhaupts schlicht ihre gegenteiligen Vorstellungen aneinander. Die Macht des Präsidenten soll beschnitten werden; er muss etwa bei Richterernennungen das Parlament anhören. Aber er kann den Ausnahmezustand ausrufen, und die Opposition hat in Fragen der Sicherheit kein Mitspracherecht. Die simbabwische Bürgergesellschaft hatte ein parlamentarisches System mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze favorisiert, doch die Forderungen wurden übergangen. Die Amtszeit des Präsidenten wird auf maximal zehn Jahre beschränkt, aber eine Kandidatur Mugabes bei den nächsten Wahlen wird von der Bestimmung nicht erfasst. Eine in den Diskussionen geforderte Altersbeschränkung wurde aus dem Entwurf gestrichen.

Düstere Vorzeichen

Verfassungstexte sind in Simbabwe ohnehin zweitrangig. Die marxistisch-leninistisch organisierte Zanu-PF hat in der Vergangenheit vielfach bewiesen, dass sie sich im Zweifelsfall um das Gesetz foutiert. Laut der Zimbabwe Inclusive Government Watch, einer Bürgerorganisation, gehen 90 Prozent der Widerhandlungen gegen das politische Abkommen von 2008 auf das Konto der Zanu-PF. Laut der Beobachtergruppe nehmen die Verstösse seit Mai wieder zu. Dazu zählen Gewaltakte und Einschüchterungskampagnen gegen Kandidaten des MDC, einseitige und hasserfüllte Propaganda in den staatlichen Monopolmedien, die Auflösung von Versammlungen des MDC und die Mobilisierung der von der Zanu-PF kontrollierten Sicherheitskräfte für den Vorwahlkampf. Ausserdem werden Jugendliche für Parteimilizen rekrutiert und bewaffnet. Die Mittel dafür stammen aus den Diamantenminen von Marange, die von der Zanu-PF kontrolliert werden.

Die Vorboten sind düster. Die EU würde besser fahren, Sanktionen erst aufzuheben, wenn die Wahlen selber glaubwürdig durchgeführt worden sind, statt als Messlatte eine kaum bestrittene Abstimmung über einen schlechten Verfassungstext heranzuziehen.