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Beitrag vom 15.02.2021

FAZ

SAHEL-GIPFELTREFFEN:

Werden sich Paris und Berlin beim Antiterrorkampf einig?

VON JOHANNES LEITHÄUSER UND MICHAELA WIEGEL

Aus dem deutsch-französischen Schulterschluss im afrikanischen Wüstenstaub wird nun doch nichts. Außenminister Heiko Maas und Präsident Emmanuel Macron reisen nicht wie ursprünglich geplant an diesem Montag zum Sahel-Gipfeltreffen in den Tschad. Sie werden nur per Videoübertragung an der Tagung der Staatschefs Mauretaniens, Nigers, Malis, Burkina Fasos und Tschads in der Hauptstadt N’Djamena teilnehmen.

Dort wird über bessere Hilfen zur Abwehr der Terrorbedrohung, zur Stabilisierung der Region und zur humanitären Unterstützung beraten. Seit französische Streitkräfte vor acht Jahren den Vormarsch dschihadistischer Terrormilizen in Mali stoppten, hat sich auch die Bundeswehr immer stärker in dem krisengeschüttelten Land engagiert.

Deutschland beteiligt sich an der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (Minusma) und hilft dabei, einheimische Soldaten und Polizisten auszubilden. Fünf Sahel-Staaten haben 2014 auf deutsch-französischen Anstoß eine gemeinsame militärische Eingreiftruppe geschaffen, um den Antiterrorkampf im gesamten Sahel-Raum zu verstärken. Trotzdem haben sich Zahl und Ausbreitung von Anschlägen und Attacken vergrößert. Macron bat die Deutschen vor Jahresfrist erfolglos um direkte militärische Unterstützung für den Antiterroreinsatz. Die Bundesregierung zeigte sich lediglich willens, ihr Bekenntnis zur Unterstützung in allgemeiner Form zu bekräftigen.

Die Kritik an der Operation Barkhane wächst

Der französische Präsident sucht nach einer Alternative zur aktuellen Strategie des „Ausharrens und Weitermachens“ für seine Truppen. Er strebt eine „Anpassung“ der „militärischen Anstrengungen“ Frankreichs an, wie er in seiner Neujahrsansprache an die Streitkräfte betonte. Die Frage einer besseren Lastenteilung soll beim Gipfel in N’Djamena im Vordergrund stehen. Die Einsatztruppe des Militärbündnisses müsse besser genutzt werden, so der französische Wunsch. Macron würde gern rechtzeitig vor den Präsidentenwahlen im nächsten Frühjahr eine französische Truppenverkleinerung verkünden. Der Militäreinsatz „Barkhane“, die größte Auslandsmission der Streitkräfte, stößt auf immer größere Kritik in der Sahel-Region. Wurden die Franzosen vor acht Jahren noch als Befreier gefeiert, gelten sie inzwischen vielen als Besatzer mit neokolonialen Ambitionen.

Auch in der Heimat bröckelt die Zustimmung. 57 französische Soldaten sind gefallen, zu Jahresbeginn starb zum ersten Mal eine Soldatin bei einem Anschlag mit einem Sprengsatz. Im Informationskrieg habe man Verluste hinnehmen müssen, räumte der Kommandant der französischen Militäroperation Barkhane, General Marc Conruyt, bei einem Austausch mit Journalisten kurz vor dem Gipfel ein. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, bei einem französischen Luftangriff am 3. Januar bei Bounti seien 20 Gäste einer Hochzeitsgesellschaft getötet worden. Die Mission Minusma hat Ermittlungen eingeleitet. Der französische Kommandant hebt hervor, er wolle das Ermittlungsergebnis abwarten.

„Weniger Truppen bedeutet weniger Aktionen im Antiterrorkampf“, sagte der General zu einem französischen Rückzug. Er lenkte damit das Augenmerk auf die Tatsache, dass die vereinbarte Lastenteilung mit den Sahel-Ländern und den europäischen Partnern die Gefahrenlage nicht spürbar verändert hat. Die Europäer beteiligen sich wie Deutschland entweder gar nicht an Kampfhandlungen oder kommen ihren Versprechen nur schleppend nach.

Amerika verstärkt unter Biden sein Engagement

Auch in der europäischen Kampftruppe Takuba trägt Frankreich wieder die Hauptverantwortung mit 115 Soldaten. 30 estnische und 30 tschechische Elitesoldaten beteiligen sich, das sind weniger als erhofft. Verstärkung soll demnächst durch 150 schwedische Elitesoldaten kommen, die aber nicht voll integriert werden dürfen. Im Elysée-Palast wurde die Hoffnung geäußert, dass Dänemark, Griechenland und Ungarn Soldaten entsenden könnten. Auch eine Beteiligung von Kampfeinheiten aus Serbien und der Ukraine sei in Beratung, heißt es in Paris.

