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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 17.07.2015

Klimaretter.info

Ohne Steuern keine Entwicklung

In New York und Paris will die internationale Staatengemeinschaft in den kommenden Monaten die Wende zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit beschließen. Doch woher soll das Geld für den Umbau kommen? Auf der Finanzierungskonferenz der UNO in Addis Abeba war Entwicklungshilfe nicht das große Thema, sondern – Steuern.

Aus Chiang Mai Christian Mihatsch

Bei der UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung [1] in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ging es kaum um Entwicklungshilfegelder. In der Abschlusserklärung steht natürlich, dass die reichen Länder ihre Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts [2] (BIP) 2steigern sollen. Dieses Ziel ist alt. Doch nur sehr wenige Länder [3] erreichen es. Deutschland beispielsweise kommt derzeit nur auf 0,4 Prozent, die Schweiz auf 0,5 Prozent.

Trotzdem haben die Ausgaben für Entwicklungshilfe vorletztes Jahr ein neues Allzeithoch erreicht: Die reichen Länder investierten 135 Milliarden Dollar in die Entwicklung der ärmeren. Bestätigt wird in der Abschlusserklärung von Addis Abeba auch das Versprechen der Industriestaaten, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar [5] für den Klimaschutz in Entwicklungsländern zu "mobilisieren". Wie dieses Geld zusammenkommen soll, blieb aber offen, weil man der Klimakonferenz in Paris nicht vorgreifen wollte, wie es hieß.

Im Mittelpunkt der Verhandlungen in Addis Abeba stand ein anderes Thema: Steuern. Die Entwicklungsländer verlieren jedes 1.000 Milliarden Dollar durch Korruption, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Um dieses Geld für die Entwicklung nutzen zu können, hat die Konferenz ein Maßnahmenbündel verabschiedet.

"Steuersysteme fördern stärkt die Demokratie"

So sollen multinationale Firmen in Zukunft Land für Land ausweisen, welche Gewinne sie erzielt und wie viel Steuern sie bezahlt haben. Firmen und Stiftungen sollen offenlegen, wem sie gehören. Zudem wurde die "Addis Tax Initiative" [6] gegründet, bei der Industriestaaten Entwicklungsländern beim Aufbau effektiver Steuerbehörden unterstützen. "Wer Steuersysteme fördert, stärkt damit zugleich die Demokratie", sagte Friedrich Kitschelt [7], Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium. Erfahrungen zeigen, dass Steuerzahler mitbestimmen wollen, wie ihr Geld ausgegeben wird.

Unterstützung erfuhr auch die Initiative "Steuerprüfer ohne Grenzen" [8] der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD [9]. Hier helfen – meist pensionierte – Steuerprüfer aus Industriestaaten ihren Kollegen in Entwicklungsländern. Pilotprojekte zeigen, dass damit oft erstaunliche Verbesserungen des Steueraufkommens erzielt werden können. So hat ein Projekt in Kolumbien zu zehnmal höheren Steuereinnahmen innerhalb von drei Jahren geführt.

Am heftigsten umstritten war die Frage, wie die globale Kooperation in Steuerfragen organisiert werden soll. Viele Entwicklungsländer forderten die Gründung einer neuen UN-Agentur. Die Industriestaaten dagegen hielten die bestehende UN-Expertenkommission für ausreichend. Der Clou: Praktisch ist die OECD federführend bei der internationalen Kooperation in Steuerfragen und nicht die UN-Kommission.

"Die Bevormundung durch die reichen Länder bleibt"

Die OECD [10] gilt als der "Club der reichen Länder". Wer Mitglied werden will, muss den sogenannten "Dresscode" erfüllen: Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. 34 Mitglieder hat die Organisation derzeit; bei ihrer Gründung vor gut 50 Jahren waren es erst 20.

In Addis Abeba konnten sich die Industriestaaten schließlich durchsetzen [11]. Pooja Rangaprasad von der Financial Transparency Coalition [12], einem Netzwerk aus Entwicklungsorganisationen und Regierungen, sagte dazu: "Die Entwicklungsländer haben hart für die UN-Agentur gekämpft, aber das heutige Abkommen ändert nichts an dem System der Bevormundung, wo eine Gruppe von 34 Ländern die ganze Macht hat. Die reichen Länder haben beschlossen, an einem System festzuhalten, wo Geld vom Süden nach Norden fließt [13] und die Regeln in die andere Richtung."

Das Abkommen über Entwicklungsfinanzierung soll die finanzielle Grundlage für die Sustainable Development Goals [15] (SDG) schaffen. Diese "Ziele für nachhaltige Entwicklung" sollen im September in New York [16] von der UNO verabschiedet werden. Der Zielkatalog löst die Millennium-Entwicklungsziele [17] ab, die unter anderem zu einer Halbierung der extremen Armut in der Welt beigetragen haben [18]. Aus Sicht von UN-Chef Ban Ki Moon ist dies gelungen: "Dieses Abkommen ist ein kritischer Schritt vorwärts, um eine nachhaltige Zukunft für alle zu bauen. Es bietet einen globalen Rahmen für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung."