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For a different development policy!

Beitrag vom 18.11.2008

Diskussionsveranstaltung "Eine andere Entwicklungspolitik!"
Berlin, 13. November 2008

"Wie ist die bisherige Entwicklungszusammenarbeit zu bewerten und wie müsste eine neue Politik aussehen?" Diese zwei Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion über "Eine andere Entwicklungpolitik!" in der Katholischen Akademie Berlin am 13. November, an der 60 Abgeordnete, Experten und Praktiker teilnahmen.
Zur Beantwortung der ersten Frage gab es Impulsreferate von dem FDP-Abgeordneten Hellmut Königshaus, dem Entwicklungsexperten Franz Nuscheler und dem Mitarbeiter des "Wittenberg Zentrums für globale Ethik" Tumenta F. Kennedy. Alle drei waren sich einig, dass der "Bonner Aufuf" entscheidende Kritikpunkte der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit thematisiert und erneut notwendige Aufmerksamkeit verschafft habe. Bemerkenswert war vor allem die Zuspitzung der Problematik durch Franz Nuscheler, der von einer "Veräußerung der Eigenverantwortung" in der EZ sprach und diese als die schwerwiegendste Hypothek der vergangenen Jahrzehnte bezeichnete. Allerdings wies Nuscheler die pauschale Kritik des Aufrufes zurück (vor allem die Aussage, die Entwicklungspolitik habe versagt) und betonte, dass die Forderungen missverständlich seien oder gar zu verkehrten Konsequenzen führten. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass seine Kritik von anderen Anwesenden geteilt wird. Vor allem die Rolle des Staates wurde intensiv diskutiert. Mehrfach wurde auf die Erfolgsgeschichten sogenannter Entwicklungsdiktaturen in Südostasien hingewiesen, in denen die staatlichen Institutionen eine entscheidende Rolle in der Verstärkung der Entwicklungsdynamik gespielt hätten. Jürgen Wilhelm vom DED fragte zudem, warum die Forderung nach guter Regierungsführung vom Bonner Aufruf nicht als Stärkung von Eigenverantwortung thematisiert worden sei. In diesem Zusammenhang wurde auch die Kritik an der Budgethilfe zurückgewiesen, weil diese eine Möglichkeit biete, die Eigenständigkeit der afrikanischen Regierungen zu stärken. Die Analyse der bisherigen Zusammenarbeit führte somit auch zu gegenläufigen Positionen in der Beantwortung der zweiten Frage: Muss es eine radikale Änderung der Entwicklungspolitik geben?
Diese Frage wurde durch Winfried Pinger, Martin Wilde und André Munzinger eingeleitet, die dem Initiatorenkreis des Aufrufes angehören und die sich für eine grundlegende Neuorientierung aussprachen: für eine Entwicklungsförderung "von unten", in der die Selbsthilfekräfte im Zentrum der EZ stehen. Der Moderator Kurt Gerhardt verwies dabei auf die Schlüsselrolle der Bildung und zeigte anhand des letzten Berichts des Arnold-Bergstraesser-Instituts den Abwärtstrend in der deutschen Bildungszusammenarbeit auf - trotz gegenteiliger Behauptungen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde zwar ein gewisses Einvernehmen über die Bedeutung von Bildung und Kapitalzugang für die Ärmsten deutlich, allerdings zeichnete sich über die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Ausgaben in diesen Bereichen kein Konsens ab. Wie in der ersten Diskussionsrunde wurde in dieser Auseinandersetzung deutlich, dass sich die Initiativen der Makroebene (so z.B. "Education for All" oder "Fasttrack Initiative") in die Realität vor Ort und im Einzelnen nicht hinreichend haben übersetzen lassen.
Rupert Neudeck verdeutlichte in seiner Zusammenfassung, dass sich die Initiatoren in ihrer entschiedenen Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit als Teil des Systems und nicht als besserwissende Außenstehende verständen und in diesem Sinne die Diskussion engagiert weiterbetreiben würden.

André Munzinger