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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 15.11.2017

FAZ

Sturz von Robert Mugabe :

Für den Patriarchen gibt es keinen Weg zurück

Von Peter Pauls

Die Machtübernahme durch das Militär beendet den langen Niedergang Zimbabwes unter Präsident Mugabe. Ein Neuanfang für das Land ist sie jedoch nicht. Eine Analyse.

Aus Sorge um das Land Zimbabwe, wörtlich: zur Abwendung der „sich verschlimmernden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise“. Mit diesen Worten begründete das Militär in Zimbabwe jetzt seine faktische Machtübernahme. Doch im Grunde tat es das Gleiche, was es auch schon unter dem abgesetzten Präsidenten Robert Mugabe getan hatte. Es versuchte, die Bevölkerung des Staates im südlichen Afrika und die internationale Gemeinschaft zu täuschen. Oder sollte die Armeeführung tatsächlich selbst glauben, was sie im staatlichen Fernsehen verkündet hat?

Für jeden Zimbabwer ist die Krise unmittelbar greifbar. Es gibt keine nationale Währung mehr, stattdessen hat man den Dollar eingeführt. Die Arbeitslosigkeit ist so bedrückend hoch, dass Millionen junger Zimbabwer im Nachbarland Südafrika arbeiten und nur mit ihren Überweisungen in die Heimat das morsche Regime am Leben halten. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist gesunken, auf dem Land gilt wieder die Tauschwirtschaft. Wenn also Generalmajor Sibusiso Moyo im Fernsehen jetzt von einer Krise sprach, dann hatten sicherlich viele Zuschauer im Land ein Bild von Not und Mangel im Kopf, von Arbeitslosigkeit und fehlender Lebensperspektive. Doch das ist seit Jahren so, ohne dass es das Militär ernstlich gestört hätte.

Was folgt auf Robert Mugabe?

Die Krise, von der das Militär spricht, ist eine andere. Hinter der aktuellen Entwicklung in Zimbabwe steht der Kampf um die Nachfolge Robert Mugabes. Der 93 Jahre alte Präsident fiel zuletzt immer häufiger als hinfällig auf, musste gestützt werden und schlief auch bei öffentlichen Anlässen wiederholt ein. Zwar hatte er angekündigt, im kommenden Jahr für eine weitere Amtszeit als Präsident kandidieren zu wollen. Nach deren Ablauf wäre Mugabe 99 Jahre alt. Jeder öffentliche Auftritt Mugabes in der letzten Zeit und jede der wenig diskreten Handreichungen seiner deutlich jüngeren zweiten Frau Grace haben klargemacht, wie beschränkt es um die Leistungsfähigkeit des greisen Präsidenten bestellt ist und wie wenig wahrscheinlich es ist, dass er eine weitere – dann sechste volle – Amtszeit physisch überhaupt durchstehen würde.

Gleichzeitig wurde in Mugabes politischer Umgebung wahrgenommen, wie seine agile, 52 Jahre alte Ehefrau an Einfluss gewann, sich bei öffentlichen Auftritten als erste Bewunderin und Beraterin des Präsidenten inszenierte und ihn gleichzeitig demütigte, indem sie ihn wie eine Schaufensterpuppe hin und her schob oder ihm etwa eine Kopfbedeckung überstülpte. Diese übergriffigen Gesten gingen mit einer weiteren gesellschaftlichen Regelverletzung einher, dem mangelnden Respekt vor dem Alter.

