Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 08.01.2010

FAZ
Im Aufschwungfieber
Marokkaner aus Deutschland bringen ihre Heimat voran / Von Martina Dreisbach

FEZ, im Januar. "Tee trinkt man in Marokko nie allein", sagt Hanan El-Khouri, Politikwissenschaftlerin und Promotionsstudentin an der RWTH Aachen, und gießt das mit frischer Minze zubereitete Getränk in hohem Bogen in die Gläser, dass es nur so schäumt. Sie spricht Deutsch, Französisch, Arabisch, Englisch und Spanisch nebeneinander her, wie die Finger an einer Hand sitzen. Dann nippt sie gemeinsam mit Mohammed, Hassan, Ibrahim und Abdellativ am übersüßen heißen Tee. Die zwischen 30 und 40 Jahre alten Männer sind IT-Manager, Diplom-Informatiker, Dolmetscher und Maschinenbauer - und teilen mit der jungen Frau die marokkanische Herkunft und den deutschen Studienabschluss.
Vor Weihnachten sind sie in ihre Heimat gefahren, ins winterliche Fez, wo im noch grünen Laub der Bäume die Zikaden sirren und es um Mittag herum angenehm warm wird. Sie nehmen an der ersten Herbstuniversität teil, einer Konferenz des Deutsch-Marokkanischen Kompetenznetzwerks (DMK), das die im Ausland erworbenen Fähigkeiten ihrer Landsleute in die Heimat zurückfließen lassen will. Jeder zehnte der 30 Millionen Marokkaner lebt im Ausland, 120 000 in Deutschland.
Im Jahr 2007 gründete der heute 41 Jahre alte promovierte Informatiker Hachim Haddouti aus München das DMK. Damit will er sein Land voranbringen und die Integration der in Deutschland lebenden Marokkaner fördern. Für die Herbstuniversität fand er schnell Mitstreiter in beiden Ländern. In Vorträgen zu Technik, Wissenschaft, Sozialem und Kultur geht es um Austausch und Zusammenarbeit beider Gesellschaften. Acht Verträge werden während der Konferenz geschlossen. Mit einer "IT-Karawane" etwa wollen Fachleute Schüler in Marokko für Naturwissenschaften interessieren.
Die Herbstuniversität erfährt Unterstützung von höchster Stelle. König Mohammed VI. hat die Schirmherrschaft übernommen. Marokko und auch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit sind die Sponsoren. Der deutsche Botschafter Ulf-Dieter Klemm ist gekommen und auch der Mann, auf den die jungen Leute setzen: Mohammed Ameur, Minister der drei Millionen Marokkaner im Ausland. Er steht für das moderne Marokko und will die Kenntnisse der jungen Leute für sein Land nutzen. Immerhin ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts stammt von Marokkanern, die im Ausland leben. Auch Ameurs Arbeitsalltag spielt sich zumeist im Ausland ab, wo er sich um die marokkanische Bevölkerung bemüht. "Unsere Landsleute sollen sich integrieren, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Nur wenn sie dort Erfolg haben, können sie Marokko helfen", sagt er. "Wir wollen aber auch, dass ihre Kinder ihre Heimat kennenlernen, und laden sie deshalb hierher ein. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und spornt sie in der Schule an."
Nicht alle Marokkaner, die vermehrt seit Anfang der neunziger Jahre in Deutschland studiert haben, stammen aus der begüterten Schicht. Viele haben unter harten Bedingungen die deutsche Sprache erlernt und studiert. Sie sind aufgeschlossen, begrüßen einander stets à la marocaine mit vierfachen Wangenküssen - ihr Auftreten entspricht dem von "Global Players". Im Herzen sind sie aber Marokkaner geblieben. Ihr Enthusiasmus auf der Konferenz ist groß.
Beim Empfang des Ministers in einem prachtvollen alten Palast tauschen die jungen Führungskräfte Erfahrungen aus. "Unsere Kinder haben es so gut in Deutschland", erzählt ein Ingenieur. "Sie sind dort geboren, sprechen die Sprache, besuchen die Schule - und machen doch nur so wenig aus ihren Möglichkeiten. Wir hatten es viel schwerer. Ich habe als Koch gearbeitet und mir immer gesagt, wenn ich das Studium nicht schaffe, werde ich ein Leben lang in der Küche stehen. Mit dieser Botschaft will ich jetzt in deutsche Schulen gehen und meinen Landsleuten Mut machen."