Zumindest Amerika verstärkt unter Präsident Joe Biden sein Engagement. „Die amerikanische Unterstützung bei der Aufklärung ist entscheidend“, betonte der Barkhane-Kommandant. Verteidigungsministerin Florence Parly will an diesem Montag in einem Telefonat mit der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer unter anderem auch über die deutsche Beteiligung in Mali sprechen.

Die europäische Ausbildungsmission in Bamako hat nicht dazu geführt, dass die malische Armee ihre Einsatzfähigkeit maßgeblich verbessert hat. Von den 16.000 in Aussicht gestellten Soldaten sind nicht einmal 10.000 einsatzbereit. Nach dem Militärputsch im vergangenen August in Bamako sei aber das Verständnis für notwendige Reformen bei den Streitkräften in der malischen Führung gestiegen, heißt es in Paris. Als schwieriger Partner erweist sich auch der tschadische Präsident Idriss Déby. Ursprünglich war das Gipfeltreffen in N’Djamena als Dankesgeste an den tschadischen Staatschef geplant, der mit seinem achten Bataillon die G-5-Sahel-Truppe zu einer schlagfertigen Einsatztruppe verwandeln sollte. Doch anscheinend verzögert sich die Entsendung der tschadischen Soldaten.

Der Feind passt sich ständig an

Im Elysée-Palast heißt es, die Verstärkung aus Tschad werde „in den nächsten Tagen“ erwartet. Vor einem Jahr hatten die Staatschefs der G-5-Sahelstaaten bei einem Gipfel in Pau ihr Bekenntnis zum französischen Militäreinsatz erneuert. Macron stockte daraufhin die Zahl der französischen Soldaten von 4500 auf 5100 auf.

Der Barkhane-Kommandant betonte, dass sich der Feind ständig anpasse. Sobald Dschihadisten eliminiert seien, tauchten neue auf. Einen Sieg im Sahel erwartet auch der Generalstabschef der französischen Streitkräfte, General François Lecointre, nicht mehr. „Ein Soldat muss sich auch mal zufriedengeben, wenn wenigstens das Schlimmste verhindert wird“, sagte er kürzlich im Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung.

Neben der militärischen Ausbildungsmission haben Deutschland und andere europäische Länder ihre Entwicklungshilfe verstärkt. Von welchen Erwägungen und Zwängen das deutsche Engagement in der Sahel-Region geleitet wird, darüber gibt ein Positionspapier Auskunft, das vor wenigen Tagen von der SPD-Fraktion im Bundestag beschlossen worden ist. Darin heißt es, „trotz der durchwachsenen Erfolgsbilanz des bisherigen Engagements“ sei ein Rückzug der internationalen Gemeinschaft aus dem Sahel „keine Option“, allerdings müsse es zu einer „Neujustierung“ kommen.

SPD will Vorgehen strategisch breiter fassen

Die SPD plädiert für eine „ganzheitliche Entgegnung auf sozial- und sicherheitspolitische Herausforderungen“. Den französischen Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung will die SPD nicht nachgeben; stattdessen plädiert sie dafür, „das stärker auf das Militärische fokussierte französische Engagement in der Sahel-Region in ein strategisch breiter gefasstes – das heißt im Spannungsfeld zwischen militärischem und zivilem Vorgehen ausgeglicheneres – europäisches Vorgehen miteinzubeziehen“.

So wird von der SPD, der Partei des Außenministers Heiko Maas, vor allem das entwicklungspolitische Engagement Deutschlands gelobt, während die deutsche Unterstützung bei der Ausbildung der Streitkräfte in Mali und anderen Sahel-Staaten kritisch gesehen wird. Es werde zu einseitig Wert gelegt auf die „Professionalisierung“ der einheimischen Streitkräfte, „ohne ausreichende rechtsstaatliche Einbettung und zivile Kontrolle“. Die Sozialdemokraten verlangen, künftig solle die Ausbildungshilfe an die Bedingung gebunden werden, dass Mali eine gründliche Reform des Militärwesens bewerkstelligt, die Korruption im Militär bekämpft, bei der Rekrutierung der Soldaten „ethnische Pluralität“ berücksichtigt und die Verwendung der Spenden von militärischem Gerät dokumentiert.

Gleichzeitig plädiert das sozialdemokratische Positionspapier jedoch dafür, „eigenverantwortliches Handeln“ in den Staaten der Region zu fördern. Ähnliche gegensätzliche Akzente entstehen aus der Feststellung, es gelte „die Überbetonung eines militärischen Ansatzes zu vermeiden“, der vor allem von Frankreich getragen wird, und der Empfehlung, es müsse „auf bilateraler Ebene – trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen – das Ziel bleiben, die afrikapolitischen Konsultationen mit Frankreich auszubauen“.