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Beitrag vom 20.06.2017

Neue Osnabrücker Zeitung

Hightech und bittere Armut

Investitionen in Afrika: Ist der Boom schon wieder vorbei?

von Christian Schaudwet

Osnabrück/Nairobi. Die Bundesregierung macht Afrika zum Kernanliegen ihrer G20-Präsidentschaft. Sie fordert den Kontinent zu Reformen und die Welt zu Investitionen auf. Stellenweise passiert das auch – doch für Millionen Menschen bleibt selbst bescheidenster Wohlstand unerreichbar. Und die ausländischen Direktinvestitionen nehmen bereits wieder ab.

Mit 300 Metern soll „The Pinnacle“ alle anderen Hochhäuser Afrikas überragen. „Der Gipfel“, den ein chinesisches Staatsunternehmen für 200 Millionen Dollar ab Juli in Kenias Hauptstadt Nairobi errichten will, bietet einem Fünf-Sterne-Hotel, Apartments und einem Einkaufszentrum Platz. Auch die neue Bahnlinie zwischen Nairobi und der Hafenstadt Mombasa, die Anfang Juni eröffnet wurde, haben chinesische Unternehmen angelegt. Die nächste planen sie in Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria. Auf dem gesamten Kontinent baut China Straßen und zieht ganze Stadtviertel hoch.

Chinesische Firmen agieren am auffälligsten, aber auch Unternehmen aus anderen Teilen der Welt haben einen Investitionsboom in Gang gesetzt, wie ihn Afrika nie zuvor erlebte. Flossen im Jahr 2004 noch 21 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen in den Kontinent, waren es 2014 bereits mehr als 71 Milliarden, wie aus den Statistiken der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hervorgeht.

Eldorado für Mobilfunkunternehmen

Lange lockten vor allem Bodenschätze die Investoren. Inzwischen haben sie Afrika auch als Absatzmarkt entdeckt: In den Städten Kenias, Nigerias, Äthiopiens, Ruandas und anderen vor allem ostafrikanischen Ländern entsteht eine Mittelschicht, und die Bevölkerung des Kontinents wird Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 von heute 1,2 Milliarden auf 2,5 Milliarden Menschen anwachsen. Mobilfunkkonzerne schwärmen von Afrika, wo das mobile Internet inzwischen viele Ballungsräume abdeckt und wo Bezahldienste fürs Handy boomen. M-Pesa, ein Dienst der kenianischen Telefongesellschaft Safaricom, gilt als erfolgreichster Mobile-Payment-Service der Welt - Safaricom gehört zu 40 Prozent dem Mobilfunkriesen Vodafone.

Doch der Investitionsboom ist möglicherweise schon bald wieder vorbei: Seit 2013 nämlich sinken die ausländischen Direktinvestitionen. Zwischen dem Rekordjahr 2012 (78 Milliarden Dollar) und 2016 (59 Milliarden Dollar) ebbte der Geldfluss um 23 Prozent ab. Die UNCTAD führt diesen Abwärtstrend auf gesunkene Rohstoffpreise zurück. 2015 hätten diese vor allem in den Förderländern Demokratische Republik Kongo, Sambia und Mosambik die Investitionen einbrechen lassen. Viele Länder auf dem Kontinent sind immer noch extrem abhängig vom Rohstoffexport und damit globalen Preisschwankungen besonders ausgesetzt.

Abhängig von Rohstoffexporten

Selbst wachstumsstarke afrikanische Länder sind noch weit davon entfernt, die Erfolgsgeschichte der südostasiatischen „Tiger-Staaten“ zu wiederholen. Dort führte vor allem der Aufbau einer effizienten Landwirtschaft und einer starken Nahrungsmittelindustrie zum Aufschwung. Etwas Ähnliches ist in Afrika bisher nicht in Sicht. Zwar sagte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Region nach einem schwierigen Jahr 2016 ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,4 Prozent für 2017 voraus. Doch zugleich mahnt sie exportstarke Länder, endlich weniger auf Rohstoffe zu setzen, ihre Produktpaletten zu erweitern und den innerafrikanischen Handel zu stärken statt sich auf Europa und China zu konzentrieren.

Die Bundesregierung will der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas neuen Schub geben, sie hat den Fokus ihrer G20-Präsidentschaft auf den Kontinent gerichtet. Kanzlerin Angela Merkel rief Mitte Juni die reichen Staaten der Welt und dortige Unternehmen zu mehr Investitionen auf. Sie will Afrika auch zum Schwerpunktthema des G20-Gipfeltreffens in am 7. und 8. Juli in Hamburg machen. (Lesen Sie auch: „Merkel-Plan“ – 300 Millionen Euro zusätzlich für Afrika)

Entwicklungshilfe: Segen oder Fluch?

Denn immer noch vor allem südlich der Sahara viele Länder auf internationale Entwicklungshilfe angewiesen. Große Teile der Bevölkerung leben in bitterer Armut. Kritiker führen an, dass gerade die Geldflüsse der Entwicklungshilfe verhindern, dass in den Zielländern eine eigenständige und international wettbewerbsfähige Wirtschaft entstehen kann. Umstritten ist überdies das Verhalten der Europäischen Union: Während sie Entwicklungsprojekte finanziert, richtet sie unter anderem durch Fischereiabkommen großen Schaden an: Diese erlauben riesigen europäischen Fangschiffen das Fischen vor westafrikanischen Küsten – zulasten einheimischer Fischer und Fischverarbeiter. Aber auch der deutsche Aufruf zu mehr privaten Investitionen stieß teils auf Kritik. Die Nichtregierungsorganisation Welthungerhilfe etwa warnte, bei Merkels Plan drohten die ländlichen Gebiete zu kurz zu kommen, wo nach wie vor Menschen Hunger litten.

Die Kluft zwischen Aufbruch und Hoffnungslosigkeit ist in kaum einem Land so tief wie in Kenia, das wegen seines wachsenden IT- und Telekommunikationssektors bereits als „Silicon Savannah“ bezeichnet wird. Zwar kann Nairobi demnächst wohl den höchsten Wolkenkratzer des Kontinents präsentieren. Am Südrand der Hauptstadt liegt aber auch Kibera: Mehr als eine Million Menschen leben in dem 2,5 Quadratkilometer großen Slum unter ärmlichsten Bedingungen. Dann und wann fallen kleine weiße Bälle auf die Blechhütten von Kibera – vom Golfplatz nebenan.

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Von regional bis global - Christian Schaudwet schreibt über Wirtschaftsthemen und koordiniert die NOZ-Wirtschaftszeitung "Die Wirtschaft". Er war Zentral- und Osteuropakorrespondent des Magazins WirtschaftsWoche und sammelte in Berlin Erfahrungen in Politikberatung und Öffentlichkeitsarbeit.