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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 04.06.2013

Neue Zürcher Zeitung

Japan wirbt um Afrika

Japan verspricht, Milliarden in Afrika zu investieren, um die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents zu fördern. Dabei zeigen sich zwei Eckpfeiler von Ministerpräsident Abes Politik: Exportförderung und Eindämmung Chinas.

Patrick Zoll, Tokio

Über mangelndes Interesse vonseiten Afrikas kann sich Japan nicht beklagen. 51 der 54 Länder des Kontinents waren dieser Tage offiziell an der Tokyo International Conference on African Development (Ticad) in Yokohama vertreten, 39 durch ihre Staat- oder Regierungschefs. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe absolvierte als Gastgeber ein Mammutprogramm und empfing die Delegationen im Viertelstundentakt. Seit Ticad vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, habe sich das Verhältnis zwischen Japan und Afrika deutlich verändert, sagte Abe. Man sei nicht mehr bloss Partner, sondern Co-Manager.

Aufholjagd

Insgesamt 3,2 Billionen Yen, gut 30 Milliarden Franken, versprach Abe für die nächsten fünf Jahre. Davon sind 1,4 Billionen Entwicklungshilfe, der Rest soll von privater Seite kommen. Dass es für Japan in grossem Masse auch um eigene Interessen geht, verhehlt Abe nicht. «Abenomics», das nach ihm benannte Programm zur Revitalisierung der Wirtschaft, könne nicht bloss ein inländisches Unterfangen sein, schrieb der Ministerpräsident in einem Leitartikel im «Wall Street Journal».

Im Fokus stehen insbesondere Bodenschätze, an denen Japan arm ist. Die Elektronikfirmen zum Beispiel lechzen nach seltenen Erden; seit praktisch alle Atomreaktoren wegen der Katastrophe von Fukushima vom Netz sind, ist die Nachfrage nach Öl und Erdgas massiv gestiegen. Zugang zu Ressourcen ist eine Top-Priorität von Tokios Diplomatie. Allerdings, so versicherte Abe in seiner Eröffnungsrede, wolle man nicht einfach Bodenschätze ausbeuten und abtransportieren: «Japan wird Afrika darin unterstützen, dass die natürlichen Ressourcen zum Wachstum von dessen eigener Wirtschaft beitragen.» Damit spielte er ziemlich direkt auf China an, dessen Projekte immer wieder dafür kritisiert werden, dass die lokale Bevölkerung kaum etwas davon habe.

Damit war auch ein wichtiges Thema gesetzt: der Wettlauf mit China, bei dem Japan in den letzten Jahren deutlich ins Hintertreffen geraten ist. Die Wirtschaftszeitung «Nikkei» kommentierte, das von Abe angekündigte Paket sei ein erster Schritt in der Aufholjagd gegenüber Peking. Chinas Handel mit Afrika sei fünfmal umfangreicher als jener Japans, die Direktinvestitionen doppelt so hoch. Aber, so schrieb die Zeitung, die Finanzkraft Japans schwinde Jahr für Jahr. Der Kommentator der Zeitung «Asahi» sah dies ähnlich, nannte aber auch noch Indien, Brasilien und Südkorea als Konkurrenten.

Investition in die Stabilität

Der riesige Schuldenberg, der mehr als doppelt so gross wie die jährliche Wirtschaftsleistung ist, schränkt den Spielraum der Regierung ein. Damit Abes Plan funktioniert, muss daher die Privatwirtschaft mitmachen. Allerdings wurde Japans Managern im Januar drastisch vor Augen geführt, welche Risiken ein Engagement in Afrika haben kann. Beim Angriff von Extremisten auf eine Gasförderanlage in Algerien kamen zehn japanische Ingenieure ums Leben. Was japanische Firmen in Afrika brauchten, so folgert Abe, sei ein freies und sicheres Geschäftsumfeld.

100 Milliarden Yen des Hilfepakets will Tokio in die Sahelzone lenken, um dort die Stabilität zu erhöhen. 2000 Personen sollen in der Region für den Kampf gegen Terroristen ausgebildet und ausgerüstet werden. Zusätzlich verspricht Tokio, weiterhin seine Marine und Küstenwache im Kampf gegen die Piraterie vor Somalia einzusetzen und den Nachbarländern Somalias beim Aufbau ihrer eigenen Küstenwachen zu helfen. Auch anderswo auf dem Kontinent will Tokio die Sicherheit verbessern, etwa durch die Unterstützung von friedensfördernden Missionen.