"Denkansätze
für
eine notwendig neu zu formulierende deutsche Afrikapolitik
Nachrichten melden es immer wieder. Fast jeden Tag. Auch in Deutschland wird darüber geredet und diskutiert sowohl in privater Runde wie in politischen Zirkeln bis zum heutigen Tag, auch wenn das Thema von Zeit zu Zeit von der Aktualität für kürzere oder längere Zeitphasen abgelöst wird. Dann fallen bei diesen Gesprächsrunden und Debatten in der Ferne Afrikas formuliert mit unterschiedlicher Emphase in abwechselnder Reihenfolge Worte der Hilfsbereitschaft, des Bedauerns, des Mitleids und eigentlich auch gewisser offensichtlicher Ratlosigkeit. Man beklagt wohl die politische Lage in einigen afrikanischen Staaten und wohl auch auf dem Kontinent insgesamt sowie die des afrikanischen Menschen, dabei nicht selten mit Distanz und ohne merkbare, umsetzungsfähige Lösungsvorschläge zur politischen und wirtschaftlichen Situation des Kontinents und seiner Bewohner. Wie vielen anderen meiner Zeitgenossen in Europa war auch mir recht wohl bekannt, dass an zahlreichen Orten in Schwarzafrika seit Jahren gewütet, getötet, gekämpft, gestritten, gelitten und Boden- und andere Naturschätze legal und illegal, auf jeden Fall häufig sinnlos, abgebaut, dann verkauft, oft in brutaler Weise Menschenrechte verletzt werden und Afrikaner im unendlichen Fluss ihr Land verlassen.
Mir erscheint recht unklar, warum dies bisher so war, dies immer noch so ist und wohl nach allen gegenwärtigen Anzeichen auch so bleiben könnte, warum sowohl die internationale Politik wie auch afrikanische Ansätze diese in jeder Beziehung aus afrikanischer und internationaler Sicht zutiefst unbefriedigende Lage bislang nicht hatten lösen können. Der Schluss lag dann nicht fern, dass die Lage bewusst oder vielleicht auch resignierend akzeptiert wurde und dass manche Staaten die weltpolitisch unbefriedigende Lage möglicherweise sogar am Leben erhielten und aus Eigeninteresse auch am Leben erhalten wollten. Trotz allem zeigen sich von Zeit zu Zeit in den Medien Hoffnungsschimmer, die über Mut machende Anzeichen einer Besserung in gewissen politischen und menschlichen Lebensbereichen dieses für Europa wichtigen Kontinents, obwohl oft nur von ephemerer Bedeutung, berichten.
Wo lagen und liegen heute immer noch die Motive, die bisher zur politischen Abstinenz Europas führten und eigentlich immer noch führen? In dem Gefühl einer allgemeiner Hoffnungslosigkeit über afrikanische Gegebenheiten? Möglich. In Europa selbst nur schwer zu widerlegende Zweifel an der Effizienz afrikanischer Vorstellungen? Wohl gegeben. In der postkolonialen Haltung gewisser Staaten? Noch heute nicht auszuschließen. In dem persönlichem Machtstreben afrikanischer Politiker? Sicherlich. In dem Streben ausländischer Staaten nach afrikanischen Bodenschätzen und nach den wirtschaftlich interessanten Energievorräten? Unbestritten. In einem traditionellen national-afrikanischen, regional sich unterschiedlich auswirkenden kulturell-politischen Clandenken? Zweifellos. In der eigen formulierten, sozial-politischen Struktur mancher afrikanischer Staaten, Demokratie hin, Demokratie her, die zusätzlich einer eignen, nicht immer förderlichen Nord-Süd Problematik ausgesetzt sind? Wird in Europa nicht als solche wahr genommen.
