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Beitrag vom 22.04.2018

SPIEGEL ONLINE

Mali und die Islamisten: Ein neues Afghanistan in Afrika

Die Islamisten waren bemerkenswert gut vorbereitet. Sie fuhren mit zwei Fahrzeugen vor eine Uno-Basis in Mali, eins offenbar mit der Kennzeichnung der Uno, ein weiteres in den Tarnfarben der malischen Armee. Und sie trugen blaue Helme, weltweites Erkennungszeichen für die Truppen, die im Uno-Auftrag den Frieden sichern sollen.

Doch die Angreifer kamen durchaus nicht in friedlicher Absicht. In ihrer Verkleidung hofften sie, bis ins Innere der Stützpunkte am Rand von Timbuktu vorzudringen. Schließlich brachten sie ihre Fahrzeuge am Eingang der Basis zur Explosion und griffen dann mit Sturmgewehren, Granaten und Raketen an. Nach vier Stunden Kampf waren 15 Islamisten und ein echter Blauhelm tot, sieben französische Soldaten wurden verletzt. Das war am vergangenen Wochenende. "Beispiellos" nannte ein Minusma-Sprecher die perfide Aktion.

Mali entwickelt sich zu einem der gefährlichsten Länder Afrikas. Manche sagen: zu einem neuen Afghanistan.

Die gefährlichste laufende Uno-Operation ist die Stabilisierungsoperation für Mali (Minusma) seit Jahren. Bislang starben 102 Uno-Kräfte durch Attacken. Trotz großer Anstrengungen, westlicher Unterstützung und Kampfansagen werden die Islamisten nur selbstbewusster. Entwicklungshelfer, die vor einigen Monaten von Extremisten in Mali überfallen wurden, bekamen einer Botschaft an Polizei und Armee mit auf den Weg: "Sagt ihnen, dass dieses Land uns gehört."

Die Parallelen zu Afghanistan sind zahlreich

Aus Afghanistan kennt man hinterhältige Attacken wie am vergangenen Wochenende nur zu gut: Versteckt in falschen Krankenwagen, Polizei- oder Militärfahrzeugen und in der passender Kleidung schaffen es Attentäter immer wieder, maximalen Schaden anzurichten. Wenn sie nicht vorher entdeckt werden, gibt es fast immer Tote.

Die Bundeswehr, die für Minusma knapp 1000 Soldaten stellt, spricht nun von einer "neuen Qualität" in Mali. Die Komplexität und die Tarnung der Täter sowie speziell lackierte Fahrzeuge zeugten von einer Professionalisierung, so die interne Bewertung.

Auch die Struktur des Widerstands ist ähnlich wie in Afghanistan. Ohne die Clans und ihre Stammesführer - Paschtunen in Afghanistan, Tuareg und Fulani im Sahel - geht in vielen Landesteilen nichts. In Mali ist die Hälfte des Landes nördlich des Niger - immerhin so groß wie Frankreich - praktisch Stammesgebiet. Hier regieren eher die Ethnien als die Zentralregierung, von der sich die Tuareg schlecht behandelt fühlen.
Eine weitere Parallele: Wegen der ausgedehnten Bereiche, in denen die Zentralregierung nichts zu melden hat, ist die malische Wüste ähnlich wie die Bergregion zwischen Afghanistan und Pakistan zum Rückzugsraum für Terrorgruppen geworden. Darunter befinden sich auch Ableger von al-Qaida.
Sahel-Dschihadisten in einem neuen Bündnis

2018 ist ein weiteres Schicksalsjahr für Mali. Im Juli soll der Präsident gewählt werden, Ibrahim Boubacar Kaita tritt erneut an und würde gern wenigstens den Anschein eines ordentlichen Urnengangs hinbekommen. Allein: Die Kontrolle über sein Land ist ihm spätestens 2012 entglitten und bis heute nicht voll wieder hergestellt.

Zwar schlugen die Franzosen 2013 den islamistischen Vormarsch auf die Hauptstadt Bamako zurück und befreiten anschließend auch Gao und Timbuktu. Aber die Terrorkrieger zogen sich nur soweit zurück, wie sie mussten - und nun rollt eine neue Offensive.

Vor einem Jahr bündelten die größten Dschihadistengruppen ihre Kräfte für konzertierte Attacken. Ihr Bündnis nennen sie Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime (GSIM). Ein frommer Name, unter dem sich die Gruppen al-Qaida im islamischen Magreb (AQIM), Ansar Dine und al-Murabitun zusammenfanden.