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Beitrag vom 08.07.2025

Achgut.com

Wasserkraftwerk oder Wasserraub?

Volker Seitz

Äthiopien vollendet umstrittenes Megaprojekt: Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm steht – und sorgt für Spannungen. Während Addis Abeba auf Energie und Entwicklung hofft, warnen Ägypten und Sudan vor einer Bedrohung ihrer Wasserversorgung.

Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed hat am 3. Juli 2025 dem Parlament in Addis Abeba mitgeteilt, dass der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm (GERD) fertiggestellt wurde. Der über 1,6 km lange und 145 m hohe Damm befindet sich am Zufluss des Blauen Nils im nordäthiopischen Hochland, aus dem 85 Prozent des Nilwassers fließen. Abiy Ahmed versuchte in seiner Rede, die Nachbarn flussabwärts, Sudan und Ägypten, zu beruhigen: Der Damm sei keine Bedrohung, sondern eine gemeinsame Chance. Er glaube an gemeinsamen Fortschritt, gemeinsame Energie und gemeinsames Wasser.

Äthiopien betrachtet den Staudamm als unverzichtbar für die Deckung seines Energiebedarfs (60 Prozent der Äthiopier sind derzeit ohne Stromversorgung), während der Sudan und Ägypten in dem Damm eine Bedrohung ihrer Wasserversorgung aus dem Nil sehen. Ägypten ist für fast sein gesamtes Süßwasser auf den Nil angewiesen und fürchtet eine Unterbrechung des Wasserflusses und dass eine Reduzierung der Nilwassermenge zu erheblichem Verlust bei bewässertem Land führen könnte. Der Sudan ist ebenfalls auf Nilwasser angewiesen und teilt die Bedenken Ägyptens. Frühere Verhandlungen konnten die Differenzen nicht beilegen.

Abiy Ahmed hofft auf Versöhnung und hat beide Staatschefs zur offiziellen Eröffnung im September eingeladen. Allerdings trafen sich erst vor wenigen Tagen der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi und der sudanesische Militärchef Fatah al- Burhan und betonten ihre Ablehnung jeglicher einseitiger Maßnahmen im Blauen Nilbecken.

Alle Bemühungen um Vermittlung sind bisher gescheitert

Der Blaue Nil, an dem die Talsperre gebaut wurde, entspringt in den Bergen Äthiopiens, fließt durch Äthiopien, dann weiter durch den Sudan, wo er sich hinter Khartum mit dem Weißen Nil vereint. Der Weiße Nil ist die Lebensader vor allem für Ägypten. Und deshalb gibt es Streit. Ägypten sieht sich bedroht. Die Landwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und die Stromversorgung des regenarmen Landes sind stark von der Wassermenge im Nilbecken abhängig.

Äthiopien, Ägypten und der Sudan ringen um die Frage, wie das Nilwasser künftig gerecht aufgeteilt werden soll. Der Fluss gehört den drei Ländern, sie müssen eine Lösung finden. Der Konflikt wird vor allem zwischen den beiden bevölkerungsreichen Regionalmächten Ägypten und Äthiopien ausgetragen. Alle Bemühungen um Vermittlung zwischen den Anrainerstaaten des Nils sind bisher gescheitert. Ägypten drängt auf garantierte Wassermengen, die Äthiopien durchlassen soll. Darauf konnten sich die beiden Staaten bislang nicht verständigen.

Der langfristige Betrieb des Dammes sollte idealerweise nach einem Mechanismus erfolgen, der bei der Freigabe von Wasser sowohl die Erfordernisse der Stromerzeugung als auch angemessene Schutzmaßnahmen für Ägypten und Sudan während Zeiten von Trockenheit und Dürre berücksichtigt.