Seit meiner Zeit als Botschafter in Mali, meinen ihr vorausgehenden Arbeitsaufenthalten im deutschen auswärtigen Dienst, in Indonesien während einer politischen Umbruchzeit, in Vietnam während der Kriegsjahre und im China Mao Tse-tungs, und nach Ende meiner Tätigkeit in der wohlhabenden, bis 2000 immer noch postkolonial wirkenden und auch international so auftretenden Elfenbeinküste - Côte d'Ivoire, sah ich mich mit diesen Fragen verstärkt konfrontiert. Schon in den ersten Tagen meines Aufenthaltes in der Elfenbeinküste hatte sich bei mir ein ungut-unsicheres Gefühl installiert und sich dann auch schnell weiter entwickelt, was ich anfangs auch intuitiv nicht so recht zu begründen wusste. Es waren eigentlich vorerst nur Gefühlsregungen, aber es waren in Wirklichkeit schon die genannten Schlüsselfragen, die verstärkt sich bemerkbar machten, von deren Existenz jedwede politische Initiative und Suche nach politischen und sozial verankerten Lösungen im afrikanischen Raum mit international wirkenden Ergebnissen ausgehen sollten. Trotz meiner Beobachtungen, die Entscheidendes für eine mögliche Ausgangsbasis für eine deutsche (europäische) Politik aufwarfen, zu der mich zusätzlich früher gelesene wissenschaftlich - politische Analysen und Diskussionen über den Zustand Afrikas hingeführt hatten, halte ich doch hier und jetzt als eine erstaunliche Beobachtung fest: Munter und unverdrossen wird weiter staatliche und private Entwicklungshilfe von hohem materiellem und ideellem Wert vereinbart und geleistet, mit bewundernswertem Einsatz einiger Staaten, auch der afrikanischen Empfängerländer, und engagierter Menschen.
Zu diesem bis heute oft - trotz objektiv gegebener Bedürfnisse - unverständigen oder manchmal auch unverständlichen Hilfseinsatz aus allen Himmelsrichtungen unseres Globus auf diesem großen Kontinent in der nahen Nachbarschaft Europas gesellen sich begründete Hilfsmotive aus sich regelmäßig wiederholenden Naturkatastrophen und anderen Ereignissen, denen national wie international großzügig begegnet wird und zu begegnen ist: Dürren, Regenfluten, Erdbeben und rapides Vordringen der Wüste. Hinzu kommen klimaschädliches, räuberisches Abholzen ganzer Wälder auf der Suche nach Edelhölzern und zur unkontrollierten Gewinnung von Ackerland, zusätzlich aber auch als ein nicht zu unterschätzender Faktor auf afrikanischer Volksebene das tägliche Bedürfnis nach qualitätvollem Brennholz für die eigene Küche.
Vielfältig aktiv, wenn auch mit variierendem Erfolg, sind in den Weiten des afrikanischen Kontinents die Akteure der Macht. Sie bestimmen über nationale Lagen und Gegebenheiten, die sich nicht selten auf Nachbarländer auswirken, manchmal weitergehend auf die eigene Region und die Gremien der beschlossenen und eingerichteten regionalen und kontinentalen Zusammenarbeit. Ambitionen dieser Akteure und der Einsatz ihrer Mittel scheinen nach den bisher gemachten Erfahrungen nicht unbedingt der politischen und wirtschaftlichen Beruhigung und Entwicklung des Kontinents und dem lokalen Respekt der Menschenrechte zu dienen.
So präsentieren sich heute ungebrochen und unvermindert frisch dem deutschen Bürger im afrikanischen Raum südlich der Sahara nach wie vor wechselnde Einflüsse aus unterschiedlichen Interessen und Interessen-lagen. Sie wirken sich folgenreich auf unseren eigenen Umgang mit dem wichtigen rund 30 Millionen Quadratkilometer großen afrikanischen Kontinent mit über einer Milliarde Menschen aus, der sich in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und geographischer Sichtnähe Europas befindet.