Im Grunde kam der Schritt des Militärs mit Ansage. Eine letzte ernste Warnung hatte Militärchef Constantino Chiwenga bereits am Anfang der Woche ausgesprochen, als er der Regierung und damit Mugabe gedroht hatte, die Armee sei angesichts der „Krise im Land bereit einzuschreiten“. Das war ein unerhörter Schritt in der 37 Jahre währenden Geschichte des jungen Staates. Offener Widerspruch dem Präsidenten gegenüber, Kritik an ihm oder am Zustand des Landes hatten in Zimbabwe bislang zumindest das politische, wenn nicht gar das physische Verschwinden zur Folge, bis hin zum kaum verhüllten politischen Mord. Immer wieder kam es zu tödlichen „Unfällen“, in denen Regierungskritiker angeblich frontal gegen Militärlastwagen oder andere Hindernisse gefahren waren. Spätestens nach Chiwengas Warnung hätte Mugabe reagieren müssen. Stattdessen formulierte die regierende Partei Zanu-PF eine scharfe Stellungnahme, sprach im sattsam bekannten Duktus von Verrat und Anstachelung zur gewaltsamen Auflehnung gegen die verfassungsrechtliche Ordnung – und hätte doch besser Gesprächsbereitschaft und Entgegenkommen signalisiert.

Denn was Chiwenga dazu gebracht hatte, von einer „Krise“ zu sprechen, war offenkundig der drohende Verlust einer Machtperspektive – für ihn und für den Kreis der ehemaligen Freiheitskämpfer und der mit ihnen verbündeten Veteranenverbände insgesamt. Mugabe hatte den Bogen eindeutig überspannt, als er in der vergangenen Woche seinen alten Kampfgefährten Emmerson Mnangagwa nicht nur als Vizepräsidenten feuerte und aus der Partei warf. Der in Partei- und Armeekreisen hoch angesehene Mnangagwa musste sogar wie ein geprügelter Hund das Land verlassen. An seiner Stelle hatte Mugabe seine Frau Grace installieren wollen, die durch vielerlei Skandale und Selbstbereicherungen aufgefallen ist, nicht jedoch durch politische Initiativen oder Vorstöße.

Zimbabwe befindet sich seit wenigstens 15 Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Krise. Diese brach in der Parlamentswahl von 2008 offen aus, als Mugabe und seiner Partei mit dem Gewerkschafter Morgan Tsvangirai erstmals ein ernstzunehmender Widersacher erwuchs. Nach Unruhen, die das Land an den Rand des Bürgerkriegs führten, wurde Tsvangirai schließlich Ministerpräsident unter Mugabe. Dem Land eine neue politische Richtung zu geben, vermochte auch der bullige Tsvangirai nicht, der Mordanschläge überlebte und durch permanente Anfeindungen an den Rand seiner Existenz gebracht wurde. In den großen Städten, insbesondere in der Hauptstadt Harare und in Bulawyo, dem Zentrum der früheren Unruheprovinz Matabeleland, wird die Herrschaft Mugabes und seiner Gefährten mitunter offen herausgefordert. Die Machtbasis der Regierungspartei Zanu-PF sind nach wie vor die ländliche Bevölkerung und ein effektiver Unterdrückungsapparat.

Indes ist das Aufbegehren des Militärs nicht mehr als ein Aufstand der alten Männer, auch wenn sie zumindest jünger als Robert Mugabe sind. Auch Armeechef Chiwenga ist ein Gefährte aus den alten Zeiten des Kampfes gegen das weiße Minderheitenregime des Ian Smith aus den Zeiten, in denen Zimbabwe noch Rhodesien hieß und wegen seiner Rassenpolitik ein internationaler Paria war.

Von Smith, Ministerpräsident von 1964 bis 1979, ist der Satz überliefert, er glaube nicht an eine schwarze Mehrheitsregierung in Rhodesien – „nicht in tausend Jahren“. Der junge Robert Mugabe hingegen stand für die Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß. Das Bildungssystem des jungen Staates, der die Unabhängigkeit von Großbritannien 1980 erlangte, war vorbildlich. Einst stand Mugabe im Wettstreit mit Nelson Mandela um die moralische Führung Afrikas. Zumindest glaubte er, es sei so – auch noch, als er Zimbabwe, nach kurzer Blüte, in einen lang anhaltenden Abschwung bis hin zur Destabilisierung führte.