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Beitrag vom 19.08.2015

NZZ

Bürgerkrieg im Südsudan

Der junge, sterbende Staat

Salva Kiir, der Präsident des Südsudans, hat den Hoffnungen auf ein Friedensabkommen eine Abfuhr erteilt. Das Land versinkt weiter in Armut und Blut.

Kommentar von David Signer

Die Hoffnung auf Frieden im Südsudan hat sich zerschlagen. Mit Fanfaren und Jubel hatte der jüngste Staat Afrikas im Sommer 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan gefeiert. Vorausgegangen war ein mehr als zwanzigjähriger Krieg. Aber die Freude war von kurzer Dauer. Mitte 2013 entliess Präsident Kiir seinen Vize Machar, Ende des Jahres kam es zu einem Putschversuch, hinter dem Machar vermutet wurde. Kiir mobilisierte Milizen der Dinka, des Mehrheitsvolkes im Südsudan, dem er selber angehört. Machar tat dasselbe mit «Rebellen» aus seiner eigenen Ethnie, den Nuer. Damit nahm der Machtkampf zwischen den Politikern eine Stammesdimension an, die Fehde weitete sich zum Bürgerkrieg aus. Zehntausende sind der Gewalt schon zum Opfer gefallen, zwei Millionen wurden vertrieben.

Erfolg und Scheitern der Freiheitskämpfer

Am Dienstag hat Kiir das jüngste Abkommen für nichtig erklärt. Ein Friedensschluss wäre allerdings erstaunlich gewesen. Zwanzig Monate dauert der Krieg bereits, fast ebenso lange wird verhandelt. Mehr als leeres Gerede produzierten die Streithähne bei den Verhandlungen in einem Luxushotel in Addis Abeba nicht. Die jeweiligen «Friedensverträge» wurden meist schon am nächsten Tag gebrochen. Der amerikanische Präsident Obama bezeichnete Kiir und Machar bei seiner Rede vor der Afrikanischen Union im Juli als dickköpfig. «Sie kümmern sich nicht um das Wohlergehen der Nation, sondern nur um ihre eigenen Interessen.»

Insbesondere Kiir kennt nichts anderes als Kampf. Der inzwischen 64-Jährige trat schon als Jugendlicher der Sudan People's Liberation Army (SPLA) bei, deren Führung er 2005 übernahm. Als er am Ziel angelangt war und Präsident des neuen Staates wurde, gab er sich als Reformer. Bald jedoch zeigte sich hinter der Maske des reifen Staatsmanns wieder der unerbittliche Kämpfer. Kiir ist dabei vergleichbar mit den Regenten von zwei anderen jungen Staaten in Afrika, nämlich Afewerki in Eritrea und Mugabe in Simbabwe. Auch diese beiden Autokraten kämpften viele Jahre lang für die Freiheit ihrer Länder, galten anfangs durchaus als Hoffnungsträger, reiten aber ihre Länder nun seit Jahren in den Abgrund. Der Wechsel von der Militäruniform zum Anzug ist ihnen nicht gelungen. Geschickte und zähe Unabhängigkeitskämpfer sind oft schlechte Staatsmänner.

Anlass des blutigen Konflikts im Südsudan war ursprünglich der Vorwurf Machars gewesen, Kiir benachteilige bei den Präsidentschaftswahlen seine Herausforderer. In der Tat hatte Kiir seit längerer Zeit alles unternommen, um seinen Vize zurückzubinden und insbesondere zu verhindern, dass er ihn dereinst aus dem Amt drängen könnte. Bittere Ironie für Machar: Im Juli bestätigte das Parlament Kiir für weitere drei Jahre als Staatschef – ohne Wahlen, angesichts des Krieges.

Sein wahres Gesicht zeigte Kiir am selben Wochenende, als er am Rand der Friedensverhandlungen Journalisten mit Ermordung drohte. «Pressefreiheit bedeutet nicht, dass man gegen das Land arbeitet», sagte er. Wenn Medienvertreter nicht wüssten, dass im Südsudan immer wieder Menschen getötet würden, dann könne man dies demonstrieren. Das waren für einmal keine leeren Worte. Allein in diesem Jahr wurden im Südsudan fünf Journalisten getötet.

Kiirs Kontrahent Machar ist keinen Deut besser, aber aus anderem Holz geschnitzt. Er ist etwa gleich alt wie Kiir, besuchte aber im Gegensatz zu diesem die Universität und promovierte in Grossbritannien. Dann kämpfte auch er in der Unabhängigkeitsbewegung SPLA, wechselte allerdings in der Folge dermassen oft die Seiten, dass man ihn das «Chamäleon mit Doktorhut» nannte. Er war mit einer Britin verheiratet, seine erste Frau ist eine der wenigen Politikerinnen im Südsudan. Er hat durchaus moderne Züge, aber seit dem Kriegsausbruch zeigt er sich von seiner archaischsten Seite. In jüngster Zeit gibt es Hinweise, dass ihm die Kontrolle über den Aufstand entgleitet. Spaltet sich seine Bewegung in mehrere Rebellengruppen auf, dürfte ein Friedensschluss noch schwieriger werden.

Lebenswerk zerstört

Der Südsudan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, verfügt jedoch über grosse Erdölvorkommen. Das macht das Land auch zu einem Brennpunkt internationaler Interessen. Insbesondere die USA haben sich in den letzten Jahren stark im Südsudan engagiert, umso verständlicher ist die amerikanische Unruhe über die jüngsten Entwicklungen. Allerdings ist fraglich, ob angedrohte Sanktionen wie Kontensperrungen und Einreiseverbote Kiir und Machar wirklich unter Druck setzen können. Die beiden können auch ohne ausländische Konten und Reisen gut überleben. Bei ihrer Gier nach Macht ist es Machar und vor allem Kiir offenbar egal, dass sie das Land zerstören, für dessen Unabhängigkeit sie ihr Leben lang gekämpft haben.