Oft sind es diese Einflüsse und Lebensumstände wie der zusätzlich - zumindest in Westafrika - vorherrschende Glauben, dass das Leben in Europa das Paradies auf Erden sei. Sie drängen den afrikanischen Menschen zur wirtschaftlichen und politischen Emigration über den Atlantik und das Mittelmeer in Richtung Europa, intakte Familien zerreißend, den tödlichen Stürmen und anderen Meeresgefahren in brüchigen, von Menschenschleppern zu hohem Preis angebotenen Booten mit auswegsloser Verzweiflung trotzend. Es sind Emigranten mit Selbstaufgabe. Was unterscheidet sie denn eigentlich, der Gedanke kam mir eines Tages, von den Zugvögeln, die vor dem europäischen Winter nach Afrika emigrieren, um zum Frühjahr zum Brüten nach Europa zurückzukehren? Was für ein Zielunterschied zwischen Mensch und Tier! Und doch sind beide Gruppen jede auf ihre Art Emigranten - Migranten, die über eine eigene Lebenskraft vorgeschriebenen oder aus Not geborenen Zielen folgen.
Akteure im afrikanischen Geschehen sind vorrangig die afrikanischen Regierungen. Manchmal wurden und werden sie demokratisch gewählt, manchmal sind sie durch Staatsstreiche und massenpopuläre Demon-strationen an die Macht gekommen. Dennoch zeigt sich afrikaweit ungebrochen, wenn sich auch laufend modifizierend, der Einfluss ausländischer Regierungen, der Weltmächte, der früheren Kolonialmächte in nicht immer eindeutigen politischen Rollen und mit ihren nicht immer eindeutigen politischen Zielen, die unterschiedlichen Motiven und Ansätzen unterworfen sind. Hierzu könnten auch die puren Geberstaaten gerechnet werden, die über keine politisch motivierte Zugangspolitik zu Afrika verfügen.
Auch hier sollte aber die Frage erlaubt sein, ob die dem mehrheitlichen Willen der Mitgliedstaaten unterworfenen Vereinten Nationen mit dem Sicherheitsrat, ihren Organen, zahllosen Gremien und ihren einflussreichen Sonderorganisationen, ob die afrikanischen (regional, kontinental) wie sonstige internationale Organisationen in Afrika stets eine konstruktive, wegweisende Rolle gespielt und einen mitwirkenden Platz auf dem Kontinent gewonnen haben. Einflussreich sind sicherlich mächtige internationale Kapitalgesellschaften und die zunehmenden Einflüsse religiöser Tendenzen und Kulte jeglicher Art, letztere als Hoffnungsträger auf ein besseres Leben. Aber zu allem politischen Ungemach bilden im afrikanischen Kontext in bestimmten Regionen dieses gewaltigen Kontinents noch immer mächtige Kriegsherren, die sogenannten Warlords afrikanischer Definition und Couleur, Macht- und Einflusszentren, die sich auf die Weltpolitik im Zeitalter der Globalisierung auswirken und sich durch Resolutionen der Vereinten Nationen dokumentiertem internationalem Willen entziehen.
In Afrika sind unzählige, auch mächtige Kräfte am Werk, mit denen umzugehen ist. Dies empfiehlt das Eigeninteresse afrikanischer Staaten wie auch das Eigeninteresse Europas. Jeder bisher verstrichene Tag hat die Botschaft Afrikas, in eine konstruktive, internationale Entwicklung einbezogen zu sein, weltweit getragen. Jeder Tag ist ein Träger. Seit langem hat die Botschaft das so nahe liegende Europa erreicht. Sie erreicht unseren Kontinent sogar täglich. Aber sind wir darauf eingegangen? Haben wir zugehört, obwohl wir unter den Auswirkungen der weltweiten Globalisierungswellen mit Wechselwirkung die Auswirkungen eines mit sich hadernden afrikanischen Kontinents verspüren?
Jeder afrikanische Flüchtling, der in Europa an Land geht und dem es gelingt, sich legal oder illegal in die europäische Entwicklung einzugliedern, ist ein gewichtiger Träger dieser Botschaft. Er ist sogar ihr Sprachrohr. Wir sollten nur hinhören und alles tun, damit sie auch vernommen wird, auf sie aus unserem eigenen Interesse eingegangen und in unsere Interessenpolitik aufgenommen wird. Dies könnte zugleich für den afrikanischen Kontinent von konstruktivem Nutzen sein.
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sam, 24 Jul 2010 - 14:43
Mein in "Africa Positive" erschienener Artikel
(12. Jahrgang, No. 38, 2010):
"Denkansätze
für
eine notwendig neu zu formulierende deutsche Afrikapolitik
Nachrichten melden es immer wieder. Fast jeden Tag. Auch in Deutschland wird darüber geredet und diskutiert sowohl in privater Runde wie in politischen Zirkeln bis zum heutigen Tag, auch wenn das Thema von Zeit zu Zeit von der Aktualität für kürzere oder längere Zeitphasen abgelöst wird. Dann fallen bei diesen Gesprächsrunden und Debatten in der Ferne Afrikas formuliert mit unterschiedlicher Emphase in abwechselnder Reihenfolge Worte der Hilfsbereitschaft, des Bedauerns, des Mitleids und eigentlich auch gewisser offensichtlicher Ratlosigkeit. Man beklagt wohl die politische Lage in einigen afrikanischen Staaten und wohl auch auf dem Kontinent insgesamt sowie die des afrikanischen Menschen, dabei nicht selten mit Distanz und ohne merkbare, umsetzungsfähige Lösungsvorschläge zur politischen und wirtschaftlichen Situation des Kontinents und seiner Bewohner. Wie vielen anderen meiner Zeitgenossen in Europa war auch mir recht wohl bekannt, dass an zahlreichen Orten in Schwarzafrika seit Jahren gewütet, getötet, gekämpft, gestritten, gelitten und Boden- und andere Naturschätze legal und illegal, auf jeden Fall häufig sinnlos, abgebaut, dann verkauft, oft in brutaler Weise Menschenrechte verletzt werden und Afrikaner im unendlichen Fluss ihr Land verlassen.
Mir erscheint recht unklar, warum dies bisher so war, dies immer noch so ist und wohl nach allen gegenwärtigen Anzeichen auch so bleiben könnte, warum sowohl die internationale Politik wie auch afrikanische Ansätze diese in jeder Beziehung aus afrikanischer und internationaler Sicht zutiefst unbefriedigende Lage bislang nicht hatten lösen können. Der Schluss lag dann nicht fern, dass die Lage bewusst oder vielleicht auch resignierend akzeptiert wurde und dass manche Staaten die weltpolitisch unbefriedigende Lage möglicherweise sogar am Leben erhielten und aus Eigeninteresse auch am Leben erhalten wollten. Trotz allem zeigen sich von Zeit zu Zeit in den Medien Hoffnungsschimmer, die über Mut machende Anzeichen einer Besserung in gewissen politischen und menschlichen Lebensbereichen dieses für Europa wichtigen Kontinents, obwohl oft nur von ephemerer Bedeutung, berichten.
Wo lagen und liegen heute immer noch die Motive, die bisher zur politischen Abstinenz Europas führten und eigentlich immer noch führen? In dem Gefühl einer allgemeiner Hoffnungslosigkeit über afrikanische Gegebenheiten? Möglich. In Europa selbst nur schwer zu widerlegende Zweifel an der Effizienz afrikanischer Vorstellungen? Wohl gegeben. In der postkolonialen Haltung gewisser Staaten? Noch heute nicht auszuschließen. In dem persönlichem Machtstreben afrikanischer Politiker? Sicherlich. In dem Streben ausländischer Staaten nach afrikanischen Bodenschätzen und nach den wirtschaftlich interessanten Energievorräten? Unbestritten. In einem traditionellen national-afrikanischen, regional sich unterschiedlich auswirkenden kulturell-politischen Clandenken? Zweifellos. In der eigen formulierten, sozial-politischen Struktur mancher afrikanischer Staaten, Demokratie hin, Demokratie her, die zusätzlich einer eignen, nicht immer förderlichen Nord-Süd Problematik ausgesetzt sind? Wird in Europa nicht als solche wahr genommen.
Seit meiner Zeit als Botschafter in Mali, meinen ihr vorausgehenden Arbeitsaufenthalten im deutschen auswärtigen Dienst, in Indonesien während einer politischen Umbruchzeit, in Vietnam während der Kriegsjahre und im China Mao Tse-tungs, und nach Ende meiner Tätigkeit in der wohlhabenden, bis 2000 immer noch postkolonial wirkenden und auch international so auftretenden Elfenbeinküste - Côte d'Ivoire, sah ich mich mit diesen Fragen verstärkt konfrontiert. Schon in den ersten Tagen meines Aufenthaltes in der Elfenbeinküste hatte sich bei mir ein ungut-unsicheres Gefühl installiert und sich dann auch schnell weiter entwickelt, was ich anfangs auch intuitiv nicht so recht zu begründen wusste. Es waren eigentlich vorerst nur Gefühlsregungen, aber es waren in Wirklichkeit schon die genannten Schlüsselfragen, die verstärkt sich bemerkbar machten, von deren Existenz jedwede politische Initiative und Suche nach politischen und sozial verankerten Lösungen im afrikanischen Raum mit international wirkenden Ergebnissen ausgehen sollten. Trotz meiner Beobachtungen, die Entscheidendes für eine mögliche Ausgangsbasis für eine deutsche (europäische) Politik aufwarfen, zu der mich zusätzlich früher gelesene wissenschaftlich - politische Analysen und Diskussionen über den Zustand Afrikas hingeführt hatten, halte ich doch hier und jetzt als eine erstaunliche Beobachtung fest: Munter und unverdrossen wird weiter staatliche und private Entwicklungshilfe von hohem materiellem und ideellem Wert vereinbart und geleistet, mit bewundernswertem Einsatz einiger Staaten, auch der afrikanischen Empfängerländer, und engagierter Menschen.
Zu diesem bis heute oft - trotz objektiv gegebener Bedürfnisse - unverständigen oder manchmal auch unverständlichen Hilfseinsatz aus allen Himmelsrichtungen unseres Globus auf diesem großen Kontinent in der nahen Nachbarschaft Europas gesellen sich begründete Hilfsmotive aus sich regelmäßig wiederholenden Naturkatastrophen und anderen Ereignissen, denen national wie international großzügig begegnet wird und zu begegnen ist: Dürren, Regenfluten, Erdbeben und rapides Vordringen der Wüste. Hinzu kommen klimaschädliches, räuberisches Abholzen ganzer Wälder auf der Suche nach Edelhölzern und zur unkontrollierten Gewinnung von Ackerland, zusätzlich aber auch als ein nicht zu unterschätzender Faktor auf afrikanischer Volksebene das tägliche Bedürfnis nach qualitätvollem Brennholz für die eigene Küche.
Vielfältig aktiv, wenn auch mit variierendem Erfolg, sind in den Weiten des afrikanischen Kontinents die Akteure der Macht. Sie bestimmen über nationale Lagen und Gegebenheiten, die sich nicht selten auf Nachbarländer auswirken, manchmal weitergehend auf die eigene Region und die Gremien der beschlossenen und eingerichteten regionalen und kontinentalen Zusammenarbeit. Ambitionen dieser Akteure und der Einsatz ihrer Mittel scheinen nach den bisher gemachten Erfahrungen nicht unbedingt der politischen und wirtschaftlichen Beruhigung und Entwicklung des Kontinents und dem lokalen Respekt der Menschenrechte zu dienen.
So präsentieren sich heute ungebrochen und unvermindert frisch dem deutschen Bürger im afrikanischen Raum südlich der Sahara nach wie vor wechselnde Einflüsse aus unterschiedlichen Interessen und Interessen-lagen. Sie wirken sich folgenreich auf unseren eigenen Umgang mit dem wichtigen rund 30 Millionen Quadratkilometer großen afrikanischen Kontinent mit über einer Milliarde Menschen aus, der sich in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und geographischer Sichtnähe Europas befindet.
Oft sind es diese Einflüsse und Lebensumstände wie der zusätzlich - zumindest in Westafrika - vorherrschende Glauben, dass das Leben in Europa das Paradies auf Erden sei. Sie drängen den afrikanischen Menschen zur wirtschaftlichen und politischen Emigration über den Atlantik und das Mittelmeer in Richtung Europa, intakte Familien zerreißend, den tödlichen Stürmen und anderen Meeresgefahren in brüchigen, von Menschenschleppern zu hohem Preis angebotenen Booten mit auswegsloser Verzweiflung trotzend. Es sind Emigranten mit Selbstaufgabe. Was unterscheidet sie denn eigentlich, der Gedanke kam mir eines Tages, von den Zugvögeln, die vor dem europäischen Winter nach Afrika emigrieren, um zum Frühjahr zum Brüten nach Europa zurückzukehren? Was für ein Zielunterschied zwischen Mensch und Tier! Und doch sind beide Gruppen jede auf ihre Art Emigranten - Migranten, die über eine eigene Lebenskraft vorgeschriebenen oder aus Not geborenen Zielen folgen.
Akteure im afrikanischen Geschehen sind vorrangig die afrikanischen Regierungen. Manchmal wurden und werden sie demokratisch gewählt, manchmal sind sie durch Staatsstreiche und massenpopuläre Demon-strationen an die Macht gekommen. Dennoch zeigt sich afrikaweit ungebrochen, wenn sich auch laufend modifizierend, der Einfluss ausländischer Regierungen, der Weltmächte, der früheren Kolonialmächte in nicht immer eindeutigen politischen Rollen und mit ihren nicht immer eindeutigen politischen Zielen, die unterschiedlichen Motiven und Ansätzen unterworfen sind. Hierzu könnten auch die puren Geberstaaten gerechnet werden, die über keine politisch motivierte Zugangspolitik zu Afrika verfügen.
Auch hier sollte aber die Frage erlaubt sein, ob die dem mehrheitlichen Willen der Mitgliedstaaten unterworfenen Vereinten Nationen mit dem Sicherheitsrat, ihren Organen, zahllosen Gremien und ihren einflussreichen Sonderorganisationen, ob die afrikanischen (regional, kontinental) wie sonstige internationale Organisationen in Afrika stets eine konstruktive, wegweisende Rolle gespielt und einen mitwirkenden Platz auf dem Kontinent gewonnen haben. Einflussreich sind sicherlich mächtige internationale Kapitalgesellschaften und die zunehmenden Einflüsse religiöser Tendenzen und Kulte jeglicher Art, letztere als Hoffnungsträger auf ein besseres Leben. Aber zu allem politischen Ungemach bilden im afrikanischen Kontext in bestimmten Regionen dieses gewaltigen Kontinents noch immer mächtige Kriegsherren, die sogenannten Warlords afrikanischer Definition und Couleur, Macht- und Einflusszentren, die sich auf die Weltpolitik im Zeitalter der Globalisierung auswirken und sich durch Resolutionen der Vereinten Nationen dokumentiertem internationalem Willen entziehen.
In Afrika sind unzählige, auch mächtige Kräfte am Werk, mit denen umzugehen ist. Dies empfiehlt das Eigeninteresse afrikanischer Staaten wie auch das Eigeninteresse Europas. Jeder bisher verstrichene Tag hat die Botschaft Afrikas, in eine konstruktive, internationale Entwicklung einbezogen zu sein, weltweit getragen. Jeder Tag ist ein Träger. Seit langem hat die Botschaft das so nahe liegende Europa erreicht. Sie erreicht unseren Kontinent sogar täglich. Aber sind wir darauf eingegangen? Haben wir zugehört, obwohl wir unter den Auswirkungen der weltweiten Globalisierungswellen mit Wechselwirkung die Auswirkungen eines mit sich hadernden afrikanischen Kontinents verspüren?
Jeder afrikanische Flüchtling, der in Europa an Land geht und dem es gelingt, sich legal oder illegal in die europäische Entwicklung einzugliedern, ist ein gewichtiger Träger dieser Botschaft. Er ist sogar ihr Sprachrohr. Wir sollten nur hinhören und alles tun, damit sie auch vernommen wird, auf sie aus unserem eigenen Interesse eingegangen und in unsere Interessenpolitik aufgenommen wird. Dies könnte zugleich für den afrikanischen Kontinent von konstruktivem Nutzen sein.
Hans-Albrecht Max Schraepler
Botschafter a. D."